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eńτw (v. 1449); als ob niemandem als dem Oedipus allein die entscheidung über die verbannung zustände. endlich kann der sinn der in ihrem jetzigen zusammenhange etwas dunkeln wortе πрòс coû rap oúd' èμoû ❤pάcw (v. 1434) doch nur dieser sein: 'mich lasse hinwegziehen, damit du an meiner statt die königsherschaft übernehmen kannst.' bliebe also Oedipus in Theben, das ist die zu grunde liegende meinung, so könnte kein anderer als er selbst dort herscher sein. auch Sophokles denkt sich daher den Oedipus, so lange er in Theben weilt, als noch im besitze der königsmacht, und man vernimmt darin offenbar einen nachklang des alten epos.

Auch liegt es am tage, aus welchem grunde Sophokles seinem helden eine so tiefe erniedrigung, wie sie aus den Phönissen des Euripides zwar wohlbekannt, aber für unsere tragödie unpassend ist, habe ersparen wollen. hätte Sophokles den gestürzten könig in ein so unwürdiges verhältnis zu Kreon gesetzt, so hätte er die wirkung der tragischen katharsis vollkommen zerstört. überall ist es das wesen echter tragödie, dasz der held nach dem sturze wieder rein und edel erscheint, ein vollkommener vertreter des moralischen princips, welches der tragischen idee zu grunde liegt. so lange er im leben mit feindlichen gegensätzen rang, war er dem irrtum unterworfen und konnte das edle, auch wenn er es wollte, nur unvollkommen erstreben, aber durch seinen untergang ist das, worin er als mensch fehlte, gesühnt; der tod hat geadelt, was zuvor nur dunkles und verworrenes streben war. in lichter klarheit erscheint jetzt das bild des helden, durch keinen menschlichen irrtum getrübt, entrückt in jene sphäre, wo nur das ideal waltet. gerade darauf beruht aber die kathartische wirkung der tragödie. die katastrophe zerbricht das unvollkommene gefäsz, und läszt uns die grenzen unserer menschlichkeit empfinden; sie erhebt das geistige wesen um so höher, und gewährt uns die befriedigung, welche aus der betrachtung unserer moralischen freiheit entspringt. die katastrophe vernichtet den helden, erniedrigen darf sie ihn niemals. daher gibt es nichts, was so sehr den gesetzen der tragödie widerspricht als jene übertriebene härte, mit welcher Kreon gegen Oedipus verfährt (v. 1424-1431). Oedipus soll ein abscheu aller menschen und götter sein und durch seine gegenwart das licht der sonne beflecken? im gegenteil, .den verübten frevel hat er jetzt gebüszt und wird ihn noch weiter büszen, und wenn irgend gerechtigkeit waltet, welche unrecht durch erlittene strafe sühnt und ausgleicht, so musz auch Oedipus jetzt wieder gereinigt und unschuldig erscheinen. durch äuszeres unglück ist er tiefgebeugt und niedergeschmettert, aber seine sittliche grösze musz um so höhere bewunderung erregen, da er selber es ist, der mit ungebeugter willenskraft die sühne an sich vollzieht. auch solche betrachtungen zeigen, dasz die tiefdemütigende erniedrigung, in welcher uns der fragliche ausgang des 'könig Oedipus' den gestürzten herscher vorführt, nicht in der ursprünglichen absicht des dichters gelegen haben kann.

Endlich ist es noch notwendig, einige einzelne bemerkungen hinzuzufügen über die verse, welche, wie es scheint, spätern ursprungs sind, einerseits, weil sich auch dadurch noch einige wahrscheinlichkeitsgründe für die vorgetragene ansicht gewinnen lassen, anderseits um den umfang der überarbeitung näher zu begrenzen. schon oft ist an den versen 1424-31 und an ihrem verhältnis zu den vorhergehenden worten des Kreon anstosz genommen worden. bei der durchaus begründeten furcht des Oedipus, Kreon werde nun die zugefügte beleidigung vergelten, erwartet man notgedrungen, dasz letzterer seine freundliche mitleidsgesinnung nicht blosz in zwei verneinenden sätzen (v. 1422/23) aussprechen werde, sondern dieselbe noch weiter in einem bejahenden mit 'sondern' eingeführten satze ausdruck finden werde. nun bedeutet aber aλλά in v. 1424 nicht sondern', vielmehr ist es zur verstärkung des imperativs aideîle hinzugesetzt, und deshalb ist die von G. Hermann vorgeschlagene erklärung: 'sed ut introire te juberem' nicht zutreffend. grammatisch betrachtet werden daher jene beiden verse 1422/23 immer den eindruck eines in der mitte durchgerissenen, unvollendeten satzes machen. von durchaus richtiger empfindung war also Schenkl geleitet, der, wie Bonitz (a. o. s. 195), fast jenem beistimmend, mitteilt, nach v. 1423 sogar eine lücke annehmen wollte. wie wenig ferner der gedankeninhalt der v. 1424-31 der durch v. 1422/23 erregten erwartung entspricht, ist ganz offenbar, da Kreon härter seinen abscheu vor Oedipus kaum ausdrücken konnte. die aus diesem grunde von A. Nauck (Philol. XII 636) vorgeschlagene versetzung der verse 1424-31 an den schlusz der rede des Oedipus nach v. 1415 ist aber trotzdem zu verwerfen, wie entscheidend Bonitz (a. o. s. 194 ff.) nachgewiesen hat. denn abgesehen von allem andern ist es ganz unmöglich, dasz Oedipus, der vor und nach dieser stelle (s. o.) mit der grösten beharrlichkeit und entschiedenheit auf seine verbannung dringt, hier, mit sich selber im widerspruch, verlangt, in den königspalast zurückgeführt zu werden, als ob er jetzt in Theben zu bleiben wünschte. entgegnet Nauck (a. o.) darauf, Oedipus wolle eben von seinen verwandten im palaste die verbannung erbitten, so ist zu erwidern, dasz Kreon, der einzige verwandte, an den hier gedacht werden kann, schon zugegen ist, dasz aber von einer solchem dem Oedipus zugeschobenen absicht nicht die rede ist, sondern gerade das entgegengesetzte in v. 1430/31 angedeutet ist. bei der überlieferten folge der verse musz man also auf jeden fall stehen bleiben. wir aber werden gemäsz den im vorhergehenden dargelegten gründen an dem zwischen v. 1423 und 1424 klaffenden spalt in dem zusammenhange noch deutlich den ansatzpunkt der überarbeitung erkennen müssen.

Ebenso sicher verrät sich auch das ende dieses teils der umarbeitung in v. 1445, obwohl hier grammatische schwierigkeiten nicht vorliegen. um den zusammenhang hier herzustellen, musz man zwischen v. 1445 und 1446 eine dem Kreon zustimmende antwort

des Oedipus, in welcher Kreon dem gotte gegenübergestellt wird, aus dem sinne ergänzen, so dasz man erhält:

Kr. denn jetzt wirst auch du sicher dem gotte glauben schenken. Oed. (fürwahr jetzt werde auch ich dem gotte glauben schenken.) und dir trage ich auf usw.

freilich wird man auch hier kaum leugnen können, dasz diese einzig mögliche art des überganges etwas überaus schroffes und ungelenkes habe, da die gegenüberstellung des gottes und Kreons eine ganz äuszerliche ist. denn 'dem spruche des gottes nicht glauben oder nicht gehorchen' und 'einem verwandten aufträge erteilen' sind eben ganz disparate begriffe, die durch und' aneinandergereiht eine organische verknüpfung des satzgebildes nicht herbeiführen können. seinem inhalte nach steht der notwendig ergänzte gedanke aber mit allem vorhergehenden und folgenden in offenem widerspruch. hat denn Oedipus jemals vorher an der wahrheit des delphischen orakels gezweifelt? im gegenteil, durch das ganze drama hindurch sucht er mit aller ihm zu gebote stehenden macht den befehl des gottes zu vollziehen und den mörder des Laios zu erforschen; und selbst als er den wahren sachverhalt schon zu ahnen beginnt, gebietet er unerschüttert, den alten diener, von dem er einst ausgesetzt worden war (v. 859), herbeizurufen, um das dunkel, das über dem morde des Laios schwebte, zu erhellen. dem Tiresias, der dem nichtsahnenden und in heftigem wortwechsel schon erregt gewordenen könig plötzlich die frevelthat vorwirft, hat er freilich nicht geglaubt; aber dasz er dem gotte die höchste ehrfurcht erwies, das machte die ganze anlage unserer tragödie notwendig. ferner wenn Oedipus mit den worten 'jetzt werde auch ich dem gotte glauben schenken' dem Kreon beiştimmt, so erklärt er sich doch auch damit einverstanden, dasz der gott noch einmal befragt werden soll und er selber zunächst in Theben bleibt. wie ist es dann möglich, dasz er kurz darauf den befehl erteilt: ἐμοῦ δὲ μήποτ' ἀξιωθήτω τόδε πατρῷον ἄστυ ζῶνtoc oikηtoû tuxeîv (v. 1449/50)? denn diese worte sind so gefaszt, als ob Oedipus von einem solchen dem Kreon gemachten zugeständnis gar nichts wüste, und als ob im vorhergehenden überhaupt gar keine einwendungen gegen die verbannung gemacht worden wären. man hat die empfindung, als ob Oedipus hier etwas vorher schon bestimmtes und zugesagtes nur noch einmal bekräftigen und dahin einschränken wolle, dasz der verbannungsbeschlusz nach seinem tode nicht mehr geltung haben solle, sondern man ihm die letzte ruhestätte in der heimat gewähren solle. diesen widerspruch, in welchem der zur verbindung der verse 1445 und 1446 notwendig ergänzte gedanke zu dem folgenden und weitervorhergehenden steht, deutet uns daher noch klar das ende der überarbeitung an. dagegen rühren die verse 1432-34 offenbar von Sophokles selber her. als antwort auf die harten worte des Kreon (v. 1424–31) passen sie nicht und gehen, wie schon oben bemerkt ist, von der auffassung aus, als ob Oedipus, selbst noch im besitze der macht, dem Kreon erst die her

schaft übertragen wolle, während in v. 1424-31, 1435-45 und 1515 ff. derselbe sich schon in folge des natürlichen laufs der dinge als alleinigen machthaber betrachtet. auch ist es sehr wohl denkbar, dasz der überarbeiter einzelne überlieferte verse in die umdichtung herübernahm.

Die grenzen des nach den abschiedsreden des Oedipus folgenden teils der umarbeitung erkennt man leicht an dem barschen ton, in welchem Kreon den Oedipus anherscht. es sind offenbar die letzten in septenaren gedichteten verse 1515-1523, welche dem überarbeiter zuzuschreiben sind. zwar sind anfang und ende der überarbeitung durch syntaktische bedenken nicht gekennzeichnet. doch stehen überhaupt jene verse, deren widersprüche mit dem ganzen drama aufgewiesen sind, mit der vorhergehenden rede des Oedipus und mit den folgenden schluszworten des chors in dem losesten oder in gar keinem zusammenhange, so dasz an sich ihrer ausscheidung nichts im wege steht. jene schluszrede des chors selbst aber (v. 1524 -30) musz als echt betrachtet werden, da gar keine bedenken gegen dieselbe vorliegen.

Was nun an stelle dieser uns überlieferten verse ursprünglich gestanden hat, ist aus dem zusammenhange und aus den übrigen motiven des dramas leicht zu ergänzen. nachdem Kreon, aus dem königspalast heraustretend, erklärt hatte: 'nicht deiner, Oedipus, im unglück zu spotten, kam ich her (v. 1422/23), sondern, um dich zu trösten und mit dir über dein schicksal zu beraten' (v. 1424-31), äuszert Oedipus in den erhaltenen versen 1432-34 seine verwunderung über diese ganz unerwartete edle gesinnung. darauf übertrug er, wie dies ein griechischer zuschauer erwarten muste, die herschaft an Kreon und bestimmte, dasz man ihn selber aus Theben hinwegbringen solle. dies sagte Kreon ihm zu. vielleicht hat Oedipus an dieser stelle auch verlangt, dasz ihm ein führer gegeben werde; und darf man raten, so fiel die wahl vielleicht gerade auf denselben treuen diener, der den Oedipus einst auf dem Kithäron hatte aussetzen sollen, ihm aber mitleidig das leben erhalten hatte. denn auch jetzt zieht Oedipus hinaus in den Kithäron. es würde auf diese weise das in v. 1292 angeregte motiv ausgeführt worden sein. doch darf man nicht vergessen, dasz Sophokles sich in unserm drama den Oedipus nicht als einen viele fremde länder durchwandernden denkt,

7 wieder entdeckt man einen gegensatz des 'Oedipus auf Kolonos' zu dem könig Oedipus'. überhaupt beachte man den fortschritt der erfindung. das alte epos läszt den Oedipus nach seiner blendung bis zu seinem ende in Theben herschen und dort bestattet werden. selbst in Eteonos am Kithäron erzählte man nur, dasz der leichnam des Oedipus aus Theben dorthin gebracht worden sei (schol. Oed. Kol. v. 91). den gedanken des aus Theben hinwegziehenden Oedipus hat zuerst Sophokles in dem "könig Oedipus' durch geniale erfindung geschaffen. aber Oedipus verläszt nach eigenem willen und beschlusz, wie es der gott gebot, seine heimat; er wohnt bis zu seinem ende in den wäldern des Kithäron, erhält aber dann ein grab in thebanischer erde. so kehrt Sophokles in diesem drama doch noch wieder zu der altepischen sage

sondern dasz als späterer aufenthalt desselben die wälder des Kithäron genau bestimmt sind. daher bedurfte Oedipus hier gar nicht eines solchen führers, wie es Antigone in dem 'Oedipus auf Kolonos' ist. in den Kithäron konnte er leicht von seinen eignen dienern oder von denen des Kreon gebracht werden, auch ohne einen bestimmten führer zu haben. wie er aber dort sein leben fristete, das lag ganz auszerhalb unseres dramas, und sich dies auszumalen, konnte billig dem zuschauer selber überlassen werden. auch Seneca läszt nur das elend, den jammer und die pest die geleiter des Oedipus sein (v. 1000). es ist daher wahrscheinlich, dasz Sophokles es überhaupt unterlassen hat, hier dem Oedipus einen bestimmten führer zu geben; obwohl sich darüber nichts bestimmtes sagen läszt. nachdem Oedipus auf diese weise die verhältnisse in Theben geordnet hat und über sein eigenes schicksal entschieden hat, gibt er dem Kreon seine letzten aufträge die bestattung der Iokaste betreffend und bittet denselben, für seine kinder zu sorgen (v. 1446-75). als darauf die töchter herzugekommen sind, richtet der tiefgebeugte vater an dieselben seine letzten schmerzbewegten abschiedsworte (v. 1478-1514). nun erwartet man, dasz Oedipus auch seiner unterthanen noch einmal gedenken werde, die er einst aus groszer not befreit hatte und die ihm so lange treu ergeben gewesen waren. sicberlich war dies daher der inhalt der verse, welche an stelle von 1515-23 ursprünglich standen. nachdem Kreon, anstatt den Oedipus mit harten worten anzufahren, versprochen hatte, für Antigone und Ismene sorgen zu wollen, wandte sich Oedipus abschiednehmend noch einmal an seine alten unterthanen und verliesz dann langsamen schrittes die bühne, während der chor jene letzten trochäen (v. 1524—30) sprach.

Welcher zweck bei der ganzen überarbeitung, die nun in ihrem umfange überblickt werden kann, verfolgt wurde, ergibt sich aus der eigentümlichen mittelstellung, welche dieselbe zwischen den grundmotiven des 'könig Oedipus' und des 'Oedipus auf Kolonos' einnimmt, und daraus dasz gerade der notbehelf, zu welchem Sophokles in dem 'Oedipus auf Kolonos' hatte greifen müssen, berücksichtigt ist. wie schon oben angedeutet ist, gieng die absicht des überarbeiters offenbar darauf aus, jene beiden in ihren grundmotiven entgegengesetzten dramen wenigstens soweit in einklang zu bringen, dasz das später gedichtete sich an das frühere anschlieszen konnte. auch liegt es auf der hand, was dazu anlasz geben konnte. es ist bekannt, dasz die tragödien der drei groszen tragiker noch oft auch nach ihrem tode auf der athenischen bühne meist unter leitung der nachkommen jener dichter aufgeführt worden sind. von Aeschy

zurück. den gewaltsam vertriebenen Oedipus, der nach langer wanderung durch viele länder im attischen gau Kolonos die letzte ruhe findet, kennt erst der 'Oedipus auf Kolonos' und die Phöniss. des Euripides. Ist meine vermutung über den führer des Oedipus richtig, so zeigt sich noch mehr, wie ganz entgegengesetzt die beiden Oedipusdramen des Sophokles ursprünglich waren.

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