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Englische Lustspieldichter.

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I

Ursprung und Fortgang der Schauspiele überhaupt, und besonders des Tuftspiels, bei den Engländern.

Der Ursprung der Schauspiele in England lässt sich bis ing eilfte Jahrhundert zurück führen. Wenigstens waren im zwölften die geistlichen Schauspiele, die auch hier Mysteries, hießen, schon sehr gangbar; und von diesen giebt es noch jezt verschiedne Ueberreste. Wie es scheint, wurden dergleis chen Vorstellungen von den Norniåṇnern, bald nach ihrer Eroberung Englands, eingeführt. Für das erste Stück dies fer Art hålt Warton The Miracles of Ste. Catherine, wels ches einen gebornen Normann Geoffroi, der Abt zu St, Albons war, zum Urheber hatte. Der Name Miracles war diesen Vorstellungen überhaupt gewöhnlich, weil Wuns der und Legenden der Heiligen ihren Inhalt auszumachen pflegten. Sie erhielten sich auch in England lange, und waren noch zu Anfange des sechszehnten Jahrhunderts noch nicht ganz abgeschafft. Selbst die Kirchenverbesserung scheint fie nicht völlig abgestellt zu haben.

Da in diesen Mysterien häufig die Borstellung allegoi rischer Personen vorkam, und z. B. Sünde, Tod, Glaube, Liebe und dergl. als spielende Perfonon darin auftraten; fo kengen allmählich die noch sehr ungebildeten Schauspieldichs

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ter der damaligen Zeiten an, ganze Stücke von solcher alles gorischer Art zu verfertigen, die auch hier, gleich denen in Frankreich, Moral Plays, oder Moralities, genannt wurs den. Die Mysterien waren ohne alle Kunst, und behielten alle historische Umstånde unverändert so bei, wie sie in der Bibel vorkommen. In den Moralitåten hingegen erlayste man sich schon mehr eigne Erfindung, und man findet darin wenigstens schon einige rohe Umrisse dramatischer Kunst; sie haben schon eine Art von Fabel oder Knoten, und selbst einige Schilderungen der Sitten und Charaktere. Tbomes Hawkins hat einige derselben in seinem, aus drei Bånden bestehenden Werke, The Origin of the English Drama, der Långe nach abdrucken lassen. Das erste derselben heisst Every Man, oder Jedermann, und wurde während der ersten Regierungsjahre K. Heinrichs VIII. verfertigt. Der Inhalt dieses Stücks ist die Abfoderung des Menschen aus der Welt durch den Tod; und die Moral, daß ihm alsdann nichts zu Statten kommen kann, als ein wohl zugebrachtes Leben, und der Trost der Religion. Das zweite Stück dier fer Art heifft Hycke - Scorner, und es wird darin ein Mann, der viele Reisen gethan hat, als Spötter über Tugend und Frömmigkeit eingeführt, aber durch die allegorischen Persos nen, Mitleid Nachdenken und Beharrlichkeit, auf andre Gedanken gebracht. In dem dritten, welches Interlude, oder zwischenspiel, und Lufty Juventus, Jugendluft, bes titelt, und unter der Regierung Eduards VI. geschrieben ist,, werden die Thorheiten und üppigen Lüfte der Jugend darges ftellt. Der verführte Jüngling wird am Ende durch vers nünftige Rathgeber wieder auf die Bahn der Tugend geleis tet. Uebrigens waren diese moralischen Schauspiele zugleich auch zur Belustigung, und nicht bloß zur sittlichen Belehs rurg, der Zuschauer bestimmt; sie hatten daher auch meht Fentheils eine komische Wendung, und bahnten dadurch den Uebergang zum eigentlichen Lustspiele, welches in England,

wie es scheint, früher als das Trauerspiel, entstand. Es gàb aber ausserdem noch in den frühern Zeitens eine gemischtè Gattung von Schauspielen, die Tragikomödien hießen, und eine, den Engländern noch mehr eigenthümliche Art, die sos genannten Histories oder Hiftorical Plays, in welchen man, wie in den Mysterien, dem Faden der Geschichte treulich nachgieng. Wie man weiß, war diese Gattung noch zu Shakspeare's Zeiten gewöhnlich.

4. Es finden sich indeß Spuren, daß weltliche Schauspiele, die schlechthin Plays hießen, und eine Art von Possenspielen waren, schon zu Anfange des dreizehnten Jahrhunderts in England im Schwange giengen. - Wenigstens gab es in der ersten Hälfte des vierzehnten schon eine Schauspielergesells schaft, deren Mitglieder sich Kagrants nannten, und wegen ihrer zu ärgerlichen und anstößigen Vorstellungen straffållig wurden. Man weiß jedoch nichts von der eigentlichen Be schaffenheit derselben; und der ålteste Schauspieldichter, der aus noch übrig gebliebenen Stücken, die den Namen der Komödien führten, bekannt ist, war John Heywood, der im J. 1565 starb *). Seine Schauspiele sind indeß nur eine Art von poetischen Dialogen, ohne eigentlichè dramatis sche Handlung und Intrigue. Als das älteste eigentliche Lustspiel ist Gammer Gurton's Needle anzusehen, welches im J. 1551 geschrieben wurde; und zufolge des Titels by Mr. S. Mafter of Arts Berfertigt war. Es wurde im Christ's Collegium zu Cambridge züerst auf die Bühnë gebracht, und ist sowohl in der angeführten Sammlung von Hawkin's, als in Dodsley's, aus zwölf Bånden bestehenden, Samm lung alter englischer Schauspiele, wieder abgedruckt wordėti. So unbedeutend Stoff und Handlung dieses Stücks find, so fehlt es demselben doch nicht an komischer und satirischer Lebi Haftigs

*) G. von ihm Warton's History of English Poetry, Vol. II, Sect. XXIV,

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Haftigkeit. ~~Ueberhaupt wurden alle damalige Schauføtéle, selbst die von der heroischen und tragischen è attung, mit den Possen und Schwånken ekner lustigen Person untermischt, die Vice, oder das personificirte Lester hieß, und hernach, wie in den shakspearischen Stücken, Clown, und späterhin Punch, genannt wurde.

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Unter der Regierung der Königin Elisabeth erhielt die englische Schaubühne, die sich einer regelmäßigern Form immer mehr näherte, nicht wenig Aufnahme und Ermunter rung. Es wurde gewöhnlich, an hohen Festen, besonders zur Weihnachtszeit, in den Häusern und Landsißen der Vors nehmern Schauspiele zu geben; und es bildeten sich nach und nach förmliche Gesellschaften von Schauspielern, die an fänglich von einem Orte zum andern umherzogen. Von dem Zustande der englischen Schaubühne zu Shakspeare's Zeiten Habe ich anderswo umständlich gehandelt *). Bu Anfange des siebenzehnten Jahrhunderts gab es in London nicht wes niger als siebenzehn öffentliche Schauplähe. Bis zur Mitte dieses Jahrhunderts war die Bühne dort in vollem Glanze, und der Hof gab ihr nicht wenig Ermunterung. Sie litt aber gar sehr durch die nun eintretenden bürgerlichen Unrus hen. Auch hatte die übertriebene Strenge und Frommelet der sogenannten Puritaner sehr nachtheiligen Einfluß auf ihren Fortgang; vbgleich nach der Restauration verschiedne neue Schauspielergesellschaften entstanden. Sir William Davenant trug dazu das Meiste bei. Durch ihn wurden. auch die Schauspielerinnen eingeführt, da vorher die weib lichen Rollen durch Knaben gespielt wären. Durch ihn. wurtz den auch die sogenannten dramatischen Opern in Gang ges bracht. Zu Ausgange des gedachten Jahrhunderts unters schied sich vornehmlich die von Betterton und andern unters

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*) Ueber W. Shakspeare, (Sürich, 1787. 8.) Abschn. V. S. 213 ff.

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nominere Gesellschaft, und das Theater in Tennis, Court; in Lincolns - inn- fields zu Lendon, welches im J. 1695 mit Congreve's Love for Love eröffnet würde. Dieser Dichter erhielt hernach zugleich mit Vanbrugh die Erlaubniß von der Königin Anne, eine neue Bühne auf dem Heumarkt (Hay-Market) zu eröffnen, und als sie damit nicht sonders lich glücklich waren, wurde dieß Theater von Gwen Swiney übernommen. Früher schon war der berühmte Schauplaş in Drurylanc errichtet, zu welchem hernach noch das dritte in Covent garden hinzukam. Lacy und Garrië wurden im 3. 1747 gemeinschaftliche Unternehmer des erstern, so wie Rich der Eigenthümer des letztern dieser beiden Thear ter; und das auf dem Haymarket dirigirte Cibber, und in der Folge der berühmte Schauspieler Foote, bis es im J. 1776 Hrn. Colman zu Theil wurde. Das in Drurylane wurde zu eben der Zeit an Linley abgetreten, mit dem Shes riden in Verbindung trat.

Der Lustspielbichter gab es in England, bei diesen güns ftigen Fortschritten der Schaubühne, eine zahlreiche Mens ge *). Hier nur von den merkwürdigsten derselben.

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William Shakspeare, geb. 1564, gest. 1616, hat jul èntschiedne und zu bekannte Verdienste um die englische Bühne, und um die Schauspielkunft überhaupt, als daß es hier einer weitläuftigen Entwickelung und Aufzählung der felben bedürfte. Gewöhnlich hält man ihn für einen weif größern tragischen, als komischen Dichter; aber man ist uns gerecht

*) Ein fast vollständiges Verzeichniß derselben s. in der neuesten Ausg. von Sulzer's Allg. Theorie, Art. Comedie,

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