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2.

ZUR GESCHICHTE DER METHODE DES GESCHICHTSUNTERRICHTS.

Wenn auch die geschichte der pädagogik in verdienstlicher weise bestrebt ist, die mittel und wege aufzuzeichnen, welche zu verschiedenen zeiten angewandt wurden, die jugend in das weite reich des wissens einzuführen, so ist doch nicht zu leugnen, dasz ein unmittelbarer einblick in die schulbücher früherer tage, wenn solche etwa mit methodischer anweisung versehen waren, viel deutlicher zeigt, was man ehedem von der lernenden jugend forderte, und wie man es am sichersten und leichtesten zu erreichen glaubte. da in unserer zeit nicht blosz fachmänner, sondern auch laien, denen nicht weniger als jenen das wohl der kinder am herzen liegt, über das zuviel und das zu vielerlei in den ansprüchen unserer schulen reden und die 'gute alte zeit' oft wie ein ideal zurückwünschen, so dürfte es für jedermann von interesse sein zu erfahren, welches masz von kenntnissen man z. b. schülern unterer classen im vorigen jahrhundert zugemessen hatte und wie man dieses.zu lehren und einzuprägen suchte. ich war so glücklich in einer alten familienbibliothek ein derartiges buch aufzustöbern, das dem geschick der meisten schulbücher entging. es ist betitelt: erläuterung einer in kupfer gestochenen vorstellung der römischen kayser, nebst anweisung wie das nöthigste von der genealogie, chronologie, geographie, heraldic, numismatic und der eigentlichen historie der jugend gründlich, deutlich und vortheilhaft beyzubringen"; es erschien 1751 im verlag des buchladens bei der realschule in Berlin und war zum gebrauch in den untern classen dieser schule bestimmt. es soll, wie die vorrede sagt, eine probe sein, welche der ungenannte verfasser solchen schulleuten vorlegen will, so mit rühmlichem eifer dahin 'bedacht sind, ihre anvertraute jugend von zeit zu zeit auf eine vorteilhafte art und weise in allerley nöthigen und nützlichen dingen zu unterrichten und daher nicht nur selbst auf bessere methode sinnen, sondern sich brauchbares aus der erfahrung anderer anzueignen bemühen. die veranlassung zu dem werkchen ist zu interessant, als dasz wir sie mit stillschweigen übergehen könnten.

'Auf dem pädagogio in Klosterberge (1/2 std. von Magdeburg, bekanntlich 1812 zerstört) hat man durch bilder und figuren den lehrgegenstand ordentlicher, deutlicher und angenehmer zu machen versucht, zunächst die biblische geschichte, und hat zu dem ende z. b. die sog. patriarchen, die richter, könige, fürsten, hohe priester, propheten, apostel, Herodianer und Römer durch gewisse in kupfer gestochene bilder dargestellet. das ist mit kindern von 8-10 jahren, mit knaben und mädchens, in einer armen schule zu Magdeburg durchgegangen; man konnte nur wenige tage zählen, da konnten sie alle personen nennen, gehörigen orts aufsuchen, sagen, wann sie ge

lebt u. s. w.; sie konnten von Adam bis auf Christum den ganzen stammbaum. dann wurde für die studierende jugend in Berge dreierlei gerüste oder modelle gefertigt, welche a) die römischen kayser, b) das ganze haus Brandenburg, c) die dänischen könige darstellten. in gegenwart abt Steinmetzens hochwürden wird dann examen abgehalten, und dieser mann von tiefen einsichten in schulsachen meint, es wäre sehr probat, sofern der lehrer lust und application auf die sache richten wollte. diese bilder-methode wird nun auch an der realschule in Berlin bekannt. der director, ober-consistorialrat Hecker*, der alles aufbietet das lernen leicht und angenehm zu machen, läszt ein modell der brandenb. geschichte anfertigen aus lauter kleinen bildern, durch einen »arbeiter« an der realschule mit kindern von wenig jahren durchgehen und auf einem öffentlichen actu 1750 darüber vor vielen hohen standespersonen, unter denen auch prinz Friedrich Wilhelm, examen anstellen, nachdem zuvor durch ein groszes einladungsschreiben § 16 ist im buch selbst abgedruckt auf die neue methode hingewiesen war. die sache gefiel, und die pagen ihrer königl. hoheit des marggrafen Carl haben durch die geschikte anweisung eines präceptoris aus der realschule die sache in kurzer zeit ebenfalls sehr wohl gefasset und im Johanniter-ordenspalais examen zur zufriedenheit abgelegt. demnächst wurde sogar dem liebenswürdigsten printzen Friedrich Wilhelm ein von bildhauer arbeit verfertigtes modell überbracht, dazu scholaren aus der zeichnungsclasse der realschule alle brandenburgischen herrn von Thassilo bis auf den huldreichsten könig Friedrich II nach den

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es sei der redaction gestattet im interesse der sache eine kleine bemerkung anzuschlieszen. die allgemeinere verwendung der bilder im dienste des unterrichts war bekanntlich schon durch den orbis pictus (1657) eingeleitet, in dem wohl selbst einmal abstracte begriffe durch zeichnung versinnbildet wurden. andere pädagogen giengen auf diesem wege weiter, keiner aber vielleicht mit solcher consequenz als Johann Buno († 1697), ein schüler des Balthasar Schupp. er gab unter andern eine vielgenannte bilderbibel, eine lateinische grammatik in fabeln und bildern, wie auch eine idea historiae universalis mit einem bilderatlas (1672) heraus, und letztgenanntes buch wurde später noch auf A. H. Franckes pädagogium gebraucht: am meisten um der bilder willen', wie es in der 'ordnung und lehrart' des pädagogiums heiszt. von dorther aber muste es auch Hecker kennen, der selbst eine zeitlang lehrer jener anstalt war. was den Bunoschen bildern übrigens noch einen besondern wert und reiz geben sollte, waren die mit denselben (oft in ziemlich scurriler und gewaltsamer weise) verknüpften mnemonischen beziehungen. so waren wohl den einzelnen gestalten embleme oder attribute beigegeben, die an deren namen erinnerten oder erinnern sollten. Homer z. b., neben einem lodernden herdfeuer stehend, trug einen hammer auf der schulter, der zugleich den verseschmied andeuten mochte, während neben Aeschylus eine esche angebracht war. Sophokles schwang eine fackel, Horaz hielt eine sanduhr (hora), und um schlieszlich noch ein beispiel aus der biblischen geschichte zu erwähnen, präsentierten sich die söhne Noahs, der eine mit einer semmel (Sem), der andere mit einem kamm (Cham, Ham), der dritte (Japhet) mit cinem fetten bauche. H. M.

ähnlichsten gesichtsbildungen so gut es möglich vorgezeichnet. es waren nicht nur alle haupt- und nebenlininien, sondern auch das vornehmste was zur preusz. und brandenb. geographie, genealogie, heraldic und numismatik gehört, zugleich angebracht. dies erregte aufsehen, und um das publikum aufzuklären, wurde nun unsere abbildung in kupfer gestochen und unser büchlein zur erläuterung beigelegt als eine umständliche beschreibung. denn es ist bekannt und betrübt genug, dasz die jugend mit auswendiglernen einer groszen menge bloszer namen und allerlei historien ohne ordnung und bestimmung des orts, der zeit und der gelegenheit, darunter öfters viel fabeln und unnütze dinge sind, geplagt wird. oft fehlt es an geschickten lehrern, die das langweilig und verdrieszlich scheinende kurz und angenehm vorzutragen verstehen; oft hindert die einrichtung der schule, befehl der oberen, verhältnisse bei eltern und kindern nach guter einsicht, groszer geschicklichkeit, recht vernünftigem zweck zu verfahren«' usw.

Wie traurig musz es mit dem unterricht bestellt gewesen sein, wenn das, was wir im folgenden sehen werden, eine merkliche und gründliche verbesserung genannt werden konnte.

Die dem buche angehängte kupfertafel trägt an der spitze das passende motto aus Hor. a. p. segnius irritant animos demissa per aures quam quae sunt oculis subiecta fidelibus et quae ipse sibi tradit spectator. sie ist gestochen von J. D. Schleuen in Berlin, 60 cm. hoch und 45 cm. breit und enthält hauptsächlich stammbaumähnlich 2 cm. hohe büsten resp. 4 cm. hohe vollbilder der kaiser von Augustus bis Franz I mit angabe der regierungszeit; unter jedem bilde befindet sich ein leeres schildchen zur kurzen notiz des wichtigsten aus ihrer regierung, behufs deren selbsteintragung seitens des schülers nach anweisung des lehrers und einem bei Sigismund durchgeführten muster eine kleine,,zeichensprache" beigefügt ist. weiteres über die tafel wird sich bei den erläuterungen zu den einzelnen disciplinen finden.

I. Genealogie.

Zahl und namen der römischen kaiser von Augustus bis Franz I. sind vollständig aufgeführt, teils nach familien, teils nach jahrhunderten geordnet. nach Trebellius Pollio werden die 30 tyrannen zur zeit des Publ. Aurelius Licinius Gallienus' aufgezählt; von Honorius an nur die occidentalischen kaiser, daneben die gotischen und langobardischen könige, die exarchen, die italienischen könige, welche sich im 9. und 10. jahrh. zu kaisern aufgeworfen, von Guido von Spoleto bis Adalbert usw.; auch die damen fehlen nicht, um die verwandtschaft zu illustrieren, namentlich aber weil vielen häusern durch ihre reichen bräute zu ausgedehntem länderbesitz und macht verholfen worden. Hübners genealogische tabellen und einige andere werke haben als quelle gedient, nach einschaltung von 10 genealogischen tabellen folgt dann in § 16 die methodik. haben die

schüler die kaiser in der ordnung, wie sie auf dem kupfer stehen, wohl innen also sollen zuerst nur namen und reihenfolge eingepaukt werden so führe man sie an die kleinen daneben angebrachten stammbäume, lasse sie die daselbst befindlichen abgekürzten namen suchen und aussprechen, lehre sie, wie leicht man sagen kann, was enkel, urenkel, groszvater usw. sei, führe vom stammvater auf den letzten des geschlechts und umgekehrt, aber nur die regierenden herrn. damit die schüler eine angenehme und doch nützliche beschäftigung haben, die sonst verdrieszliche genealogie leicht und sicher lernen, sollen sie sich stammbäume mit ästen, zirkeln, rauten usw. selbst herstellen. man kann sogar wirkliche kleine bäume verfertigen; man schneidet z. b. von weiden, dornen und anderen stauden äste ab, wie sie sich zur genealogie schicken, macht aus karten-papier schilder von mancherlei figur, füllt den übrigen raum mit blättern von grünem papier mit wachs überzogen. man hängt dann die gehörig beschriebenen schilder der ordnung nach auf, geht sie mit den kindern durch, lehrt die verwandtschaftsgrade, nimmt schilde ab und läszt sie der ordnung nach wieder aufhängen u. s. f. wissen die kinder erst die hauptpersonen, so kommen die prinzen und prinzessinnen an die reihe und die gründe, warum sie angemerkt werden. besonders bei regenten ist sehr auf die gemahlinnen zu achten, weil durch heirat manche verwicklung, erbschaft usw. begründet werden kann. z. b. Rudolf v. Habsburg hatte 7 prinzessinnen an 7 damals wichtige herren vermählt; er war schon ein gesetzter herr, wuste sich in autorität bei diesen zum teil noch jungen eydamen zu setzen, konnte seine töchter stimmen und gebrauchen bei ihren gemahlen, konnte sie sich durch landschenkung verbindlich machen usw. doch soll der jugend nur das notwendigste gelehrt werden, manches andere aber, z. b. dasz von der französischen prinzessin Agnes die schwäbischen kaiser abstammen, musz actenmäszig bewiesen werden, das ist aber nicht sache für kinder auf schulen, sondern für männer und grosze publicisten.

II. Chronologie.

Die saecula finden sich in den cartouchen jeglicher kaiser and jeder familie angegeben; auch geburts-, wahl- oder todesjahr; ein

oder m(ortuus) daneben zu setzen hielt verfasser aber für bedenklich, weil manche auf absonderliche weise ums leben gekommen. daran schlieszt sich eine probe einer kurzen geschichtstabelle, welche übrigens von 742-911 nur die wichtigsten daten zu bringen verspricht, aber doch 85 enthält. endlich eine anweisung, wie man sich notizen machen soll: in einem buch mit leeren blättern werden je einige für einen kaiser bestimmt; obenan steht sein geburtstag, am ende sein todestag; den raum teilt sich der schüler nach decennien, quinquennien ein und notiert darin, was er von seinem lehrer hört oder in einem buche liest, dabei soll genaue quellenangabe nicht fehlen, damit schüler demnächst die quellen selbst studieren kann.

III. Die eigentliche historie.

Nach einer auseinandersetzung über das wesen und die bedeutung der pragmatischen geschichte folgt ein auszug aus Luthers vorrede zu dr. Links übersetzung von Galeatius Capella, historie von Franzisko, herzog von Mailand. dann setzt der verfasser auseinander, wie angehende lehrer die kaiserhistorie betreiben sollen.

1) man erzähle keine märlein oder erdichtete abenteuerliche dinge, erst recht nicht romanmäszige liebeshändel, zoten u. dergl.; denn dadurch werden die kinder zur nacheiferung angefeuert und das gibt keine brauchbaren männer, welche dem staat, der kirche, der gelehrsamkeit opfer bringen; doch soll stets gelegenheit genommen werden zu zeigen, welchen nachteil und schlechten ausgang laster und verkehrtheit gehabt haben.

2) man soll keine die einsicht der schüler übersteigende materie vortragen, welche nicht anders als aus dem iure feudali oder canonico, aus diplomen, privilegien usw. verdeutlicht werden können; mit solchen sachen darf die jugend nicht verdrieszlich gemacht werden.

3) man lehre nicht zu viel auf einmal, sonst hat die jugend bald alles vergessen, denn es bleibt keine zeit zum einüben. im 1n cursus (sicherlich nicht als pensum der ersten classe oder classen zu verstehen) sind nur die familien, perioden, jahrhunderte durchzunehmen; im 2n cursus von jedem saeculo und jeder familie der erste und letzte; man nenne jeden kaiser laut und deutlich, zeige seine stelle und lasse sie zeigen; aufwärts und rückwärts usw. wer die kaisertafel nicht hat, kann für jedes jahrhundert einen horizontalen strich an die wandtafel machen, wo vorn und hinten der name des ersten resp. letzten kaisers steht, man setzt nur die anfangsbuchstaben, löscht bald diesen, bald jenen, examiniert dann u. s. f. im 3n cursus setzt man 1-3 der berühmtesten kaiser hinzu, im 4n wird die reihe erst ganz ausgefüllt. es müssen ganz dumme oder recht faule scholaren sein, fügt der verfasser voll überzeugung hinzu, die jetzt nicht jeglichen an seinen ort bringen können.

Synchronismen und parallelismen müssen angebracht werden, um zu zeigen, mit welchem oder gegen welchen regenten wichtige unternehmungen gemacht sind, was sie für ursachen, förderungen und hemmnisse gehabt, welche staatsmaximen herschend gewesen u. dergl. an Rudolf von Habsburg und sämtlichen europäischen königen, sowie deutschen kurfürsten, fürsten, freunden und gönnern seiner zeit wird die methode eingehend erläutert. das leben der kaiser ist in guter ordnung und genauer verbindung der wichtigsten begebenheiten vorzutragen, wobei nach wichtigen veränderungen, eigenschaften, erfolgen oder nach quinquennien, decennien usw. disponiert werden kann; um die ganzen merkwürdigkeiten eines regenten kurz auf kleinen, leergelassenen decken auf der kaisertafel eintragen zu können, sind c. 40 abbreviaturen vorgeschlagen; doch wird immer darauf gedrungen, alles nur gradatim zu machen, 1) nur

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