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Gemälden sind nicht selten auch Gemmen benutzt und zwar nach einer Sammlung der Gemme Dolce. Die ganze Auswahl sollte nur vorzügliches geben, das beste unter den erhaltenen Bildwerken, und dabei zugleich methodologisch zum Studium und zur mythologischen Erklärung der antiken Kunstdenkmäler anleiten. Man dürfe sich nicht allzu bald an die schwierigeren Kunstgattungen wagen, und namentlich bedürfe das Verständnis der Vasenzeichnungen (aber doch auch der pompejanischen Wandgemälde) einer sorgfältigen Vorbereitung durch andere Denkmäler. Uebrigens ist Hr. Braun weit entfernt, den Werth dieser Auswahl und der mitgetheilten Zeichnungen zu hoch anzuschlagen. Gypsabgüsse der vorzüglichsten Meisterwerke, wie sie jetzt in so vielen Sammlungen der Hauptstädte, Residenzen und Universitäten zu sehen sind, müsten durchaus für die vorzüglichste Hilfe solcher Studien gelten. Wo diese nicht zu erreichen seien, da könne man sich jetzt am besten mit Photographien helfen, die von den schönsten Denkmälern der vaticanischen Sammlungen bereits im Umlauf seien. Mit diesen Spiegelbildern, deren wahrheitstreue Wirkung der ausgeführteste Kupferstich nicht von fern zu erreichen vermöge, beginne eine ganz neue Aera für das Studium der alten Sculptur. Seine eignen Tafeln nennt er anspruchslose Umrisse, welche aber von praktischem Nutzen für das allgemeinere Studium bleiben möchten. dem erklärenden Texte begegnet man denselben Ansichten und demselben etwas praetentiösen, nicht selten schwülstigen Stile, den man aus dem mythologischen Handbuch kennen gelernt hat. Es ist dem Vf. nun einmal nicht möglich, die Hauptsache einfach und in ungeschminkten Worten zu sagen; das empfindungsvolle überwiegt gewöhnlich den Gedanken, und das doctrinäre streben sich in dem Lichte einer vielseitigen wissenschaftlichen Bildung zu zeigen, so wie das aesthetische nach einem künstlerisch schönen und abgerundetem Ausdruck führt zu allerlei Auswüchsen und arabeskenartigen Einschiebungen, die der Deutlichkeit keineswegs förderlich sind. Dasz er davon selbst ein Bewustsein hat, beweist der Schlusz, in welchem er sich gegen diejenigen ausdrücklich verwahrt, welche ihm die bei diesen und andern Deutungen alter Kunstwerke befolgte Vortragsweise als überschwänglich und hochtrabend' zum Vorwurf machen würden. Für das richtige und eindringliche Verständnis von Kunstwerken, die ja ihrer Natur nach einer rein poetischen Gedankensphaere angehören, ist es weit weniger nachtheilig, wenn man die Stimmung etwas zu hoch nimmt, als wenn man sie in eine prosaisch nüchterne Betrachtungsweise hinabzieht, da die Abkühlung der Einbildungskraft ohnehin bald genug erfolgt, die Rückkehr zu poetischen Gefühlen und Empfindungen aber nach solchen frostigen Auslegungsversuchen selbst denen unmöglich zu werden pflegt, die sich in jenen höheren Regionen heimisch fühlen.' Wogegen man mit Recht bemerken könnte, dasz ein solcher Aufschwung des Geistes, wie ihn das richtige ergreifen künstlerischer Gedanken erfordert, sich überhaupt nicht gebieten läszt, aber am wenigsten dann sich einzustellen pflegt, wenn

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der Standpunkt vom Erklärer zu hoch' genommen wird. Im Gegentheil nur zu leicht bemerkt man an solchen übertriebenen Steigerungen des Gefühls und des Ausdrucks das absichtliche und künstliche und läszt sich dadurch wol gar ohne Grund gegen den Interpreten und die Sache einnehmen.

12) Griechische Mythologie von Eduard Gerhard, ord. Prof. an d. Univ. zu Berlin. Erster Theil: die griechischen Gottheiten. Berlin, Druck und Verlag von Georg Reimer. 1854. XX u. 603 S. 8.

Ein Werk langjähriger und die beiden Gebiete der Litteratur und der monumentalen Ueberlieferung tief durchdringender Studien, wie denn auch Gerhard nicht allein durch seine zahlreichen Publicationen und Erklärungen antiker Kunstwerke, sondern auch durch seine damit verknüpften mythologischen Untersuchungen weit und breit bekannt und berühmt ist. Doch war eine Zusammenfassung der letzteren längst zu wünschen, da der 'Prodromus mythologischer Kunsterklärung' weder ganz vollendet worden ist noch die selbständige Haltung eines systematischen Lehrbuches behaupten konnte, wie dieses die Aufgabe des vorliegenden Werkes ist. Aus Dictaten zum Behuf von akademischen Vorlesungen entstanden wird es den wesentlichen Inhalt griechischer Götter- und Heldensage enthalten, den der letztern in dem noch rückständigen zweiten Theile. Den Ursprung aus Dictaten verräth die Behandlung nach Paragraphen mit beigefügten Anmerkungen, eine Methode der wissenschaftlichen Darstellung, die ja auch in andern Lehrbüchern von ausgezeichneter Vortrefflichkeit beliebt worden ist, aber doch manche Unbequemlichkeiten hat und namentlich die freiere Bewegung und logische Unbefangenheit des Gedankens, auch die stilistische Leichtigkeit zu erschweren pflegt.

Eine voraufgeschickte Einleitung S. 1-75 spricht sich in kurzen Sätzen über die Religion und den Cultus der alten und die damit zusammenhängende Symbolik, dann über die ethnographischen und geographischen Grundlagen des griechischen Götterwesens und über dessen culturgeschichtliche Abwandlungen, endlich über Litteratur und Methodik der griechischen Mythologie aus. Immer ist dieselbe Hrn. Gerhard vorzüglich Religion, Götterglaube und Cultus gewesen; daher auch in diesem Buche das mythologische im engern Sinne des Worts, wie es die Sage und die Poesie aus den bildlichen Keimen der Naturreligion weiter entwickelt, die Kunst zu festen plastischen Gestalten ausgearbeitet hat, weit weniger zur Sprache kommt als das hieratisch bedeutsame, das theologische, so zu sagen das elementarische und abstracte der religiösen Anschauung der alten. Obwol das vorliegende Buch sich doch weit mehr als frühere Untersuchungen auch auf die lebendigeren Gestaltungen der Mythologie einläszt und der volksthümliche Glaube und Inhalt der mythologischen Bilder hin und wieder sogar sehr lebendig erfaszt und ausgedrückt wird, z. B. im Apollon

und bei den Gottheiten des Lichtes und des Wassers. Die alte Vorliebe aber für jene elementaren Formen des Götterdienstes und des Götterglaubens hat in diesem Lehrbuche zu einigen sehr anregenden und lehrreichen Abschnitten geführt, welche als wesentliche Fortschritte fir die Wissenschaft bezeichnet werden müssen und bei anhaltender Pflege gewis vieles wichtige und nützliche zu Tage fördern werden. In der Einleitung gehört dahin namentlich der Abschnitt über Symbolik, in welchem die bildliche Bedeutung der mythologischen Namen und Zahlen, der Pflanzen und Thiere, der Attribute, der mythologischen Handlungen usw., die für das Studium der Mythologie von der grösten Wichtigkeit sind, auf gewisse allgemeine Grundsätze zurückgeführt werden.

In dem ethnographischen Abschnitt erklärt sich der Vf. über die geschichtlichen Grundverhältnisse des griechischen Götterglaubens, zunächst über die ausländischen Einwirkungen, die er theoretisch in weit bedeutenderem Umfange gelten läszt als bei der praktischen Ausführung wirklich anerkennt. So erklärt er die Leleger und Karer, welche in vorhellenischer Zeit nicht allein die Inseln, sondern auch einen groszen Theil von Griechenland bewohnten, für verwandte der Phoenicier und ist die Erscheinung der Pelasger in Griechenland mit andern gelehrten neuerer Zeit für eine Folge gewaltsamer Erschütterungen der semitischen Völkerstämme von Aegypten aus zu halten geneigt. Doch sind ihm die Pelasger selbst indogermanischen Ursprungs, desgleichen die Phryger und die ihnen sonst verwandten Stämme Kleinasiens samt den europaeischen Thrakern, auf welche letztere in diesem Buche immer ein groszes Gewicht gelegt wird. Ohne alle Unterscheidung der mythischen von den historischen Thrakern, welche doch sehr nothwendig sein dürfte, da der Name im allgemeinen nur der einer Bevölkerung des rauheren europaeischen Nordens vom makedonischen Olympos an zu sein scheint, diese Bevölkerung aber im Lauf der älteren Geschichte sich gewis mehr als einmal verändert hat. Was sonst diese ethnographischen Erörterungen betrifft, so lassen sie sich ja bei eingehender Behandlung der griechischen Mythologie allerdings nicht wol umgehen. Doch bleibe ich bei meiner schon in dem Buche über Demeter und Persephone ausgesprochenen Ueberzeugung, die sich auch sonst immer mehr geltend macht, dasz von K. O. Müller und in der Schule desselben viel zu viel Gewicht auf diese Sonderungen der Stämme und überhaupt auf das locale gelegt wurde, welches sich selten mit Sicherheit so weit ins einzelne verfolgen läszt und vor welchem bei solcher Behandlung das im höheren Sinne des Wortes nationale und ideale des griechischen Volksglaubens nur zu oft zurücktritt. So werden auch in diesem Buche die einzelnen Eigenschaften eines Gottes und die Eigenthümlichkeiten seines Cultus gewöhnlich sehr genau nach ihrer Abstammung und Herkunft von diesem oder jenem Volksstamme, von den Thrakern, den Dardanern, den Aeolern, den Achaeern (die der Vf. mit besonderer Vorliebe und nach eigenthümlichen Gesichtspunkten ins Auge faszt),

den Ionern, den Doriern unterschieden, ohne dasz dadurch die Einsicht in das wesentliche und charakteristische ihrer Bestimmungen eigentlich gefördert würde. Ja diese vielen Namen und unklaren Vorstellungen von wenig bekannten Völkerschaften erschweren die Deutlichkeit des allgemeineren und idealen Bildes der Gottheit, da in der Zersplitterung eines und desselben Gottesdienstes über so viele locale Eigenthümlichkeiten und Besonderheiten die einfacheren Grundzüge des mythologischen Gedankens gewöhnlich verloren gehen. Uebrigens gibt Hr. G. dem Gebiete der griechischen Mythologie eine so weite Ausdehnung, dasz er auch die parallelen Erscheinungen des asiatischen und des italischen Götterglaubens wenigstens zur ergänzenden und comparativen Kunde mit hinzuzieht.

Das erste Buch handelt von den Göttersytemen, worunter der Vf. solche Vereine von Gottheiten versteht welche als Inbegriff einer gemeinsam verehrten Vielzahl die Einheit göttlichen Wesens und waltens mitten im Göttergedränge des Polytheismus darstellen.' Unter ihnen werden wieder speculative Göttersysteme d. h. die der theogonischen Richtung, und die positiv ins Leben und in den Cultus getretenen vorhellenischen oder hellenischen unterschieden. Also werden zunächst die kosmogonischen und theogonischen Dichtungen nach Hesiod, Orpheus und späteren Quellen behandelt, auch die anthropogonischen Vorstellungen und die von dem ältesten Zustande des menschlichen Geschlechts, wo der Vf. auf eigenthümliche Weise zwischen prometheischen Menschen titanischer Entstehung und solchen welche Zeus und Kronos geschaffen unterscheidet (§. 102-130). Dann folgen die vorhellenischen Göttersysteme (§. 131- 180), deren genauere Bestimmung, wenn sie möglich wäre, allerdings von der gröszten Wichtigkeit sein würde; indessen bezweifeln wir diese Möglichkeit und können uns auch mit den vom Vf. in diesen Paragraphen aufgestellten Sätzen nur in wenigen Fällen einverstanden erklären. Im allgemeinen sind darunter solche Gottheiten zu verstehen, wie sie etwa für die Wurzelbegriffe und elementaren Gottesdienste aller Naturreligion gelten könnten. Nach Anleitung der bekannten Stelle Herodots über die pelasgischen Götter (II 52) denkt der Vf. sich diese älteste Vorzeit ganz pandaemonistisch gestimmt, so dasz aus solchen schwebenden Gestalten und Gebilden eines von dem Bedürfnisse der Einheit durchwachsenen Geisterglaubens erst mit der Zeit der auf feste Sonderung, Gruppierung und Gliederung dringende hellenische Polytheismus hervorgegangen wäre. Eine erste Scheidung sei mit der Annahme weiblicher und männlicher Gottheiten hervorgetreten, die dann weiter, aber erst allmählich zu geschlechtlich verbundenen Paaren geworden wären. Ursprünglich habe der Glaube an eine Göttermutter vorgeherscht, die er unter sehr verschiedenen Gestalten in sehr verschiedenen Religionskreisen nachzuweisen sucht. Darauf sei aus dem Glauben an solche Göttermütter, z. B. die Rhea, die Kybele, die ephesische Artemis usw. der an daemonische Welterretter (Zwτñges, wolthätige Daemonen) hervorgegangen, welche unter verschiede

nen Beziehungen als dienende oder begleitende Umgebung der Göttermutter verehrt worden wären, wie die Kabiren, Korybanten, Daktylen, Telchinen usw. welche Daemonen vorzugsweise in den Mysterien Verehrung genossen hätten, deren religiöse Sätze und Ueberlieferungen der Vf. bei dieser Gelegenheit annäherungsweise zu bestimmen sucht. Aus diesen Elementen verschiedenster Abstammung, nachdem sich die gleichartigen Gottheiten und Daemonologien von Norden und Süden, von Osten und Westen auf dem neutralen Boden eines in seinen religiösen Vorstellungen noch ganz schwebenden und schwankenden Pelasgerthums zusammengefunden, denkt der Vf. sich später den hellenischen Götterstaat hervorgegangen, dergestalt dasz durch Sage, Dichtung und Mysterien aus der durch Stammes verbindung äuszerlich gebotenen und zum Theil auch äuszerlich durch Austausch der göttlichen Namen und Symbole bereits vollzogenen Verknüpfung einander urspünglich fremder Götterwesen ein innerlich und ideell verbundenes Göttersystem gewonnen sei. Lauter Combinationen gegen welche sich im einzelnen wie im allgemeinen gar manches erinnern liesze, welche aber jedenfalls das Interesse und das Verdienst einer lange und wol erwogenen Forschung und Ueberlegung haben und als solche nur bei einer ausführlicheren Untersuchung über die Ursprünge und den ältesten Charakter des griechischen Götterglaubens und über die Geschichte der Mysterien so widerlegt werden könnten, wie es die Wichtigkeit der Sache und der Ernst dieser Studien erfordern.

Das zweite Buch beschäftigt sich mit den griechischen Gottheiten des gewöhnlichen Glaubens und zwar zuerst mit den olympischen, dann mit den chthonischen, endlich drittens mit den 'vermischten'. In jene erste Abtheilung fallen Zeus, Hera, Poseidon, Athena, Hermes, Hestia, Apollon, Artemis, Ares, Aphrodite, Hephaestos. In die der chthonischen Götter, welche durch ein kurzes Vorwort über Melampus und Orpheus und die schwarzen Propheten❜ eingeleitet wird, Demeter, Kora, Iakchos als zusammengehörige Gruppe, darauf Hades und Dionysos, welche der Vf. gleichfalls für gleichartige und nahe verwandte Gottheiten hält. Endlich die Abtheilung der vermischten Gottheiten umfaszt die des Lichtes, die der Erregung und Zeugung (Eros, Prometheus, Pan u. a.), die der Gesundheit und Heilung (Agathodaemon, Asklepios, Hygiea usw.), die der Luft, des Wassers, des Geistes und der Weissagung (Musen), des Erdbodens und Erdsegens (Horen, Chariten u. a.), der Unterwelt, des Schicksals und der Weltordnung, endlich die ethischen Mächte des Streites und der Eintracht und der Gottheit im Menschen'. Der gewöhnliche Gang der Untersuchung bei allen gröszeren Gottheiten, wo eine ausgedehntere und eingehendere Erörterung möglich ist, ist die dasz zuerst kurz der Name, dann die localen Culte und zwar diese in einer fast zu groszen Vollständigkeit und in einer sehr weiten Ausdehnung, von Griechenland bis in den Orient und Occident, besprochen werden. Darauf wird das Wesen jedes Gottes nach seinen physikalischen und ethischen Eigenschaften auf gewisse allge

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