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nen Collegen Sempronius, der von Sicilien und Unteritalien über Ariminum herkommend sich mit ihm vereinigte. In der Zwischenzeit hatte Hannibal zu keiner andern Unternehmung Gelegenheit gefunden als die römischen Vorräte in Clastidium durch Verrath des Commandanten wegzunehmen. Jetzt setzte Hannibal seine Hoffnung auf die gröszere Kampflust des Sempronius, die er auf alle Weise zu reizen versuchte, wobei er seinen Zweck so vollkommen erreichte, dasz er an einem stürmischen Decembermorgen, nachdem er seine Vorbereitungen aufs beste getroffen hatte, durch ein geschicktes Manöver die Römer über den Flusz lockte und ihnen, die mit der grösten Tapferkeit, aber durch die Unvorsichtigkeit ihres Führers unter den ungünstigsten Umständen kämpften, eine empfindliche Niederlage beibrachte. Doch schlugen sich 10000 Mann des römischen Fuszvolks durch die feindliche Schlachtreihe durch und retteten sich, da sie von der Rückkehr ins Lager durch den Flusz abgeschnitten waren, nach Placentia. Auch die Punier waren durch den Kampf und den Einflusz der Witterung so erschöpft, dasz sie an einen Angriff auf das römische Lager nicht dachten, sondern vielmehr es ruhig geschehen lieszen, dasz der Theil des römischen Heeres der als Besatzung im Lager zurückgeblieben war, nebst den wenigen die sich ins Lager gerettet hatten, während der Nacht über den Flusz gieng und an dem punischen Lager vorbei seinen Weg nach Placentia und Cremona nahm.

In dieser Darstellung tritt am merkwürdigsten für die Bestimmung der Localität die letzte Angabe hervor, welche unzweideutig zu erkennen gibt dasz sich Livius das Schlachtfeld und das punische Lager auf der rechten, das römische Lager dagegen auf der linken Seite der Trebia dachte, womit jene andere Angabe aufs beste übereinzustimmen scheint, dasz die 10000 Mann des römischen Fuszvolks, welche sich durch den Flusz vom römischen Lager abgeschnitten sahen, ungehindert nach Placentia kommen. Dagegen erheben sich die grösten Schwierigkeiten, sobald man rückwärts schlieszend die übrigen Angaben mit dieser Auffassung in Uebereinstimmung zu bringen sucht. War das römische Lager nach der durch den Aufstand der Gallier veranlassten Bewegung des Scipio auf dem linken Ufer der Trebia, so musz es vorher auf dem rechten und, da es auch näher dem Po gewesen war, fast unter den Mauern von Placentia gewesen sein. Glaubte nun Scipio höher hinauf am Gebirge eine festere Stellung und gröszere Sicherheit zu gewinnen, so sieht man doch schwer ein, was ihn bewogen haben kann das rechte Ufer der Trebia, wo er die Verbindung mit den beiden Festungen Placentia und Cremona leichter erhalten konnte, mit dem linken Ufer zu vertauschen: eine Bewegung die um so unbegreiflicher erscheint, wenn man bedenkt dasz nach dem ganzen Gang der Ereignisse Hannibal den obern Lauf des Po beherschte und derselbe nach dem ausdrücklichen Zeugnisse des Schriftstellers eine ziemliche Strecke oberhalb der von den Römern benützten Schiffbrücke über diesen Flusz gieng. Nicht minder überraschend ist es für den Leser, den Hannibal nun plötzlich auf dem rechten Ufer

der Trebia und also im Rücken des römischen Heeres zu sehen, ohne dasz der Schriftsteller auch nur mit einem Worte diese auffallende Thatsache zu motivieren und die strategische Ausführuug begreiflich zu machen für nöthig befunden hätte. So besteht also in der Darstellung des Livius eine wirkliche, tiefgreifende Schwierigkeit, deren Lösung ohne gewaltsame Mittel kaum möglich scheint. Unter dieser Voraussetzung ist Niebuhrs originelle Auffassung zu betrachten. Dieser behauptet mit der grösten Entschiedenheit, Scipio sei bei Placentia, Hannibal unterhalb dieser Stadt über den Po gegangen, und rechtfertigt diese Behauptung mit der innern Nothwendigkeit, welche durch das technische Urtheil eines ausgezeichneten Militärs anerkannt worden sei, und mit ähnlichen Beispielen aus der neuern Kriegsgeschichte. Und in der That könnte man sich durch diese Argumente überzeugen lassen, wenn sie blosz den Angaben des Livius, die eben um des innern Widerspruchs willen nicht maszgebend sein können, und nicht auch der Darstellung des Polybios, dessen historische Glaubwürdigkeit strengere Anforderungen an den neuern Geschichtsforscher stellt, augenscheinlich zuwiderliefen. Da gebietet nun die Pflicht kritischer Geschichtsforschung, vorher alle Momente der Ueberlieferung aufs sorgfältigste zu erwägen, ehe wir uns entschlieszen zu dem kühnen Griff des neuern Geschichtsforschers unsere Zuflucht zu nehmen. Freilich könnte die Hoffnung, dem griechischen Geschichtschreiber ein anderes Resultat abzugewinnen als dem lateinischen, von vorn herein widerlegt scheinen durch die Wahrnehmung dasz letzterer ersterem sichtlich bis in die einzelnsten Züge der Darstellung folgt, und dasz z. B. Schweighäuser in seinen Anmerkungen zu Polyb. III 66, 11 u. 68, 7 aus den Worten des griechischen Geschichtschreibers dieselbe Ansicht herausliest zu welcher uns Livius hindrängte, nemlich anzunehmen dasz Hannibal sein Lager auf dem rechten Ufer der Trebia hatte, folgerichtig daher Scipio seine festere Stellung auf dem linken Ufer genommen haben musz. Demnach fänden wir also die ganze Schwierigkeit und den innern Widerspruch auch in dem griechischen Schriftsteller wieder: wobei jedoch nicht zu übersehen ist dasz die eine von den beiden Angaben des Livius, welche am entschiedensten für die Disposition von Niebuhr spricht, dem Polybios fremd ist ein Umstand der doch einigermaszen zu dem Versuch ermuntert dem Bericht des Polybios Schritt vor Schritt nachzugehn, um genau zu erkennen ob ein Widerspruch vorhanden ist und wo derselbe seinen Sitz hat. Um sicherer zu gehn, verfolgen wir den Zusammenhang von den ersten Unternehmungen der beiden Gegner bis zur Schlacht an der Trebia. Während Hannibal von den Alpen in die Po-Ebene herabsteigt, landet Scipio mit wenigen Soldaten bei Pisa, zieht die Truppen welche unter dem Befehl zweier Praetoren gegen die aufständischen Gallier gekämpft hatten an sich, geht über den Po und Tessin, über welchen er eine Brücke schlagen läszt und während des dadurch veranlassten Aufenthalts sein Heer durch eine Anrede ermutigt, und zieht dem Hannibal entgegen, der

von der Eroberung der Hauptstadt der Tauriner herkommend sich den Römern nähert. Die beiden Feldherrn treffen an der Spitze ihrer Reiterei zusammen, wahrscheinlich in der Ebene zwischen dem Tessin und Po, welche ein Dreieck bildet dessen Spitze in der Nähe von Pavia liegt. Nach der Niederlage der Römer und während Hannibal erwartet dasz Scipio nun auch mit dem Fuszvolk den Kampf aufnehmen werde, zieht dieser, an der empfangenen Wunde leidend, mit groszer Schnelligkeit an den Po zurück und überschreitet denselben auf der früher geschlagenen Brücke, ehe Hannibal, der zu spät seinen Aufbruch bemerkte, ihn einholt. Hier nun ergibt sich eine Schwierigkeit in den Worten des Polybios, der sagt Hannibal habe den Scipio verfolgt ἕως τοῦ πρώτου ποταμοῦ καὶ τῆς ἐπὶ τούτῳ γεφύρας. Natürlich wäre es diesen Ausdruck vom Ticinus zu verstehen, wogegen jedoch Schweighäuser mehrere Gründe geltend macht, unter denen er als den wichtigsten den bezeichnet, dasz nicht zu begreifen wäre wie Hannibal, nachdem er zwei Tage darauf verwendet um weiter oberhalb einen geeigneten Punkt zum Uebergang über den Po zu finden, abermals in zwei Tagen nach dem Uebergang über den Po in die Nähe der Römer gelangt sei, welche inzwischen in der Gegend von Placentia diese Stadt liege 30 Milien östlich vom Ticinus Stellung genommen hatten. Wir halten unsere Meinung vorerst zurück, bis wir die nöthigen Data zur Begründung derselben gewonnen haben. Nachdem also Hannibal, auf der rechten Seite des Po hinabziehend, den Römern, welche in der Gegend von Placentia lagerten, durch einen Marsch von zwei Tagen nahe genug gekommen ist, bietet er ihnen am folgenden Tage dem dritten nach dem Uebergang über den Po eine Schlacht an und nimmt in einer Entfernung von 50 Stadien von der feindlichen Position sein Lager. Der Abfall von ungefähr 2200 Mann gallischer Hilfstruppen veranlasst den Scipio, in der folgenden Nacht an die Trebia zurückzugehn und, nachdem er diesen Flusz überschritten, auf den Hügeln hinter demselben eine feste Stellung einzunehmen.

Folgt man dem bisherigen Faden der Erzählung, ohne spätere und fremde Angaben mit hereinzuziehen, so kann man diese Bewegung des Scipio unmöglich anders verstehen als so, dasz er von dem linken Ufer der Trebia auf das rechte hinübergegangen sei und seine Stellung dadurch mehr gesichert habe, dasz er, einerseits durch das Hügelland besser vor der feindlichen Reiterei geschützt, den Flusz zwischen sich und dem punischen Heere hatte und dadurch die Verbindung mit Placentia, von dem er allerdings etwas weiter entfernt in der Richtung nach Süden stand, wenigstens einigermaszen gedeckt wurde. Nachdem die Absicht des Hannibal, die Römer von dem Uebergang über die Trebia abzuhalten, durch die Raubgier der Numidier mislungen war, vereinigt sich Scipio mit dem Sempronius, der, sobald man in Rom von der Ankunft des Hannibal in Italien Kunde erhalten hatte, beordert worden war den früher bestimmten Kriegsplan aufzugeben und möglichst schnell seinem Collegen in Oberitalien zu Hilfe zu

kommen. Auch diese Vereinigung der beiden Collegen spricht dafür dasz Scipio damals auf dem rechten Ufer der Trebia stand; denn da Sempronius nach der ausdrücklichen Angabe auch des Polybios von Ariminum, das er seinem Heer zum Sammelplatz bestimmt hatte, herzog, so konnte Scipio sich nicht durch den Uebergang auf das linke Ufer der Trebia seinem Collegen nähern, wie Niebuhr behauptet, der auch in diesem Punkte mehr nach eignem gutdünken als nach den Angaben des Schriftstellers, dem er übrigens die gröste Glaubwürdigkeit beimiszt, sich entscheidet. Lassen wir uns nun weder durch Niebuhrs noch durch Schweighäusers oben angeführte Ansicht von der natürlichen Auffassung der Worte des Polybios abbringen, und nehmen wir also an, Scipio habe vor der mehrerwähnten Bewegung auf dem linken Ufer der Trebia gestanden, so können wir nun auch einen Blick auf die oben berührte Frage zurückwerfen, ob unter dem πρῶτος ποταμός, bis zu welchem Hannibal den Scipio bei seinem Rückzug nach dem Po verfolgt haben soll, der Ticinus, oder, wie Schweighäuser will und mit ihm alle Geschichtschreiber, von Livius angefangen, anzunehmen scheinen, der Po selbst zu verstehen sei. Was den Versuch Schweighäusers betrifft, den Ausdruck selbst in dem Sinne seiner Deutung zu rechtfertigen, so können wir uns mit demselben nicht einverstanden erklären, da es doch zu sehr dem Zusammenhang widerspricht hier an den Flusz zu denken, den die Römer, als sie von Etrurien herkamen, zuerst überschritten hatten. Könnten wir also aus sachlichen Gründen nicht umhin doch den Po zu verstehen, so müsten wir uns jedenfalls eine der vorgeschlagenen Aenderungen gefallen lassen, entweder mit Gronov τοῦ προειρημένου, oder mit Cluver τοῦ Πάδου statt τοῦ πρώτου zu lesen. Allein warum nicht doch der Ticinus sollte gedacht werden können, dafür sehen wir die zwingenden Gründe nicht ein. Denn stand Scipio zuerst auf der linken Seite der Trebia, so mag von den sechs Meilen, welche der Abstand zwischen Placentia und der Mündung des Ticinus beträgt, zum mindesten éine Meile in Abrechnung zu bringen sein, da ja nach den Worten des Polybios am Schlusz des 67n Cap. Scipio vor seinem Uebergang doch noch in einer ziemlichen Entfernung von der Trebia westlich gestanden zu haben scheint; und da der Zwischenraum zwischen beiden Lagern auf fünfzig Stadien angegeben wird, so ergibt das wieder etwas mehr als eine Meile; und dasz der Weg welchen Hannibal den Flusz hinauf in den zwei Tagen zurücklegte, nicht grosz gedacht werden darf, dies bemerkt Schweighäuser selbst ganz richtig in einer Note zu Cap. 66, 10, indem er darauf hinweist dasz das aufsuchen eines geeigneten Uebergangspunktes, welches ihn noch überdies nöthigte den vielen bedeutenden Krümmungen des Flusses nachzugehen, viel mehr Zeit erforderte, als er zu derselben Strecke auf dem jenseitigen Ufer brauchte. Es mag daher der ganze Weg, den er fluszabwärts auf der rechten Seite des Po in zwei Tagen zurücklegte, nicht über 6 bis 7 Meilen betragen haben, was wol nicht über die Grenzen der Möglichkeit hinauszugehen scheint. Dasz aber der

Uebergang über den Ticinus nicht als zu unwichtig anzusehen ist, um den Hannibal in der Verfolgung der Römer aufzuhalten, geht daraus hervor dasz Polybios bei dem ersten Zuge des Scipio den Puniern entgegen ausdrücklich der Ueberbrückung des Flusses Erwähnung thut, und Hannibal konnte recht wol ermessen, dasz er zwar die Römer nicht mehr diesseits des Po würde einholen können, die Römer dagegen ihm den Uebergang über diesen Flusz unterhalb der Ticinusmündung leicht sehr würden erschweren können. Darum ist er schnell entschlossen, weiter oberhalb einen geeigneten Uebergangspunkt zu suchen.

Kehren wir zu dem Zusammenhang der Erzählung zurück, so erwähnt Polybios, dasz in der Zeit in welcher die Punier und Römer durch die Trebia getrennt einander gegenüber lagen, Hannibal Clastidium in seine Gewalt bekam. Auch dieser Umstand spricht fast entscheidend dafür dasz die Punier auf dem linken Ufer der Trebia standen, da die Lage dieses Ortes allgemein westlich von der Trebia angenommen wird, woraus man auch einen Grund entnehmen kann, warum Scipio zuerst auf der linken Seite der Trebia sein Lager aufgeschlagen hatte, nemlich in der Absicht zugleich die römischen Magazine daselbst zu decken. Freilich dürfte man dann die Lage dieser Stadt nicht so weit westlich denken, als sie, wol nach ziemlich willkürlicher Bestimmung, auf der Karte von Reichard angegeben ist.

Nachdem es dem Hannibal gelungen war die Römer zu ihrem Nachtheile über die Trebia herüberzulocken und ihnen die empfindliche Niederlage beizubringen, schlagen sich 10000 Mann des römischen Fuszvolkes durch die feindliche Schlachtreihe durch und werfen sich gerades Weges nach Placentia, wohin auch die weiteren Ueberbleibsel des römischen Heeres ihre Zuflucht nahmen. Dies ist die Stelle welche auch in dem Bericht des Polybios der aus seiner Darstellung bis jetzt gewonnenen Ansicht zu widersprechen scheint. Denn Polybios gibt ausdrücklich unter den Gründen, warum die 10000 Mann nicht lieber das Lager zu erreichen suchten, den an dasz sie durch den Flusz daran gehindert wurden. War nun dieser, so schlieszt man, kein Hindernis nach Placentia zu gelangen, so musz das Schlachtfeld und also auch das Lager des Hannibal auf dem rechten, östlichen Ufer gewesen sein, auf welchem Placentia selbst liegt. Dieser Annahme aber widerspricht, wie gesagt, der ganze Zusammenhang in der Darstellung des Polybios; und wollen wir daher den innern Widerspruch, welcher allerdings unausgleichbar in der Erzählung des Livius hervortritt, nicht auch in dem Bericht des griechischen Geschichtschreibers anerkennen, so müssen wir versuchen die oben erwähnte, von Niebuhr in aller Schärfe hingestellte Folgerung von ihm abzuwenden: kurz wir müssen annehmen dasz die 10000 Mann auch vom linken Ufer der Trebia nach Placentia gelangen konnten, ohne durch den Flusz gehindert zu werden, oder ohne dasz der Schriftsteller nöthig gehabt hätte von dem Uebergang über den Flusz besondere Erwäh

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