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kenntnis, wenn wir meinen, weil Horatius bei Philippi gestanden und weil er Cato von Utica mit ehren erwähne, könne er sich für Augustus nicht wirklich begeistern. aber an den gott und gottmenschen Augustus kann doch Horatius nicht glauben und darf Horatius die jugend nicht glauben lehren! und doch trotz aller guten philosophischen bildung und schlechten aufklärung haben die Römer gerade in diesen zeiten an alles mögliche und unmögliche geglaubt; gerade durch die rhetorisch poetische erziehung und phantasiebildung war das organ des glaubens damals weit stärker entwickelt als in unseren zeiten einer wissenschaftlichen verstandesbildung, weit stärker auch als in den alten zeiten der römischen republik, wo das römische gemüt sich noch nicht mit griechischem formen- und schönheitssinne vermählt und sich dadurch verjüngt hatte, wo die römische religiosität aber schon äuszerlich erstarrt war in der kühlen luft einseitigen politischen lebens, im eisig kalten sturme der welteroberung. also Horatius kann glauben. und wenn er auch nicht glaubt, so darf er, nach römischen begriffen wenigstens, den glauben dennoch wahren und fördern, weil er ihn für gut und nützlich hält; selber erfunden hat er ihn gewis nicht.

Lassen wir also die kinder zu ihm kommen; lassen wir die tausende von knaben und mädchen in den schulen, das neue geschlecht des neuen reiches, aus den klangvollen liedern des Horatius das evangelium vernehmen, die botschaft von dem einen gotte der die welt regiert, von dem gottmenschen der die sündige menschheit erlöst, von dem heiligen geiste edlerer sitte der unsern sänger mit seinem flügel berührt hat in gestalt jener tauben, welche einst in der wildnis den eingeschlummerten knaben behüteten und seinen beruf bezeugten, ein vorläufer zu werden des christentums. verachtung der äuszeren güter, dafür herzensglück; an stelle der ehrsucht und herschsucht vielmehr gehorsam gegen gott und seinen vertreter und darin erst die wahre freiheit; statt des kriegerischen massenmutes der mut der persönlichen überzeugung, statt der einseitig politischen tugend persönliche menschentugend; für den glauben der staatskirche der glaube des herzensbedürfnisses, an stelle der engen gerechtigkeit des irdischen staates die gerechtigkeit in wahrhaft groszen buchstaben, die hoffnung auf den ausgleich in einem unsterblichen leben: das sind die neuen lieder des Horatius. SCHULPFORTE. THEODOR PLÜSS.

ERSTE ABTEILUNG

FÜR CLASSISCHE PHILOLOGIE

HERAUSGEGEBEN VON ALFRED FLECKEisen.

14.

KRITISCHE BLÄTTER VON OTTO HENSE. ERSTES HEFT. AESCHYLUS CHOEPHOREN. MISCELLEN. Halle, verlag von R. Mühlmann. 1872. 86 s. gr. 8.

In dem ersten teile dieser hrn. professor Bernhardy gewidmeten schrift behandelt der vf. zuerst s. 1-32 die parodos der Choephoren des Aeschylos. für die erste strophe und antistrophe werden die von WDindorf in seiner neuesten recension (editio quinta der poetae scenici graeci) aufgenommenen lesarten vertheidigt, wobei für beibehaltung von qóẞoc v. 32 treffend auf Ag. 1434 verwiesen wird. um aber den anstosz zu heben, den Hermann für diesen fall an πeρì φόβῳ ν. 35 genommen hat und infolge dessen er φόβος in φοῖτος änderte, will der vf. v. 35 also lesen: μυχόθεν ἔλακ ̓ ἔλακε φοβῶν. indessen abgesehen von dem flickwort eλak' erscheint es matt und unpoetisch die thätigkeit des póẞoc mit dem daraus abgezogenen φοβεῖν zu bezeichnen, nachdem schon durch ὀρθόθριξ, ὀνειρόμαντις, KÓτOV πVéшV dieser thätigkeit in drastischer weise ausdruck gegeben ist. die schwierigkeit ist somit nicht beseitigt. in der zweiten strophe hält der vf. Toiάvde für einen leichten schreibfehler' und setzt 'mit sicherheit' dafür xoâv dé. als grund wird angegeben die beziehungslosigkeit von Toιávde, 'da ja noch von keinem mittel zur beschwichtigung der toten die rede gewesen.' und doch führt sich der chor v. 23 als χοᾶν προπομπός ein. was hindert τοιάνδε mit beziehung darauf rein demonstrativ zu fassen? eine verbindungspartikel aber wird man nicht notwendig erforderlich finden, wie sie ja auch v. 66 fehlt. im folgenden wird eine neue auslegung der schwierigen und trotz aller versuche noch dunklen stelle der antistrophe v. 61-65 vorgelegt. der vf. stimmt für die letzten drei verse Heimsoeths änderung des textes bei: τὰ δ ̓ ἐν μεταιχμίῳ σκότου μένει, χρονίζοντα βρύει· τοὺς δ ̓ ἄκρατος ἔχει νύξ, gibt aber abweichend von Heimsoeth dafür folgende erklärung: 'was aber (wie es die lage der Klytämnestra ist) noch im zwielicht (zwischen dunkel und licht) verharrt, Jahrbücher für class. philol. 1874 hft. 2.

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das schwillt im zögern auf (zeitigt sich zur reife) und dann hält unermeszliche nacht sie.' wie sehr wir dem vf. in seiner polemik gegen die bereits vorhandenen erklärungen beipflichten, was er selbst bietet erscheint nicht weniger anfechtbar. wie Weil seine auslegung durch ein nirgends gerechtfertigtes 'horae momento' plausibel zu machen sucht, so schiebt oben der vf. durch Heimsoeth verführt (wiederherst. der dramen des Aeschylos s. 120) fast unvermerkt das wörtchen 'dann' ein. da aber v. 65 keinerlei anhalt bietet, seinen inhalt als folge des vorhergehenden zu fassen, und also von einer entwicklung des einen aus dem andern keine rede sein kann, so würde durch des vf. deutung dem dichter der unerträgliche widerspruch aufgezwungen werden, vom schicksal der Klytämnestra in zwei unmittelbar aufeinander folgenden versen zugleich auszusagen, dasz es im zwielicht verharre und dasz es in unermeszliche nacht gehüllt sei. dazu kommt dasz der chor bereits v. 51 ávýλioi dvópol in dem hause der herscherin gefunden hat, mithin die annahme eines zwielichts für Klytämnestras schicksal in diesem chorliede überhaupt unstatthaft erscheint. die abstufung der begriffe pάoc, μεταίχμιον σκότου, νύξ, die nach Mehlers vorgang Mnemos. VI s. 91 auch Wecklein (studien zu Aeschylos s. 154) hervorhebt, weist darauf hin mit den meisten erklärern an einer dreifachen gliederung der gedankenfolge für diese stelle festzuhalten; dazu führt auch auf den ersten blick das in v. 65 gesetzte dé; dagegen finden wir mit dem vf. Westphals erklärung (proleg. zu Aeschylos s. 103), dem sich Wecklein im wesentlichen anschlieszt, wegen der das ganze chorlied durchdringenden grundanschauung für unannehmbar. vielmehr gilt auch uns der ausdruck vú gleich avýλioi dvópoi als symbolische bezeichnung des über Klytämnestras haus hereingebrochenen verderbens. indem wir diese beziehung und zugleich die dreiteilung der gedankenfolge für die schwierige stelle festhalten und der meinung sind, dasz von dieser grundlage eine endgültige wiederherstellung des textes, wenn eine solche überhaupt möglich ist, ausgehen müsse, stehen wir der auffassung zunächst, von welcher Droysen in seiner vorzüglichen übersetzung (3e auflage 1868) ausgegangen ist.

Eine recht ansprechende conjectur gibt der vf. zu v. 71, indem er vоcoûνTι an stelle des hsl. oĭɣoντ setzt, jenes anschlieszend an das vorhergehende νόσου βρύειν. freilich kommt Scaligers θιγόντι den schriftzügen der überlieferung näher. in der metrischen reconstruction des dritten strophenpaares folgt der vf. mit recht der versabteilung des Mediceus, so dasz v. 68 und 69 wie v. 73 und 74 (Ddf.) in je drei iambische tetrapodien eingeteilt werden. für die antistrophe wird sodann folgende lesart hergestellt: Bia BaívovTeC | χερομυσῆ φόνον καθαρ-μοῖς ἔλουσαν ἂν μάταν. wir billigen die aufnahme der Scaliger-Weilschen änderung im letzten vers und finden auch die ausstoszung des artikels Tòv nach ẞaívovтec genügend begründet, bedenklich dagegen erscheint das zur ausfüllung

des metrums eingeschobene ẞía, und nicht minder steht кa@apμoîc statt καθαίροντες, fuszend auf Hermanns vorschlag καθαρcίοις, aut schwachen füszen: der vf. glaubt sich zu der annahme berechtigt, das metrum des dritten verses stehe also fest: ~

-; da aber weder παναρκέτας der strophe noch καθαίροντες der antistrophe die geforderte synkope des ersten fuszes bietet, so glaubt er beides ändern zu müssen, wobei sich noch dazu für das erstere kein ersatz bieten will. entsteht hier nicht vielmehr ein zweifel an der berechtigung jener annahme? ist zum mindesten die von Keck vermutete auflösung der ersten arsis für die dritte tetrapodie ausgeschlossen?

In der auf das chorlied folgenden anrede der Elektra an die dienerinnen hält der vf. die worte οὐδ ̓ ἔχω τί φῶ, χέουσα τόνδε πéλavov für interpoliert, so dasz die verse 91 und 92 in éinen zusammengezogen werden, die worte tí qŵ aber ihre stelle in v. 87 angewiesen erhalten für das überlieferte Túqw. über die entstehung dieser auffallenden art der interpolation erhalten wir keinen aufschlusz; auch erscheint Tí qŵ in v. 87 keineswegs an seinem platze. da Elektra drei möglichkeiten vor sich sieht und darunter auch das schweigen begriffen ist, so kann sie die erwägung derselben nicht mit den das schweigen ausschlieszenden worten Tí qŵ beginnen. Weil hat in richtiger erwägung des zusammenhangs v. 91 hinter v. 95 gestellt; wir weichen nur insofern von ihm ab, als wir die äuszerung τῶνδ ̓ οὐ πάρεστι θάρσος als antwort auf die zuletzt vorhergegangene frage beschränken. wenn aber der vf. gegen Weils argumentation anführt: wir würden dann den letzten, übrigbleibenden fall entweder überhaupt nicht mehr in form der frage oder doch mit einer abschlieszenden partikel erwarten', so musz darauf erwidert werden dasz Elektra sich bei dem chore raths erholen will, und wenn sie auch für sich zu dem resultate kommt: oud' exw Tí qŵ, doch auch der zweite fall immer noch der erwägung des chores anheimgegeben wird, also ein absoluter abschlusz keineswegs gefunden ist. die erste möglichkeit widerstrebt so sehr Elektras innerstem wesen, dasz sie sich nicht weiter dabei aufhält; für die zweite spricht ihr gefühl, aber τῶνδ ̓ οὐ πάρεστι θάρσος, wie sie ja auch v. 122 zweifelt ob solcher wunsch gottgefällig sei, und v. 118 noch einmal unschlüssig fragt Tí qŵ; dagegen erregt v. 92, welchen Weil ebenfalls mit umstellen will, den gegründeten verdacht der interpolation, da er nur den inhalt von v. 87 wiedergibt. war einmal v. 91 an falsche stelle gerathen, so war auch das die beiden ersten möglichkeiten für Elektra abschlieszende οὐδ ̓ ἔχω τί qû ohne genügende beziehung, und es konnte leicht jemand verführt werden diese worte zu vervollständigen.

Zu v. 131 schlägt der vf. øĥvóv T' vor statt qílov т', eine änderung die dem sinne der stelle durchaus entspricht und die um so überzeugender wäre, wenn der grund der verschreibung klar läge. aber auch wenn letztere wahrscheinlich würde, so vermissen wir hier, wo die schwester zum ersten male des theuren bruders gedenkt,

ungern das beiwort piloc und neigen daher mehr dem vorschlage Blomfields zu: φίλον τ ̓ Ὀρέστην πως ἄναξον ἐς δόμους. wenig glücklich ist die zu v. 199 vorgebrachte vermutung Ĕтuxe cuμπeνθῶν statt der überlieferung εἶχε συμπενθεῖν. wie Elektra für den ersten fall (wenn die locke von eines feindes haupt wäre) ganz bestimmt erklärt dieselbe zu verabscheuen, so wird sie auch für den andern fall nicht minder entschieden urteilen. deshalb meint auch der vf., durch ἔτυχε soll nicht das πενθεῖν, wol aber das cυμπενθεῖν als unsicher hingestellt werden, da 'der spender von der aussendung der Elektra und der frauen keine kunde hatte'. welch engherziger freund, der die bestimmung der locke in derartige grenzen einschlieszt! wie kann Elektra auch nur im geringsten zweifeln, dasz der verwandte, selbst wenn er nicht daran dachte dasz gerade sie die locke finden könnte, doch gleichsam a priori den wunsch einschlieszen muste, die locke möge trauern am grabe mit jedem trauernden freunde?

Den schlusz des die Choephoren betreffenden teiles der schrift bildet eine besprechung der verse 212-268, der begrüszungsscene 'der geschwister am grabe des vaters und des gebetes zu Zeus (s. 42-58). der vf. setzt mit Bothe v. 228 hinter v. 230 und gibt für die überlieferte lesart συμμέτρου τῷ τῷ κάρᾳ eine ansprechende vermutung συμμετρούμενον κάρα. mit recht wird auch Rossbachs versetzung der verse 235-237 (w píλtatov μéλnua usw.) nach ν. 243 (ἐμοὶ σέβας φέρων) als durch den zusammenhang begründet anerkannt. dagegen können wir der änderung in v. 236 спéрμatoc Σωτηρία (s. 57) an stelle des hsl. σπέρματος σωτηρίου nicht beistimmen. wenn wir den vf, recht verstehen, wäre Créρμα im eigentlichen sinne zu nehmen, aber nach den ausdrücken eines unmittelbaren gefühls: ὦ φίλτατον μέλημα, δακρυτὸς ἐλπίς will solch nüchterne, der reflexion zugehörige anrede спéρμаtoc cwτηpíα nicht erträglich erscheinen. inwiefern in v. 238 ávaɣкaîóv c' ouŵc, wie der vf. vorschlägt (s. 58), der überlieferung άvarkaiwc exov ungleich näher komme als Priens vorschlag ἀναγκαῖόν c νῦν, ist kaum ersichtlich; auch können wir die so entstehende schwierigkeit in der construction für keine empfehlung halten. im übrigen dreht sich die kritische auseinandersetzung dieses abschnittes um die frage der responsion der einzelnen teile nach bestimmten zahlenverhältnissen. der vf. verwirft entschieden den künstlichen versuch Weils und gelangt sodann durch eine von der responsionstheorie zunächst ganz absehende untersuchung' zur aufstellung folgender zahlenverhältnisse für den ganzen abschnitt (s. 54):

2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1992 99 5,

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welchen zahlen noch folgende empfehlung mitgegeben wird: 'diese so ungesucht sich ergebenden syzygien wird kein verständiger als zufällig bei seite legen, im gegenteil, wir dürfen darin die unbedingte gewähr der richtigkeit unserer verteilung erblicken.' haben

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