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lage würde die aufgabe der sittlichen erziehung eine unmöglichkeit sein, wenn die wertgefühle, welche die ersten forderungen des pflichtmäszigen handelns begleiten, die steten begleiter desselben blieben, und das gefühl für die verbindlichkeit einer pflicht würde nur so lange dauern, als eine von den genannten arten des zwanges empfunden würde. bekanntlich ist das nicht der fall, sondern es verbinden sich die verschiedenen schätzungen der pflichtmäszigen handlung so mit einander, wie die vorstellungen der concreten einzelerscheinungen zum abstracten gemeinbilde, aus den besonderen werten wird nach psychologischen gesetzen das gefühl des wertes überhaupt.

Diese entwicklung vollzieht sich ebenso auf anderen lebens- und empfindungsgebieten, z. b. bei dem anstande und dem schicklichen. das kind ist zunächst unsauber, vielleicht nur mit gewalt kann es gezwungen werden, sich reinlich zu halten, und die erziehung erreicht wenigstens in sehr vielen fällen ihr ziel. dem erwachsenen fehlt jedes bewustsein, dasz der ursprung seiner sauberkeit die strafe oder die autorität der mutter gewesen ist. die sauberkeit ist dem erwachsenen zum bedürfnis geworden, sie ist ihm wertvoll an sich ohne den gedanken an einen zweck. das unreine stöszt mit mechanisch-automatisch wirkender consequenz ab, und in gleicher weise zieht das reine an. hier ist die sauberkeit zu einem festen charakterzuge des menschen geworden. das handeln in diesem sinne läszt sich nach analogie der sittlichen freiheit ein freies nennen. liesze sich das gleiche auf dem boden der sittlichkeit erreichen, so hätte die erziehung ihre aufgabe zum guten teile erfüllt. der erzieher würde danach durch äuszere und innere mittel des zwanges den zögling an das sittliche handeln und die sittliche gesinnung so zu gewöhnen haben, dasz dieser mit mechanischer sicherheit das böse flöhe und das gute erstrebte. dies ziel würde sich auf sittlichem gebiete ebenso gut erreichen lassen wie bei dem schicklichen, wenn den sittlichen forderungen nicht eine positive kraft in dem egoistischen begehren entgegenträte. aber auch so ist die gewöhnung und annähernde automatisierung der einzige weg, der von der erziehung in den ersten jahren beschritten werden kann. und dieser weg darf wenigstens so lange nicht verlassen werden, bis ein unerschütterlich fester charakter herausgebildet ist, also von dem erzieher niemals. die oben genann ten mittel des äuszern und innern zwanges nebst der einwirkung durch beispiel und urteil auf das ehr- und schamgefühl müssen die eigentliche grundlage der erziehung bilden, ergänzend und veredelnd tritt die sittliche und religiöse unterweisung hinzu, und so wertvoll diese erkenntnisfactoren für die bildung des sittlichen urteils, des sittlichen gefühls und einer widerstandskraft gegenüber dem theoretischen zweifel sind, ihre directe einwirkungskraft auf das positive handeln gegenüber dem triebe des egoismus ist verhältnismäszig schwach. es tritt hinzu das vielfach erregte interesse für wissenschaft und kunst, welches im stande ist den horizont der vorstellungen stets auf längere zeiten zu beherschen und die zur begierde

treibenden unsittlichen vorstellungen unter der schwelle des bewustseins zurückzuhalten, das ferner im stande ist, durch umgang mit edlen charakteren und die richtung auf das allgemeine die gefühlswelt des individuums umzugestalten.

Aber ich musz es betonen, die eigentliche grundlage musz jene gewöhnung bleiben. man verkennt dies in unseren tagen nur gar zu leicht, besonders der pädagogische theoretiker; will doch Laas auf einer utilitaristischen reflexion das gesamte handeln begründen. auch Jacoby, der zwar den wert der gewöhnung nicht vollständig verkennt, sieht in derselben doch nicht das fundament der erziehung, sonst würde er in viel wirksamerer weise den unverständigen einwürfen gegen lohn und strafe entgegengetreten sein, verkennen doch jene einwürfe die psychologischen bedingungen der erziehung vollständig.

Es kann hier meine aufgabe nicht sein, die verwertung jener zwangsmittel im dienste der wahren freiheit bis in das einzelne und in beziehung auf die verschiedenen altersstufen zu besprechen, so wichtig eine eingehende psychologisch-ethische untersuchung über diesen punkt sein musz. nur dies eine sei noch gesagt, da die sittliche charakterbildung mit der schulzeit nicht abgeschlossen ist, so musz die weiterentwicklung der sittlichkeit in den späteren lebensjahren als ein dringendes bedürfnis gelten. der innere zwang des ehrbegriffs ist in dieser zeit für unsere jugend eine sehr bedeutende macht, aber leider enthält der ehrencodex unserer jungen officiere, referendare, studenten usw. im ganzen nur sehr wenig von sittlichen bestimmungen. das wirksamste mittel bleibt daher auch hier die umbildung des ehrbegriffs zu einem sittlich gesättigten.

Doch genug! Jacobys buch enthält manches gute, aber wenig selbständig gedachtes; anstösze und versehen musten vielfach nachgewiesen werden. soll aus dem buche eine brauchbarere und erschöpfende allgemeine pädagogik werden, so bedarf es einer gründlichen, auf eindringende psychologische studien gestützten umgestaltung. PH. WEGENER.

MAGDEBURG.

64.

GESCHICHTE DER EHEMALIGEN SCHULE ZU KLOSTER

BERGE.

Nachdem auf der synode zu Ravenna die errichtung des erzstifts Magdeburg beschlossen war, wurde am weihnachtsfeste 968 Adalbert, abt des klosters Weiszenburg, als erzbischof von Magdeburg feierlich inthronisiert. das von Otto I 937 gestiftete Moritzkloster wurde der sitz des neu errichteten domstifts. kurz vorher waren die Benedictinermönche von St. Moritz in das für sie vor der Sudenburg im süden der stadt Magdeburg (in suburbio civitatis Magdeburgensis)

neu erbaute, dem h. Johannes dem täufer geweihte kloster eingezogen. dasselbe war in monte prope muros Magdeburgenses erbaut, weshalb es später kloster Berge genannt wurde. nach der sitte der zeit wurde im kloster eine schule errichtet, in welche zunächst nur angehende geistliche aufgenommen wurden. der zehnjährige Thietmar, ein graf von Walbeck, der später bischof von Merseburg wurde, besuchte diese schule in den jahren 986-989, ebenso begannen seine brüder Sigfried und Bruno, die später äbte des klosters wurden und danach die bischofssitze von Münster bezw. Verden einnahmen, hier ihre geistlichen studien. auch herschte in den ersten jahrhunderten ein reger wissenschaftlicher sinn im kloster; dort entstanden die annales Magdeburgenses und später die gesta abbatum Bergensium, auch der codex Lipsiensis nr. 40 des 11n jahrh., der Sallust, Horaz, Lucan und Marcianus Capella enthält, entstammt dem kloster Berge, wie die aufschrift von fol. 1a besagt: Sancti Johannis bapt. Magdeburch.

Im laufe der jahre brach auch über das kloster Berge jene unheilvolle barbarei ein, in welcher die wissenschaft aus der stillen klosterzelle floh und üppigkeit und wohlleben ihren einzug hielten. nur einzelne äbte wusten durch strenge zucht dem sittenlosen leben einhalt zu thun. um die mitte des 15n jahrh. gelangte das kloster durch den abt Hermann, der sich der Bursfelder klosterreformation anschlosz, wieder zu einigem ansehen. fleisz und sorgfältiges studium der wissenschaften kehrten wieder. abt Hermann legte eine bibliothek an, da er die alte in den elendsten umständen und fast alle bücher zerrissen und von motten zerfressen fand. ebenso gewissenhaft sorgte er für die instandsetzung der klostergebäude. aber was er und seine nachfolger mit mühe geschaffen hatten, das gieng durch die stürme des bauernkrieges wieder verloren und nur mit schweren opfern gelang die wiederherstellung des klosters. bei beginn des schmalkaldischen krieges brach neues unglück über das kloster ein. kurz vor der belagerung der stadt Magdeburg durch kurfürst Moritz von Sachsen rissen die Magdeburger das kloster aufs neue nieder und machten es dem erdboden gleich, um dem feinde die gelegenheit zu rauben, aus dem kloster einen stützpunkt seiner operationen zu machen. das kloster berechnete den ihm unersetzt gebliebenen schaden auf 19559 gulden.

Mehrere jahre vergiengen, ehe das kloster wieder hergestellt werden konnte. der abt Petrus Ulner vollendete den bau 1563 und eine noch auf der südseite des gesellschaftshauses des FriedrichWilhelmsgartens eingemauerte steintafel, die ursprünglich über dem thore des klosters angebracht war, redet von seinen verdiensten um die wiederherstellung des klosters: R. D. Petrus D. G. Abb. 49. Anno dni 1563 extruebat. Ulner war der letzte katholische abt des klosters, das nicht länger dem einflusz der reformation widerstehen konnte, da er selbst die überzeugung hatte, dasz die von Luther erstrebte reformation der kirche ein segensvolles werk sei, so that er

den schritt, den bis dahin noch kein prälat des erzstifts gewagt hatte er bekannte sich zur evangelischen lehre und bestimmte die mitglieder seines convents zum übertritt zu derselben. dieser schritt war um so kühner, als das Magdeburger domcapitel sich gegen die neue lehre immer noch höchst feindlich verhielt. dagegen war die bürgerschaft Magdeburgs, die schon 1524 die reformation eingeführt hatte, mit Ulners übertritt sehr zufrieden. am 17n sonntag nach trin. 1565 hielt er zum ersten male in der von ihm erbauten klosterkirche eine lutherische predigt, in der er öffentlich erklärte, dasz er sich mit seinem convent von der katholischen kirche und vom papste lossage. noch zwei jahre vergiengen, ehe das domcapitel die evangelische lehre annahm. erst am 1 advent 1567 hielt der neu ernannte domprediger Sigfried Sack, bis dahin rector des altstädtischen gymnasiums zu Magdeburg', die erste evangelische predigt in der domkirche.

Schon im jahre 1563 wird in einer bestätigungsurkunde des erzbischofs Sigismund einer vom abt Ulner errichteten schule gedacht, deren leitung dem parochus von Buckau und Fermersleben anvertraut werden sollte, und als die erzbischöflichen commissarien ein jahr zuvor (17, 18 u. 20 januar 1562)3 neben dem verzeichnis der güter des klosters auch ein verzeichnis der klosterpersonen aufstellten, erwähnten sie auszer dem abte und vier ordenspersonen zwei junge knaben, namens Adam und Aegidius, welche 'jetzo zu Helmstedt auf des klosters kosten studieren.' auf dem am 30 januar 1564 zu Calbe a. S. gehaltenen landtage kam auch die reformation der klöster zur sprache. dieser gegenstand wurde an dem für den 26 juni desselben jahres angesetzten groszen ausschusztage zu Magdeburg von der ritterschaft des erzstifts wieder aufgenommen, indem diese in ihrem bedenken sich dahin aussprach, dasz in den klosterkirchen ein evangelischer prediger gehalten und nach jedes klosters gelegenheit acht oder mehr knaben informiert werden sollten, welche beim gottesdienst hilfreiche hand zu leisten hätten. solche knaben, wenn sie fundamenta grammatices gelegt, könnten hernach in die hauptschule des erzstifts befördert werden. ferner wurde vorgeschlagen, die magdeburgische und hallesche schule in eine hauptschule umzuwandeln und die lehrerbesoldungen zu vergröszern, damit alle facultäten darin könnten dociert werden. dazu sollte von allen hohen und niederen stiftern und klöstern ein beitrag gezahlt werden. endlich beabsichtigte man aus den einkünften der kathedralstifter und klöster stipendien zu stiften, und zwar für je 40 söhne des adels, des bürger- und des bauernstandes, in der weise dasz der adlige jährlich 20, der bürgerliche 16, der bauernsohn 10 thlr. erhielt. als altersstufe des stipendiaten wurde das 11e jahr bestimmt.

1

n. jahrb. f. phil. u. päd. IIe abt. 1884 s. 72.
2 urkundenbuch des klosters Berge.
ebendas. nr. 1062 (s. 499).

Halle 1879 nr. 1071.

leider hatte es bei den vorschlägen des ausschusses sein bewenden, denn alles, was kirche und polizei- oder kriegssachen betraf, wurde zu fernerer deliberation ausgesetzt.

Darauf erfolgte die reformation des klosters Berge, mit der die errichtung einer evangelischen schule verbunden wurde. mit dem jahre 1565 beginnt also die geschichte der schule zu kloster Berge, die wir nach drei zeitabschnitten sondern: die erste periode umfaszt die jahre 1565-1686, die zweite die blütezeit von 1686-1762, die dritte den verfall bis zur aufhebung 1810.

I. Die klosterschule in ihren anfängen (1565-1686).

Petrus Ulner war am 18 october 1523 zu Gladbach im herzogtum Jülich als der sohn des dortigen bürgermeisters Lorenz Ulner geboren. er besuchte die schulen zu Deventer und Herzogenbusch und trat 1542 in den Benedictinerorden. der abt Hermann. des klosters Werden, dem er überwiesen wurde, liesz ihn auf kosten desselben in Köln studieren. nach einiger zeit kehrte Ulner in das kloster zu Werden zurück und wurde 1554 pfarrer des Ludgariklosters in Helmstedt. im folgenden jahre berief ihn herzog Heinrich der jüngere von Braunschweig zum hofprediger in Wolfenbüttel. in dieser stellung blieb er drei jabre, bis er 1559 im provinzialcapitel zu Erfurt auf besondern wunsch des abtes Heinrich Zirow des klosters Berge zu dessen coadjutor bestellt wurde. 1560 erhielt er seine confirmation vom erzbischof Sigismund von Magdeburg, wurde am ersten sonntag nach trin, desselben jahres eingeführt, und nach dem tode des abtes Zirow wurde er dessen nachfolger.

Infolge seines übertritts zum protestantismus führte Ulner deutsche gesänge und eine verbesserte liturgie ein. ferner machte er zu mitgliedern seines convents candidaten der evangelischen theologie, welche zu einem sorgfältigen studium der theologischen wissenschaften angehalten wurden. es bildete sich so eine art von prediger

5

4 landtagsacten de 1564 im staatsarchiv zu Magdeburg.

5 die formula collationis beneficii lautet: Dei gratia Petrus Ulnerus imperialis monasterii Bergensis in archiepiscopatu et primatu Magdeburgensi abbas. omnia ad aedificationem fieri cum s. Paulo apostolo 1. Cor. 14 exoptantes volumus notum atque apud omnes testatum per praesentes, quod nos honestum ac doctum optimae cum indolis tum spei adolescentem ac in Christo nobis dilectum N. N. post factam et doctrinae et morum ipsius explorationem ad sanctissimae trinitatis gloriam in album clericorum recepimus, prout vigore huius testimonii eidem honorem ac dignitatem clericalem contulimus. quocirca ipsum illum militiae clericali iam nunc adnumeratum hortamur ut iuxta stipulationis formulam nobis praestitam soli deo et patri domini nostri Jesu Christi serviat eiusque verbum scriptis canonicis propheticis et apostolicis comprehensum utpote ecclesiae verae seminarium diligenter legat defendat atque propagare studeat, quin et ecclesiae proceribus morem gerat, latinis graecis litteris operam det, pie sobrie ac honeste vivat proximumque diligat obsecramus. ceterum ut huic nostro documento fides adhibeatur, praesentes litteras a nobis sigillatas et manus nostrae subscriptione corro

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