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einen positiven Charakter hat. In jenem wird gegen K. O. Müller mit guten Gründen ausgeführt, dasz der von ihm postulierte Zusammenhang zwischen dem dorischen Stamme und dem apollinischen Cultus in der That nicht stattgefunden habe, da namentlich die alte Doriercolonie nach Kreta, welche noch vor der Heraklidenrückkehr von Thessalien ausgegangen sein soll, nur eine Fiction späterer Grammatiker zu Gunsten eines Anachronismus bei Homer zu sein scheine. Ref. kann sich mit diesen Resultaten um so unbefangener einverstanden erklären, da er für sich selbst lange eine ähnliche Ansicht gewonnen hatte. Nur scheint mir Hr. Schönborn im Eifer seiner Untersuchung zu weit zu gehen, wenn er von gar keinem ältern Zusammenhange zwischen Kreta und Delphi wissen will, für den doch so manche wichtige Umstände sprechen und den der Vf., sobald er von jener praesumierten alten Colonie der Dorier auf Kreta absieht und dafür andere nationale und Cultureinflüsse setzt, doch auch recht gut gelten lassen könnte. Ich erlaube mir in dieser Hinsicht auf einen Aufsatz über Krisa und sein Verhältnis zu Kirrha und Delphi' zu verweisen, der in den Berichten über die Verhandlungen der k. sächs. Gesellschaft d. W. zn Leipzig, phil.-hist. Classe 1854 III u. IV S. 119 ff. abgedruckt steht. Weiter wird vom Vf. nachgewiesen, dasz auch die sehr alten apollinischen Dienste in Kleinasien nicht von dem dorisierten Kreta oder sonst von hellenischen Einflüssen abgeleitet werden können, sondern vorhellenischen Ursprungs sind, so dasz also Apollon nach Hrn. Sch. (ich habe in meiner griech. Mythologie im wesentlichen dieselbe Ansicht ausgesprochen) nicht, wie Müller wollte, von den Hellenen zu den Asiaten, sondern umgekehrt von den Asiaten zu den Hellenen gekommen wäre. Darauf versucht der Vf., um einen Schritt ins positive zu thun, das ursprüngliche Wesen Apollons zu bestimmen, dessen wichtigste Eigenschaften im natürlichen und sittlichen Leben er zunächst aus Müller, Schwartz de antiquissima Apollinis natura u. a. zusammenträgt, um darauf das etwas sehr abstracte Resultat auszusprechen, dasz Apollon eigentlich die männliche Hypostase des höchsten Gottes der alten Welt darstelle, wie Athena die weibliche; in diesem Ausdruck werde sich am besten seine machtvolle Stellung Menschen und Göttern gegenüber, die über seine ganze Persönlichkeit verbreitete Hoheit, sowie seine in den verschiedensten Sphaeren sich äuszernde Einwirkung auf die Menschen zusammenfassen lassen. Endlich glaubt er speciell von dem Orakel des didymaeischen Apollon zu Milet, einem der ältesten Dienste im griechischen Kleinasien, den asiatischen und zwar einen semitischen Ursprung nachweisen zu können, durch eine scharfsinnige und in etymologischer Hinsicht sehr ansprechende Erklärung der Erzählungen von Branchos, dem Liebling und ersten Propheten des didymaeischen Apollon. Leider finden sich diese Erzählungen erst bei den sehr späten Referenten Konon und Lutatius, dem Erklärer des Statius, welcher Umstand Hrn. Sch. selbst einigermaszen bedenklich stimmt (S. 69). Doch tröstet er sich mit der Behauptung, dasz ein mit semitischen Namen ausgestatteter

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Mythos nicht wol nach, sondern nur vor der hellenischen Colonisation von Milet habe entstehen können, da einem hellenischen Gotte doch nicht eine durchweg orientalische Genealogie gegeben sein würde. Indessen lassen sich dagegen doch einige Bedenken erheben. Auch ich bin der Meinung dasz der milesische Apollon nicht hellenischen Ursprungs ist, doch möchte ich diesen Ursprung lieber bei der älteren karischen oder lykischen Bevölkerung von Kleinasien suchen, wohin namentlich die Mythen vom Miletos oder Atymnos und vom Sarpedon deuten, die mir in diesen Gegenden weit älter und ursprünglicher als die Erzählungen von Branchos zu sein scheinen. Sind diese, wie der Vf. es erwiesen, semitischen Ursprungs, so stammten sie höchst wahrscheinlich aus Kilikien, welches auf das hellenische Orakelwesen in Kleinasien auch sonst manchen Einflusz ausgeübt haben musz, wie man dieses namentlich aus den Erzählungen von der Auswanderung der Propheten Mopsos und Amphilochos nach Kilikien folgern darf, s. Stiehle im Philologus VIII S. 69 ff. Berichteten von diesen Sagen nun auch schon die hesiodische Melampodie und der Dichter der Nosten, so möchte ich sie doch für beträchtlich später als die Hellenisierung von Milet halten, da solche Städte wie Milet und Ephesos durch Vermittlung des lydischen Reiches und vollends unter der persischen Herschaft mit dem tiefern Asien ohnehin einen lebhaften Verkehr hatten. Das alles bedarf einer eingehenderen Untersuchung. Hrn. Sch. aber gebührt jedenfalls das Verdienst, die unbegründeten Voraussetzungen Müllers ausführlich beleuchtet und zugleich, was speciell das Märchen von Branchos und den Branchiden betrifft, eine in mehr als einer Hinsicht sehr interessante Erklärung gegeben zu haben.

4) Ueber die Philaenensage, mit Berücksichtigung ähnlicher Erzählungen aus älterer und neuerer Zeit, von Dr. Hermann Middendorf. (Jahresbericht über das k. Gymnasium zu Münster.) Münster, bei Coppenrath. 1853. 25 S. 4.

Eine gute Probe der comparativen Behandlung von Sagen, welche immer viel anregendes hat. Der gemeinschaftliche Stoff dieser Sagen sind Grenzstreitigkeiten, die dadurch beigelegt werden dasz man zu gleicher Zeit zwei Männer von bestimmten Punkten ausgehen läszt, so dasz der Ort ihres zusammentreffens als Grenze angesehen werden soll; eine Gelegenheit der List und der patriotischen Aufopferung, welche die Sage dann besonders hervorhebt. Der Vf. führt zuerst eine schöne Schweizersage über die Entscheidung eines Grenzstreits zwischen Uri und Glarus an, dann eine gleichartige aus dem griechischen Alterthum, wo es einen Grenzstreit zwischen den Städten Lampsakos und Parion in Kleinasien zu schlichten galt. Darauf kommt er zu der von Sallust u. a. erzählten Geschichte von den Philaenen, durch welche die Grenze zwischen Kyrene und Karthago bestimmt sein soll: welche Erzählung er gleichfalls nur als eine Sage

gelten lassen will. In der That lassen sich viele geographische und historische Bedenken gegen ihre Wahrheit erheben. Auch scheinen die Bauol Dihaívov, woraus die Sage entstanden ist, eigentlich nur Bauoi Dilaívov zu sein, bei welchem Namen der Vf. an die griechische Uebersetzung (der ruhmliebende) eines punischen Gottes denkt. Zugleich bemüht er sich diesen wichtigen Grenzpunkt geographisch genauer als es bisher geschehen zu bestimmen, und findet dabei dasz die Altäre des Philaenos der südlichste Punkt an der südlichen Einbiegung der groszen Syrte gewesen sein müssen. Somit habe Karthago die ganze Westküste der groszen Syrte besessen, welche für den Handel von viel gröszerer Wichtigkeit als die Ostküste gewesen sei, auf welche letztere nach dem Vf. die Kyrenaeer beschränkt waren. Unter denen, welche früher von dieser Sage gehandelt, wäre auch Thrige res Cyrenensium (Hafniae 1828) p. 192-203 zu berücksichtigen gewesen.

5) De Troiae ludo disputatio quam scripsit Antonius Goebel, Phil. Dr. (Programm des Gymnasiums zu Düren.) Marcoduri, formis Knoll et filii, 1852. 28 S. 4.

Die älteren Untersuchungen über dieses aus Vergilius bekannte Spiel schienen dem Vf. gänzlich unzureichend. Unter den neueren habe Klausen (Aeneas und die Penaten S. 820 ff.) nur die Frage über den Namen und die Entstehung desselben ausführlicher erörtert. Darum sei es angemessen, die ganze Untersuchung von neuem anzustellen. Also werden zuerst die Beweisstellen vorgelegt, dann die einzelnen in Frage kommenden Punkte ausführlich und gründlich besprochen. Die Troia war ein ritterliches Spiel von Knaben aus den vornehmen Ständen, unter denen minores bis zu einem Alter von 11 Jahren und maiores bis zu einem Alter von 17 Jahren unterschieden werden. Diese Knaben wurden dabei in mehrere Turmen eingetheilt, deren jede ihren Führer hatte, von welchen Führern aber der sog. princeps iuventutis wol zu unterscheiden sei, da dieser etwas ganz anderes bedeute. Die Knaben waren mit leichten Waffen versehen und hatten zu Pferde allerlei Schwenkungen und Kämpfe auszuführen, die der Vf. auf bestimmte Figuren zurückzuführen sucht, unter der Aufsicht von Rittmeistern welche sie dazu einübten. Der Name sei mit Klausen von troare oder truare abzuleiten, einem alten Worte welches in antroare, redantruare, Trossuli u. a. hervortrete und s. v. a. agitare bedeute, so dasz troia arena, troicus ager in der alten Sprache wahrscheinlich eine Rennbahn für ritterliche Uebungen gewesen sei, obwol man später dabei allgemein an eine Abstammung von Troja zu denken pflegte. Das Spiel war ohne Zweifel sehr alten Ursprungs, wurde aber erst durch Sulla wieder hervorgesucht und dann namentlich unter Augustus eifrig geübt, unter den späteren Kaisern aber bei Seite gelegt. Dasz es nicht ohne Gefahr war, sieht man aus der Erzählung bei Sueton Aug. 43. Die Turniere des Mittelalters, an welche

frühere Erklärer gedacht haben, seien gänzlich verschiedener Art und bestehe zwischen beiden Uebungen gar kein Zusammenhang.

6) Ueber das Wesen des Janus, von D. Zimmermann, k. Gymnasialprofessor. (Jahresbericht der k. Studienanstalt zu Erlangen.) Erlangen 1852. 22 S. 4.

Eine gründliche Untersuchung über das schwierige Thema, welche Bedeutung der alte latinische Gott Janus gehabt habe, dieser Gott des Anfangs, des Ursprungs, der Quellen, der Durchgänge. Ist er nichts weiter als der personificierte Anfang? Hatte er in dem älteren Systeme der römischen Religion nicht auch eine Natur- und allgemeinere kosmische Bedeutung? Und wie kommt er dazu so ganz vornehmlich der Gott der Thore und der Thüren geworden zu sein, und heiszen diese nach ihm oder unabhängig von ihm iani und ianuae? Diese Fragen haben alle früheren Untersuchungen über den Janus beschäftigt (vgl. bes. Buttmann im Mythologus II S. 70 ff.), und sie sind es welche auch den Vf. beschäftigen. Sein letztes Resultat ist dasz der römische Janus, so wie wir ihn aus den meist späteren Berichten kennen, durch Verschmelzung eines etruskischen und eines altlatinischen Gottes entstanden sei, von denen jener eine in der Sonne wirksame Naturmacht und ein durch Zeichen am Schaugebiete des Himmels alles menschliche thun leitendes Wesen bedeutet habe, dieser die abstracte Macht des Durchgangs, des Anfangs (Ianus von ire) gewesen sei eine Ansicht die auch früher schon ausgesprochen ist und u. a. die von K. O. Müller war (Etrusker II S. 58. 59), die aber doch an manchen Bedenken leidet. Einmal ist es noch immer sehr die Frage, ob Janus wirklich auch ein etruskischer Gott gewesen sei. Falerii, aus welchem ein vierköpfiger Janus nach Rom kam, war ein Ort von gemischter Bevölkerung, da es auf der sabinischen und umbrischen Grenze lag und eben daher einen Theil seiner Bevölkerung gezogen hatte (Müller a. a. O. I S. 109). Und dasz der bekannte Doppelkopf auf den Erzmünzen von Volaterrae den Janus bedeute, ist vollends ganz problematisch, da sich ein ähnlicher Doppelkopf auch auf den Münzen von Capua, ja auch auf verschiedenen griechischen Münzen findet (selbst der argivische Argos, der Hüter der Io, erscheint gelegentlich mit einem Doppelkopfe), so dasz dieses Symbol also jedenfalls eine weit allgemeinere Bedeutung hatte, nicht immer nothwendig einen römischen Janus bedeutet, vgl. Braun bei Gerhard archaeol. Nachlasz aus Rom S. 40 und Raoul Rochette Peint. de Pomp. p. 141. 142. Es müsten also noch bestimmtere Merkmale nachgewiesen werden, ehe wir den ganz latinischen und sabinischen Janus auch für einen etruskischen Gott halten dürfen. Dazu kommt der schon von Buttmann vorzüglich geltend gemachte Umstand, dasz Janus einer der ältesten und angesehensten Nationalgötter in Latium war und als dessen ältester Herscher galt, so dasz er ganz nothwendig eine gröszere und sinnlichere Sphaere seiner Göttlichkeit gehabt haben musz

als die des abstracten Anfangs oder gar des Durchgangs, aus welcher Idee sich schwerlich jemals ein Volk, und wenn wir uns die alten Latiner auch gerade so praktisch und nüchtern denken wie die späteren Römer es waren, einen seiner angesehensten und am allgemeinsten verehrten Götter gebildet haben wird. Genug es bleiben hier verschiedene Schwierigkeiten, welche auch durch die vorliegende Abhandlung noch nicht gelöst sind. Uebrigens findet man in ihr eine vollständige und klare Auseinandersetzung aller auf den römischen Janus bezüglichen Sagen, Feste und Gebräuche, unter welchen letzteren natürlich die mit dem Ianus geminus oder der porta Ianualis auf dem Forum vor Eröffnung des Kriegs vorgenommenen den Vf. ganz vornehmlich beschäftigen.

7) Kritik der Sage vom König Euandros, von Dr. Albert Bormann. (Programm der Klosterschule Rosleben zu Ostern 1853.) Halle, Druck der Waisenhausbuchdruckerei. 28 S. 4.

Der Vf. hat sich schon durch seine altlatinische Chorographie und Städtegeschichte' (Halle 1852. 8) als gründlichen Forscher im Gebiete des latinischen Alterthums bekannt gemacht und bewährt sich als solchen auch in dieser Abhandlung, obwol derselben hin und wieder eine vorsichtigere Kritik zu wünschen wäre. Die Sage vom Evander wird durch alle Stadien der römischen Geschicht- und Sagenschreibung, so weit wir nachkommen können, verfolgt, so dasz der Leser von selbst zu der Ansicht geführt wird, dasz es dieser Sage an einer tieferen Begründung in alten Ueberlieferungen des römischen Bodens und Cultus allerdings fehle. Zuletzt spricht der Vf. seine eigene Ueberzeugung aus, dasz Evander nur als Gegenstück zu dem aus der römischen Herculessage bekannten Cacus oder Cacius in die römische Geschichte eingeschoben sei, nachdem man diesen Namen auf griechisch durch Kaxós zu erklären angefangen hatte. Und zwar seien es höchst wahrscheinlich Sagenschreiber aus Cumae gewesen, die das römische Alterthum mit diesem guten Mann' beschenkt hätten, wie wir die älteste Notiz über Cacus und Evander denn wirklich dem Auszuge aus einem cumanischen Geschichtschreiber bei Festus s. v. Romam verdanken. Mit der Zeit habe sich aus diesen Anfängen die Sage in der Gestalt ausgebildet, wie wir sie aus Vergilius und Dionysios von Halikarnass kennen, namentlich aus letzterem, welcher mit seiner gewöhnlichen Breite und Zuversichtlichkeit davon erzählt und die nun zur festen Thatsache gewordene Ankunft des Evander aus Arkadien im Sinne seines Werks dazu benutzt, um verschiedene altlatinische Culte und Sagen, die mit Griechenland und Evander nichts zu thun hatten, damit zu combinieren. Endlich sei die Sage von der Wanderung des Evander aus Arkadien nach Italien aus diesem Lande nach Arkadien selbst übertragen, so dasz man nun auch zu Pallantion in der Gegend von Tegea und zu Pheneos von Evander gefabelt habe, da alle ältere Ueberlieferung Arkadiens sonst von die

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