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einer nähern Bestimmung über das innere geschichtliche Verhältnis der heroischen Zeit zu der vorangegangenen pelasgischen Periode, und eine solche Bestimmung ist nicht möglich, ohne zugleich auf die von neuem wieder angeregte und streitige Frage über das Verhältnis von Pelasgern und Hellenen einzugehen. Wir stellen daher kurz die hauptsächlichsten und entscheidendsten Gründe zusammen, welche nach unserer Ansicht einer Auffassung der Pelasger als semitischer Stämme entgegenstehen und die uns weder von L. Rosz, einem Hauptverfechter dieser Ansicht, noch von Röth u. a. irgendwie umgestoszen zu sein scheinen. Dasz die heroisch-hellenische Zeit ihrer innern Eigenthümlichkeit nach auf eine solche Form der Naturreligion zurückweise, welche selbst schon in so gegenständlich entwickelter geschiedener Weise die Natur sich gegenübergestellt und einen manigfach localen Reichthum von Anschauungen ausgebildet hatte, wie wir dies schon vor der vorhellenischen oder pelasgischen Naturreligion finden (obgleich diese durch die gegenständliche bedingende Naturseite sich noch wesentlich gebunden fühlt, die heroische Zeit dagegen die freie negative Erhebung über diese Naturseite ist), und dasz also hierin die Eigenthümlichkeit der pelasgischen Zeit schon wesentlich parallel ist mit der spätern hellenischen, dies haben wir im allgemeinen freilich bereits hervorgehoben. Allein es bedarf nun einer bestimmtern Hinweisung auf die Hauptpunkte, an welchen die ursprüngliche Verwandtschaft und der Zusammenhang des hellenischen mit dem pelasgischen besonders deutlich wird. Hieher gehört vorerst das eigenthümlich autochthonische Bewustsein und der ganze Charakter zweier an Geist und geschichtlicher Bedeutung sonst sehr verschiedener Bevölkerungen und Landschaften, nemlich der attischen und der arkadischen. Die altattische Bevölkerung, vor dem eindringen der Ionier, ist pelasgisch, wie dies mehr noch als aus der hieher bezüglichen positiven Nachricht der alten (Herod. VIII 44. I 56. 57; vgl. II 51) aus der ganzen Religion und Cultur Attikas und dem Verhältnis der Bevölkerung zu andern pelasgischen Bevölkerungen und Landschaften hervorgeht, obgleich in einer schon spätern Zeit die Athener von Pelasgern wieder unterschieden werden. Dasz nun aber das spätere ionische Element der attischen Bevölkerung, welches entschieden als ein kriegerisches, der heroischen Zeit angehöriges erscheint und sich als solches auch in der Sage von Theseus, diesem unzweifelhaft ionischen Heroen, ausprägt, doch mit der altattischen Bevölkerung in solcher Weise sich verschmelzen konnte, dasz nicht nur der Ruhm des autochthonischen Bewustseins der Stolz des Atheners blieb (ganz im Gegensatz gegen das Bewustsein eines eingewanderten erobernden Stammes, dergleichen die Dorier waren), sondern auch die ganze altattische Cultur, die Eigenthümlichkeit des Athenedienstes usw., wenngleich sich vergeistigend, dennoch ihre unterscheidende so tief eingreifende Bedeutung behalten konnte, Athene z. B. den entschiedenen Vorrang behielt vor dem ionischen Poseidon, dies alles spricht entschieden gegen eine solche Annahme, die in der pelasgischen Bevölkerung

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stärkeres eindringen semitischer Stämme, Phoeniker, Karer usw, am wenigsten wahrscheinlich, eben weil sie so wesentlich Binnenland- schaft ist, jene Stamme aber, wie sie zur See herüberkamen, so auch überall hauptsächlich als Küstenbewohner und als Seeleute erscheinen. Knüpft sich nun dennoch in besonderem Masze eben an die Arkadier das Bewustsein pelasgischer Abstammung, so liegt wol für jeden unbefangenen zu Tage was hieraus zu schlieszen ist, und die Leichtig - keit mit welcher die Verfechter jener Semitenhypothese bis jetzt über solche Schwierigkeiten hinweggegangen sind, ist wahrlich nicht geeignet die aus allem obigen hervorgehende Ueberzeugung umzustoszen.

Von anderer Seite her ist es auch die geschichtliche Stellung des hellenischen Elementes selbst, welche einer derartigen Stammverschiedenheit der pelasgischen und hellenischen Bevölkerung, wie sie nach jener Semitenhypothese stattfande, entgegensteht. Vor allem gehört hieher die eigenthümliche Art in welcher der ionische Stamm zuerst auftritt; denn keine bestimmtere Spur ist vorhanden, welche eine von Norden her eindringende, scharf abgegrenzte und erobernde Einwanderung des ionischen Stammes bezeugte. Nur die schon den Geist des spätern hellenischen Bewustseins in sich tragende Sage von Xuthos, Hellens Sohne, seiner Auswanderung aus Thessalien und Einwanderung in Attika, gibt der gewöhnlichen Vorstellung einer vou Norden her kommenden Einwanderung eines kriegerischen ionischen Stammes ihre Stütze. Nichts dagegen ist vorhanden, was von einem derartigen geschlossenen und erobernden auftreten des ionischen Stammes zeugte, wie wir es bei den Doriern finden. Wie vielmehr der ionische Stamm schon von den alten (Herod. VII 94. I 56) in ein weit näheres Verhältnis zur alten pelasgischen Bevölkerung gesetzt wird, so scheinen auch den bestimmteren geschichtlichen Spuren nach

Angabe (sowol hinsichtlich der Bedeutung von Baeßagoi als hinsichtlich der Vertreibung dieses Stammes) wesentlich modificieren. Denn wenn uns auch E. Curtius (Peloponnesos I S. 159 ff.) im ganzen richtig dargethan zu haben scheint, dasz später die alte pelasgische Bevölkerung ihren unabhängigen Hauptsitz nur noch im Südwesten Arkadiens hatte, dort wo der Cultus des Zeus Lykaios seinen Mittelpunkt hat, so ist doch theils von einer solchen Verschiedenheit dieser Gegend und ihrer Bevölkerung, durch welche sie ursprünglich als wirkliche Bάoßago (Semiten) bezeichnet würde, nicht nur nicht das geringste überliefert, sondern es spricht auch, wie wir dies im obigen kurz hervorhoben, der Anschauungskreis jenes Cultus des Zeus Lykajos ganz dagegen. Wenn übrigens Arkas selbst als Sohn der Kallisto d. h. jener weitver breiteten vorhellenischen und der pelasgischen Zeit angehörigen Naturgöttin bezeichnet wird, welche auch als brauronische Artemis oder Tauropolos, Orthia usw. auftritt, und wenn Kallisto selbst wieder Lykaons Tochter genannt wird, so zeigt sich hierin abermals der unverkennbare Zusammenhang auch der übrigen altarkadischen Bevölkerung mit der pelasgischen Zeit, ein Zusammenhang welcher nirgends die Spur von ursprünglich ganz verschiedenen Stämmen zeigt, die erst nach und nach miteinander verschmolzen wären, wie es nach jener Semitenhypothese angenommen werden müste.

seine ältesten Sitze weit eher im Süden als im Norden zu sein *). Denn wenn auch in den späteren mit der Xuthossage zusammenhängenden Nachrichten die attische Tetrapolis (Marathon usw.), dieser nordöstliche Theil von Attika, als die Gegend genannt wird von welcher aus die lonier erst auch in den Peloponnes gewandert sein sollen, so erscheint doch eben die Nordküste des Peloponneses als ein weit bedeutenderer Sitz des ältesten ionischen Lebens, so wie auch in der Sage von Theseus und Aegeus, diesen ionischen und an den Poseidonscultus geknüpften Heroen, der ionische Einflusz auf Attika diesen umgekehrten von dem Peloponnes her kommenden Gang nimmt und der Isthmos zum Vereinigungspunkt für die ionischen Staaten wird. Und die unleugbare besonders hervortretende Bedeutung des Poseidonscultus bei den Ioniern, welche denselben auch ohne Zweifel nach Attika verpflanzten (während der altattische Erechtheus von dem Meeresgott Poseidon wesentlich verschieden ist), hängt mit dieser Lage der altionischen Wohnsitze auf das engste zusammen. Sowol nach der Eigenthümlichkeit ihres Charakters, ihrer Religion und Bildung als nach der ihrer ältesten Wohnsitze und der ganzen Art ihres ältesten geschichtlichen auftretens **) erscheinen also die Ionier als ein wesentliches Mittelglied, durch welches sich der innere Uebergang aus dem pelasgischen in das hellenische vollzieht. Eine derartige Bedeutung hat namentlich der ionische Poseidonscultus, welcher ebenso sehr den hinausstrebenden, für gegenständlich entwickelte Cultur offenen und empfänglichen Sinn bezeichnet, wie andrerseits das freie, kriegerisch active und unternehmende der heroischen Zeit in ihm eine Anknüpfung fand. Auf diese Weise eben wird es erklärlich, wie auch in Attika das ionische Element sich mit der altattischen Bevölkerung zu einem ganzen verschmelzen und die altattische Eigenthümlichkeit, wenn auch in einer vergeistigten Form, doch sich forterhalten konnte. Schon in den Anfängen der hellenischen Zeit werden so in Attika die Keime jener unterscheidend universellen Bildung begründet, welche ebenso die freie und ernste innerlich geistige Kraft, wie andrerseits die entwickelte gegenständliche Cultur, die intellectuelle und künstlerische, die individuelle Entfaltung des bürgerlich-politischen daseins, Schiffahrt, Handel, Gewerbe und Ackerbau in sich vereinigt. Wenn

*) Auszer der Nordküste des Peloponneses werden auch die noch weiter südlich wohnenden Kynurier von Herodot VIII 73 zugleich als autochthonisch und als Ionier bezeichnet. Dafür dasz der Name Ionier dem Süden angehört, spricht auch der Umstand dasz nirgends unmittelbar Ion als Einwanderer aus Thessalien bezeichnet wird, sondern nur der mythische Xuthos, während der Name Ionier sich an die südlichen Sitze und insbesondere an die Nordküste des Peloponneses knüpft.

**) Für das bezeichnete Verhältnis zur pelasgischen Bevölkerung, dasz nemlich durchaus nichts von einer scharfen Scheidung sich findet, zeugt auch die Angabe Strabons VIII p. 386, dasz die Ionier in ihren aegialeischen Wohnsitzen noch in Dörfern gewohnt haben, die Städte erst von den Achaeern herrühren. Vgl. auch zu dem allem E. Curtius Peloponnesos I S. 61. 412.

also der ionische Stamm den wahren geschichtlichen Anzeichen nach jenen unmerklichen, in seinen Anfängen nirgends scharf sich abscheidenden Uebergang aus dem pelasgischen in das hellenische darstellt, während er in seiner entwickelten Gestalt sich ebenso durch seinen kriegerisch-heroischen Charakter, wie namentlich durch seine Theilnahme an dem Apollocultus und dessen höherer geistiger Bedeutung sich schon ganz als hellenisch erweist, so ist auch dies wieder ein Beweis dasz das pelasgische und hellenische nicht durch eine derartige Stammverschiedenheit, wie die zwischen Semiten und Indogermanen, getrennt sein kann. (Auch der Name 'Iάoves die jungen hat sich so vielleicht erst durch den hervortretenden geistig geschichtlichen Unterschied von der alten Bevölkerung gebildet; s. über diesen letztern Namen im folgenden.)

=

Πελασγοί

Eine andere, wie uns scheint noch nicht genug beachtete Bestätigung des stammverwandten Verhältnisses von Pelasgern und Hellenen liegt in dem Zusammenhang und in der Bedeutung, in welcher der Pelasgername zuerst genannt wird. Die unzweifelhaft älteste Stelle nemlich, in welcher der pelasgische Name überhaupt vorkommt, ist II. II 233, in des Achilleus Anrufung des dodonaeischen Zeus, da die andern Stellen der Ilias, in welchen der Pelasgername sich findet, dem Katalog und der Doloneia angehören, also jedenfalls jünger sind, II hingegen, wie es ohnedies der eigentliche Mittelpunkt der Ilias ist, wenigstens im ganzen betrachtet durch besondere alterthümliche Kraft sich auszeichnet. (Die Erwähnung der Pelasger in Kreta Od. 177 ist ohnedies für jünger zu halten.) Wie ganz und gar nicht passt nun aber jene älteste Stelle, in welcher der pelasgische Name vorkommt, zu der Semitenhypothese, indem sie ganz im Gegentheil den pelasgischen Namen gerade mit den Ursitzen und dem Urcultus des rein hellenischen Stammes zusammenbringt! Denn dasz die Zelloí Vs. 234 sowol den geographischen und geschichtlichen Verhältnissen nach als etymologisch mit dem Namen der Hellenen ursprünglich eins sind, ist unbestreitbar und anerkannt, und wenn es nicht nur der dodonaeische Zeus ist der angerufen wird, sondern auch gerade Achilleus, dieser Heros der Hellenen im engsten Sinne, es ist welcher sich in solche besondere Beziehung zu diesem Zeus setzt, so musz die Anrufung desselben als IIɛhaoyiné nothwendig dieselbe Bedeutung haben, dasz er nemlich darin als der urväterliche, als der alte Stammgott angerufen wird, unmöglich aber als ein von einem ganz andern (semitischen) Stamme verehrter und überkommener Gott. Der pelasgische Name erscheint also in dieser ältesten Stelle in unleugbarer ganz enger und unmittelbarer Verbindung mit dem urhellenischen, wie denn auch noch II. B 681 die Bewohner des pelasgischen Argos in Thessalien unmittelbar mit den Hellenen im engsten Sinne, mit den Völkern des Achilleus, zusammengenommen werden. Wenn aber bekanntlich in einer viel spätern Zeit, in der Herodots, ein combinationssüchtiges Bewustsein, das in dem Zusammenhang mit fremden und im Rufe hohen Alterthums stehenden Hei

Schulter des Pelops gehört, indem des Pelops 'fleischiges Schulterblatt die wütend gewordene Erdmutter mit ihren Zähnen zermalmt und in das Grab ihres Bauches hinabschlingt *), bis die spinnende Schicksalsgöttin Klotho oder der ewig neubildende Hermes oder die sich im Zeitenstrom umwandelnde Naturgöttin Rhea den zerstückten Leib in verjüngter Schönheit wieder herstellen.' (Die Schulter und ihre Verzehrung erscheint als natürliches Bild für den ragenden Berg und dessen vulcanischen Umsturz.) Und wenn noch ausdrücklich berichtet wird dasz damals ein Schlund und in ihm ein vulcanischer Bergsee, Zalón d. h. der schwankende genannt, entsprechend dem Namen des Tantalos, sich gebildet habe, auch dieser See selbst als die Tavrálov líuvn bezeichnet wird (Paus. VII 24, 7. V 13, 4. Plin. N. H. V c. 29), so kann selbst dies noch bestimmter an das Bild des Kessels und des kochens erinnern. Die Parallele mit andern ähnlichen Sagen wie dem Opfer des Lykaon und denen im Athamasmythus kann zwar auch darauf führen an alte Cultusgebräuche zu denken, welche mit Menschenopfern an die furchtbare chthonische Macht verbunden sein und an die Namen des Tantalos und Pelops sich knüpfen mochten, wie denn auch an des Pelops Grabe Jünglinge blutig gegeiselt werden; allein das obige zusammentreffen und der eigenthümliche Zug von der verzehrten Schulter weist wol darauf hin, dasz jedenfalls mit der Erinnerung an Cultusgebräuche (wie es auch in andern Mythen z. B. dem von Athamas der Fall ist) zugleich die mythische Anschauung zerstörender Naturereignisse sich mischte. Ist nun schon nach diesem ersten Mythus Pelops selbst eine entsprechende chthonische Gottheit, von dem Vater Tantalos im Grunde nur der Bezeichnung nach und durch eine allgemeinere nicht so speciell an jene Gegend geknüpfte Bedeutung verschieden (wie ja ein derartiges Verhältnis so oft in der griechischen Mythologie wiederkehrt und z. B. in dem Pelopsmythus selbst zwischen Hermes und seinem Sohne Myrtilos stattfindet, welcher letztere im Grunde nur ein Beiname, eine besondere Beziehung des Hermes ist), und stimmt hiemit auch der Name des Pelops als des dunkeln, schwärzlichen zusammen, so weist endlich auch die fernere Geschichte des Pelops selbst in ihren einzelnen Zügen hierauf hin. Wir heben in dieser Hinsicht zunächst Nebenzüge hervor, in welchen am deutlichsten die Anknüpfung an Naturverhältnisse sich zeigt, so zuerst die Sagen von den verschiedenen Wagenlenkern, die in die Geschichte des Pelops verflochten sind. Wenn nemlich die Sage von dem in das Meer gestürzten Myrtilos und ebenso dem andern Wagenlenker Sphairos sich beide an Inseln knüpfen, die erstere an die Insel Myrtos bei dem euboeischen Vorgebirge Geraistos, wo Myrtilos in das Meer gestürzt worden sein sollte **), die von Sphairos aber an die

*) Lycophr. Cass. 154 μιστύλασ ̓ ἐτύμβευσε τάφῳ.

**) Auch die Sage von dem bei Euboea in das Meer versunkenen Schulterblatte des Pelops (Paus. V 13) hat bei diesem örtlichen zusammentreffen vielleicht ursprünglich eine gleiche Bedeutung.

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