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über ihr munteres Wesen gefreut79; wird sie uns doch früh genug verlassen müssen." -,,Nein, ich will hier bleiben," sagte Marie, ,,denn hier ist es schön; auch finde ich hier das beste Spielzeug und dazu Erdbeeren und Kirschen; draußen ist es nicht so herrlich.“

Die goldbekleidete Frau entfernte sich lächelnd, und viele von den Kindern sprangen jetzt um die fröhliche Marie mit Lachen her, neckten sie und ermunterten sie zu Tänzen; andere brachten ihr Lämmer oder wunderbares Spielgeräth; andere machten auf Instrumenten Musik und sangen dazu. Am liebsten aber hielt sie sich zu der Gespielinn80, die ihr zuerst entgegen gegangen war, denn sie war die freundlichste und holdseligste von allen. Die kleine Marie rief einmal über das anderes1: „Ich will immer bei euch bleiben, und ihr sollt meine Schwestern sein," worüber82 alle Kinder lachten und sie umarmten.

Jest wollen wir ein schönes Spiel machen," sagte Zerina. Sie lief eilig in den Palast und kam mit einem goldenen Schächtelchen zurück, in welchem sich glänzender Samenstaub befand83. Sie faßte hinein mit den kleinen Fingern und streute einige Körner auf den grünen Boden. Alsbald sah man das Gras wie in Wegen rauschen, und nach wenigen Augenblicken schlugen85 glänzende Rosengebüsche aus der Erde, wuchsen schnell empor86 und entfalteten sich plößlich, indem der süßeste Wohlgeruch den Raum erfüllte. Auch Marie faßte von dem Staube87, und als sie ihn ausgestreut hatte, tauchten88 weiße Lilien und die buntesten Nelken hervor88. Auf einen Wink Zerina's verschwanden89 die Blumen wieder und andere erschienen an ihrer Stelle.

Ludwig Tied.

about, &c. 79 And you have often yourself been delighted with her sprightliness of demeanour (muntres Wesen); at any rate (doch), she will be obliged to leave us quite soon enough (früh genug). 80 But she was fondest of the society of her playmate, lit. she adhered to her most willingly (am liebsten), who first had gone to meet her (entgegen gegangen war). 81 Einmal über das andere, again and again. 82 At which. 83 Sich befand, there was. 84 She took hold

of (the pollen) within (faßte hinein) with her little fingers. 85 Schlugen aus der Erde, sprouted, sprung up out of the ground. 86 Emporwachsen, to grow up. 87 Took some of the pollen. 88 Hervortauchen, to emerge, come forth, schwinden, to vanish. 90 Erscheinen, to appear.

89 Ver

Vierter Abschnitt.

1. Abschied vom Leben1.

Sonnett.

Die Wunde brennt; die bleichen Lippen beben.
Ich fühl's an meines Herzens matterm Schlage2,
Hier steh' ich an den Marken meiner Tage.
Gott, wie du willst! Dir hab' ich mich ergeben.

Viel gold'ne Bilder sah ich um mich schweben;
Das schöne Traumbild wird zur3 Todtenklage.
Muth! Muth! - Was ich so treu im Herzen trage,
Das muß ja doch dort ewig mit mir leben!

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Und was ich hier als Heiligthum erkannte,
Wofür ich rasch und jugendlich entbrannte,
Ob ich's nun Freiheit, ob ich's Liebe nannte":

Als lichten Seraph seh' ich's vor mir stehen;
Und wie die Sinnes langsam mir vergeben,
Trägt mich ein Hauch zu morgenrothen Höhen.

Theodor Körner.

1.

1 This sonnet has usually appended to its title "Farewell to Life:" "When, severely wounded, I was lying in a forest, helpless and in expectation of death." 2 An meines Herzens matterm Schlag, by the fainter beating of my heart. 3 Wird zur, becomes, is changed into. 4 Das muß ja doch, that surely must; dort, yonder, i. e. in another world, beyond the grave. 5 Als Hei= ligthum, as sacred. The more common signification of the word is sanctua

ry. For which (wofür) I glowed with youthful and impatient ardour, lit impatiently and youthfully. Supply oder, or: whether I named it liberty or (whether I named it) love. • Und wie die Sinne... mir, as my senses.

2. An den Unsichtbaren.

Du, den wir suchen auf so finstern Wegen,
Mit forschenden Gedanken nicht erfassen1,
Du hast dein heilig Dunkel einst verlassen
Und tratest sichtbar deinem Volf entgegen2.
Welch süßes Heil, dein Bild sich einzuprägen3,
Die Worte deines Mundes aufzufassen !
Oselig, die an deinem Mahle saßen!
Oselig, der an deiner Brust gelegen!

D'rum war es auch kein seltsames Gelüstes,
Wenn Pilger ohne Zahl vom Lande stießen,
Wenn Heere kämpften an der fernsten Küste,
Nur um an deinem Grabe noch zu beten?,
Und um in frommer Inbrunst noch zu küssen
Die heil'ge Erde, die dein Fuß betreten.

Ludwig Uhland.

3. Der Himmel ein Brief.
Der Himmel ist, in Gottes Hand gehalten,
Ein großer Brief von azurblauem Grunde,
Der seine Farbe hielt1 bis diese Stunde,
Und bis an der Welt Ende sie wird halten.
In diesem großen Briefe ist enthalten
Geheimnisvolle Schrift aus Gottes Munde;
Allein3 die Sonne ist darauf das runde
Glanzsiegel, das den Brief nicht läßt entfalten1.

2.

1 The relative (den) of the first line belongs also to the second: whom with searching thoughts we do not comprehend. 2 Tratest entgegen, didst go to meet. 3 Sich einzuprägen, to imprint upon one's mind. 4 Those who. The antecedent and the relative are in German often merged into one word; so in the next line der is for derjenige, welcher, he who; an deiner Brust gelegen, leaned against thy bosom, referring to St. John. 5 And therefore it was no strange desire (odd fancy). 6 Vom Lande stoßen, to set sail. 7 Um zu beten, in order to pray. 8 Supply hatte, had trodden, walked upon.

Wenn nun die Nacht das Siegel nimmt5 vom Briefe,
Dann lies't das Auge dort in tausend Zügen
Nichts als nur eine greße Hieroglyphe:

Gott ist die Lieb', und Liebe kann nicht lügen !
Nichts als dies Wort, doch das von solcher Tiefe,
Daß Niemand es auslegen kann zur Gnügen?.
Friedrich Rückert.

4. Musif.

Ich bin ein Engel, Menschenkind, das wisse,
Mein Flügelpaar klingt in dem Morgenlichte,
Den grünen Wald erfreut mein Angesichte1,
Das Nachtigallenchor gibt seine Grüße.

Wem ich der Sterblichen2 die Lippe küsse,
Dem3 tönt die Welt ein göttliches Gedichte;
Wald, Wasser, Feld und Luft spricht ihm Geschichte,
Im Herzen rinnen Paradiesesflüsse.

3.

1 Der seine Farbe hielt, which kept its colour. 2 Bis an, till or to, is stronger than the simple bis. 3 But. The German language has three conjunctions which are rendered in English by but; viz. aber, allein, and sondern. „Aber denotes the limitation of an antecedent by the consequent in the most indefinite way, and only implies that the consequent is different from what is comprehended in the antecedent, e. g. er spricht deutsch, aber nicht geläufig, he speaks German, but not fluently. Allein, on the other hand, expresses a decided negation of what might be inferred from the antecedent, [as in this case a negation of the possibility of deciphering the contents of the letter, which might be inferred from the preceding sentence.] Sondern is only employed after a negation in the antecedent."-BECKER. See also Gr. p. 18. 4 Which does not let the letter be unfolded. 5 3d pers. sing. pres. ind. of nehmen; lies't, the same, from lesen. Nichts als, nothing but. 7 Zur Gnügen, sufficiently, to satisfaction.

4.

1 My countenance gladdens the green wood. The inversion of this sentence would in English only be possible by making the verb passive: the green wood is gladdened by my countenance. 2 Wem der Sterblichen, lit. to whom of mortals, i. e. to whatsoever mortal.

3 Dem is the correlative of

Die ew'ge Liebe, welche nie vergangen,
Erscheint ihm im Triumph auf allen Wogen;
Er nimmt den Tönen ihre dunkle Hülle.

Da regt sich, schlägt in Jubel auf die Stille,
Zur spiel'nden Glorie wird der Himmelsbogen :
Der Trunk'ne hört, was alle Engel fangen.

Ludwig Tied.

5. Des Fischers Haus1.

Ballade.

Sein Haus hat der Fischer gebaut,
Es stehet dicht an2 den Wellen;
In der blauen Fluth sich's beschaut,
Als spräch' es3: wer kann mich fällen?

Die Mauern, die1 sind so dicht,

Voll Korn und Wein sind die Räume;

Ess zittert das Sonnenlicht

Herunter durch Blüthenbäume.

wem: to him the world is as (lit. sounds) a god-like poem (ein göttliches Ge= dichte). * Supply ist, lit. which never has failed, i. e. always is unchanging. 5 He divests the tones (nimmt den Tönen) of their dark veil, i. e. he penetrates into their significancy. 6 Then silence (itself) is roused (die Stille regt sich), and breaks forth into shouts of joy (schlägt in Jubel auf), the arch of heaven (der Himmelsbogen) becomes an echoing glory (wird zur spiel'nden Glorie). 7 The enraptured mortal.

5.

The incident on which this ballad is based is mentioned by the author himself in his book „der Bodensee nebst dem Rheinthale“ (The Lake of Constance and the Valley of the Rhine). “In the year 1692, during a heavy gale and an almost imperceptible earthquake, the shore at Gottlieben (a place in the canton of Thurgovia) for a distance of three leagues, together with four houses, was swallowed up by the lake (of Constance). The general belief was, that it had been undermined by carps and trout." 2 Dicht an, close to. 3 As if it would say. * Demonstrative, they. Exple

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