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zu anfang des zweiten acles zu hause, so musz er es auch im ganzen ersten gewesen sein, damit ergibt sich die abwesenheit des Aeschinus, also auch das gastmahl, von dem ihn sein vater so ungeduldig zurückerwartet, als eine zulhal des Terenz, die notwendig geworden war zur moüvierung der zweiten zuthat, der rückkehrscenc im zweiten act.

Und suchen wir nun die einzelnen verse der Terenzischen znthat hiernach genauer zu bestimmen, so ergeben sich gerade die zehn bis zwölf ersten und der letzte vers des ersten actes als die einzigen des ganzen Stücks, in denen dieser abwesenheit des Aeschinus erwähnuug geschieht: sie sind also mit ihrem ganzen Inhalt eigenlum des Terenz. bei Menander war Aeschinus vom gastmahl zurückgekehrt (oder wol gar nicht da gewesen) und hatte seinen raub bereits in Sicherheit. Mido, welchem die sache zu verheimlichen kein grund war, hatte das mädchen gesehen, vielleicht auch schon von ihrer gewaltsamen enlführung, aber noch nicht von dem eigentlichen zweck derselben erfahren (diesen erfährt er erst auf dem markte von Syrus: vgl. v. 364), jedenfalls aber nichts ungewöhnliches oder strafbares darin gefunden, die exposition dieser Sachlage mag der inhalt der ersten verse bei Menander gewesen sein, die jetzt durch die Terenziscbeu verdrängt sind, daher ist Micio, als er den Iternea kommen und schon von weitem seinen Unwillen ausdrücken sieht, auf eine scene gefaszt: er ahnt dasz der bruder von der sache nachricht bekommen, daher das dixin hoc fore v. 83, aus dem auch Hermann glaubte entnehmen zu können, dasz Micio schon um das abenleucr des Aeschinus wisse. Micio gieng dann am ende des actes auf den markt, nicht um Aeschinus zu suchen, wie bei Terenz, sondern entweder um nähere erkundigungen über die sache einzuziehen, oder um den fortgeeilten bruder einzuholen und zu besänftigen.

Somit liegt der ganze, vielbesprochene unterschied in den zehn bis zwölf ersten versen, und die verse des Terenz:

profecto hoc ver с dieunt: si absis uspiam
'[aut ibi si cesses], evenire ea salins est,

quae in te uxor dicit [et quae in animo cogitai]

irata quam illa quae parentes propitii führen allerdings einen so feinen und witzigen gedanken in so eleganter weise aus, dasz das urleil Varros über diese verse im vergleich zu den Menandrischen, welche die oben bezeichnete einfache exposition enthalten haben werden, als ein hinreichend motiviertes und berechtigtes erscheint. Wenn es mir in diesem falle gelungen ist das Verhältnis des Terenz zu Menander in ein helles und für den erstem nicht eben ungünstiges licht zu setzen, so ist es mir bedürfnis an einer andern stelle den rühm der Menandrischen poésie von einem flecken zu säubern, mit dem der 'dimidiatus Menander' den echten verunreinigt hat. mit dem ende des vierten (Fleckeisenschen) actes ist die fabel unseres Stückes zum abschlusz gekommen, die heirat des Aeschinus hat die Zustimmung beider väter gefunden, Demea ist besänftigt und wird am folgenden tage mit dem frühesten sich mit seinem söhne und der psaltria aufs land zurückziehen, und wenn nach dem letzten verse Micios: i ergo intro, et quoi rei est, ei reihunc sumamus diem der cantor mit dem plaudite schlösse, so könnten wir dieser aufforderung im bewustsein, ein nach composition und zeichnung uns durchaus befriedigendes stück gesehen zu haben, aus voller überzeugung nachkommen. statt dessen werden wir noch einen ganzen act hindurch mit allerlei kleinen und groszen gunstbezeugungen unterhalten, die ganz natürlich mit der heirat und der schlieszlichen allgemeinen aussöhnung zusammenhängen, die aber weit wirksamer der ausmalenden phantasie des zuschauers überlassen blieben und die um so mehr unsere verwunderung erregen, als sie gerade von demjenigen ausgehen, von dem man sie am wenigsten erwartet, von Demea. dasz diese liberale anwandlung im sinne des dichters keine natürliche, sondern eine erheuchelte sei, hat Lessing (Hamburgische dramaturgie stück 71) gewis mit recht behauptet, obgleich er zugibt dasz, wenn man Demeasworte zu anfang des actes "so obenhin nehme', es fast scheine als ob er völlig von seiner alten denkungsart abgehen und nach den grundsätzen des Micio zu handeln anfangen wolle’. vollständig aufgeklärt über die absicht Demeas, seinem bruder auf dessen kosten eine gute lehre zu geben, werden wir erst durch seine unten anzuführenden worte aus der letzten scene. so spielt denn nun Demea plötzlich den nachsichtigen und verschwenderischen und geht mit eigentum und person seines bruders auf das freigebigste um: Hegio bekommt ein stück acker, Sostrata einen mann, Syrus die freiheit und geld dazu, und als Micio nach der ursache dieser plötzlichen veränderung in der sinnesart seines bruders forscht, erhält er zur antwort: ut id ostenderem, quod teisti facilem et festivom putant, id non fieri eac vera vita neque adeo ex aequo et bono, sed ex adsentando, indulgendo, largiendo, Micio. Micio weisz darauf nichts zu seiner vertheidigung zu sagen, und so trägt in unserm acte, und weil denn doch dieser das endresultat aus dem ganzen stücke ziehen soll, in unserm stücke die lebensanschauung und erziehungsmethode des Demea einen unzweifelhaften sieg über die des Micio davon. das steht im widerspruch mit der tendenz des gesamten übrigen stückes. Micio, das bild des freien, feinen, urbanen Atheners, ist durchweg der liebling des dichters. seine figur ist mit der grösten liebe, ja parteilichkeit gezeichnet, seine liberalen ansichten mit der wärmsten überzeugungskraft dem zuschauer dargelegt, er hat seinen sohn gewöhnt, was andere hinter dem rücken der väter thun, quae fert adulescentia, ihm nicht zu verheimlichen, denn pudore etliberalitate liberos retinere salius esse credo quam metu. denn wer durch strafe zur pflicht gezwungen wird, der scheut sich, so lange er entdeckung fürchtet; wo er aber unentdeckt zu bleiben glaubt, gibt er seiner neigung nach: hoc patrium est, potius consuefacere filium sua sponte recte facere quam alien0 metu. und kann man von dieser wahrhaft edlen erziehungsweise bessere resul" verlangen, als sie die durchweg edle, offene und freie sinnesart

des Áeschinus zeigt? man lese doch nur die 5c scene des 4n actes, wo Aescbinus, zu einem geständnis gegen seinen vater gezwungen, von diesem mit sanften und docli so ernsten und vorwurfsvollen worlen wegen der Verheimlichung der sache zurechtgewiesen wird, schlieszlich aber die Zustimmung zur lieirat erhält und in worle des heiszesten dankes ausbricht! diese scene, das wärmste und auch für uns rührendste, was uns von der Menandrischen poésie übrig ist, kann gar keinen zweifei aufkommen lassen, für wessen lebensanschauung der dichter selbst begeistert ist und andere begeistern will, und von diesem manne sollen wir nun das eudurleil mit nach hause nehmen, dasz er nicht geliebt werde ex vera vita ñeque adeo ex aequo et bono"! über so edle huraanitäl soll doch schlieszlich der mürrische philister Demca den sieg davontragen? einen solchen Widerspruch gegen seine eignen lendenzen kann sich kein dichter zu schulden kommen lassen, der überhaupt welche hat, am wenigsten ein philosoph wie Menander; ein solcher Widerspruch ist nur möglich, wo zwei manner nach einander an demselben werke arbeiteten, von denen der spätere es nicht vermochte oder es versäumte sich ganz in die lendenzen des ersten hineinzudenken, ein solcher fall liegt aber in unserin stücke vor, und der Verfasser jenes letzten actes kann kein anderer sein als Terenz selbst, diese ansieht wird unterstützt durch mancherlei lücken und mängel in composition und motivierung von einzelheilen unseres actes. Syrus ist v. 785 aus furcht vor dem zorne des Demca, der in das haus gegangen ist und nun seinen jüngsten söhn mit der psaltria beim mahle entdecken wird, davongegangen, denn bei den Worten nisi, dum hae silescunl turbae, interea in angulum aliquo abeam atque edormiscam hoc villi, sie agam kann man sich doch unmöglich vorstellen, dasz Syrus in das haus hineingehe, wo der stürm, dem er entgehen will, zum ausbrach kommen musz. und doch kommt Syrus v. 882 aus dem hause heraus und bringt dem Demca vom bruder die bestellung, er solle sich nicht weit entfernen, von dem rausche und dessen heilung ist nicht mehr die rede, merkwürdigerweise ist auch alle furcht vor Demea verschwunden, oder ist Syrus während des zwischenactes drinnen von der lösung des conflicts unterrichtet worden? was wäre dann aber natürlicher als dasz der so nahe daran beteiligte sklavc seine freude in einem Selbstgespräch ausdrückte und dadurch zugleich die in dem zuschaucr aufsteigenden fragen beantwortete? und warum hat der dichter sich die gelegcnheit entgehen lassen, die Wandlung der furcht des nichts ahnenden Syrus in freude über die während seines schlafes vorgegangenen dinge auf die bühne zu bringen und so die neue leulseligkeit des Demea in recht helles licht zu setzen? so aber niml Syrus die lobspriiche hin, als müste es so sein.

Nun trill Gela aus dem nachbarhause und motiviert sein auftreten mit den werten: era, ego hue ad hos proviso, quam mox virginem arcessant. also nur Ungeduld und neugier treiben ihn hinaus, aber woher diese Ungeduld? woher diese Verzögerung, über die bald darauf auch Aeschinus klagt? schon v. 719 sagt Jlicio: ibo, Ulis dicam nullum esse in nobis moram, und v. 787 parata a nobis sunt, ita ut dixi, Sostrata, ubivis. danach kann die verzögerung ihren grund nicht in dem hause des Micio, sondern nur in dem der Sostrata haben. da also Geta durch ein so schwaches und mit dem vorhergehenden in widerspruch stehendes motiv auf die bühne gezogen wird, so wird er da wol eine wichtige rolle zu spielen haben? im gegenteil, er hat sich nur einige schmeicheleien von Demea sagen zu lassen und dann wieder zu verschwinden. Die folgende scene läszt die frage die sie anregt unbeantwortet: haben sich vater und sohn im laufe des stücks schon gesehen? wenn überhaupt, so kann diese begegnung und die damit verbundene versöhnung nur stattgefunden haben im letzten zwischenacte. warum bleiben wir auch hierüber ununterrichtet? Nachdem Syrus weggeschickt ist, um den zaun zwischen den nachbargärten niederzureiszen, kommt Micio aus dem hause, und es folgt eine scene die an ungeheuerlichkeit und man kann sagen widerwärtigkeit alles übertrifft und unter allen beurteilern nur wenige vertheidiger gefunden hat (z. b. Grauert).*) dem edlen alten Micio wird, trotz seines sträubens, mit den nichtigsten gründen die alte Sostrata zur frau aufgeschwatzt, und zwar nicht blosz von dem hämischen Demea, dessen plötzliche tolle freigebigkeit hier nicht mehr lachen, sondern unwillen erregt, sondern auch durch seinen sohn Aeschinus, der doch noch kurz vorher gesagt hatte: itaque adeomagnam mi inicit sua commoditate curam, ne forte inprudens faciam, quod nolit; sciens cavebo. Gröhe im rhein. museum XXII s. 640 hat auf die ungereimtheit des grundes hingewiesen, mit dem Aeschinus seinen vater zu bereden sucht: fac, promisi ego illis. " wann hätte denn Aeschinus das gethan? seit der entdeckung und dem darauf folgenden geständnis hat Aeschinus das nachbarhaus noch nicht betreten; vorher wäre aber ein solches versprechen geradezu wahnsinnig gewesen. oder sucht Aeschinus seinen vater durch einen erdachten grund zu bereden ? woher aber dann die bereitwilligkeit und das einverständnis, womit er Demeas tollen einfall unterstützt? wenn Gröhe nun, durch diese und andere unzuträglichkeiten bewogen, die ganze unterredung über die heirat als interpolation aus dem texte ausscheiden will, so hätte er doch die anmerkung Donats zu v. 938 nicht unbeachtet lassen dürfen: apud Menandrum senex de nuptiis non gravatur, ergo Terentius sügmruxög. Die stelle hat eine doppelte auslegung erfahren"), nemlich entweder

5) selbst Lessing, der sonst an dem spiel der charaktere” in unserm act viel zu rühmen weisz (a. o. st. 99) sagt hierüber st. 100: oder blosze einfall macht uns anfangs zu lachen; wenn wir aber endlich sehen dasz es ernst damit wird, dasz sich Micio wirklich die schlinge über den kopf werfen läszt, der er mit einer einzigen ernsthaften wendung hätte ausweichen können: wahrlich, so wissen wir kaum mehr, auf wen wir ungehaltener sein sollen, ob auf den Demea oder auf den Micio."

6) Ihnes conjectur non gravatur tantopere hat schon das gegen sich, dasz ein bloszer gradunterschied des sträubens schwerlich bezeichnet werden konnte durch Terentius sögnruxög.

die: 'bei Menander sträubt sich der alle gegen die heirat nicht' (so die ausleger vor Lessing, Grauerl) oder, wie Lessing und nach ihm Meiueke will: 'bei Menander fällt man dem allen mit (in betreff) der hochzeit nicht beschwerlich.' von seilen der grammatik ist gegen keine der beiden Interpretationen etwas zu erinnern, desto mehr von seilen der äslhctik gegen die erslere. Micio sollte sich wirklich ohne kämpf dem alberneu und hinterlistigen Demea gefangen geben? er der sich als hageslolz glücklich pries (uj nampióv це, Yuvcûko: où Xanßctvuj hiesz es bei Menander), sollte sich ohne sträuben der laune seines bruders der es anders will fügen? diese heirat des Micio kann ich mir nur unter einer bedingung vorstellen, ohne meine teilnähme für Micios person auf das gröblichste verletzt zu fühlen, wenn nemlich Micio, durch das beispiel seines sohncs bekehrt, den gedanken zu heiraten von selbst und ganz aus freien stücken faszt. die auffassung der Donatischen stelle aber, gegen die ich streite, setzt unbedingt voraus, dasz bei Menander dem Micio der hciralsvorschlag gemacht worden sei. ich stimme daher unbedingt der Lessingschen auslegung bei, und halte nicht nur das sträuben des Micio, sondern die ganze heiratsangelegenheit für eine erfindung des Terenz. daher die sachlichen Widersprüche und unmöglichkeilen dieser scene, aber sind diese Widersprüche und Unmöglichkeiten gröszer als die welche wir durch den ganzen act zerstreut finden? erkennen wir nicht überall dieselbe sorglose, oberflächliche und ungeschickte hand, die sich nicht kümmert um die ganze vorhergehende composition, die sich nicht bemüht die aus den früheren acten herausragenden fäden aufzunehmen und weiter zu weben, sondern mit rohen, ungeschickten knoten an das fertige gewebe ein neues, fremdartiges anfügt?

Doch ich bin mit meiner analyse des actes noch nicht zu ende. Syrus hat seinen auftrag ausgerichtet und kommt wieder; sofort beantragt Demea seine freilassung und Syrus unterstützt den antrag mit dem auch von Demea anerkannten gründe:

ego islos vobis usque a pucris curavi ambos sedulo, docui, mortui, bene praecepi semper quae potui omnia. also auch den Ctesipho, der doch auf dem lande nach einer ganz andern méthode von seinem vater erzogen wurde?

Aber noch nicht genug der von Demea ausgehenden gnade: nun musz zuguterletzt (denn bisher haben wir davon noch nichts erfahren) Syrus auch noch eine frau haben, nur damit Demea auch sie frei bitten kann, und was wird als grund für die freilassung angegeben? ttto nepoti, huius filio, hodie prima mammam dedil hace, auch das ist nur für diesen zweck erfunden: denn wir haben weder davon gehört, noch auch die person in das nachbarhaus gehen sehen.

So hat der ganze act mit allen einzelheiten nur den zweck, dem Demea, dessen trockene strenge dem damaligen Römer allerdings wol mehr zusagen mochte als die feine griechische humanilät Micios, über seinen bruder und dessen lebensphilosophie triumphieren zu lassen, diesen zweck aber konnte nicht der Grieche Menandros, sondern nur der Römer Tcrentius haben.

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