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"Gegrüßet seid mirs, edle Herrn,
Gegrüßt ihr, schöne Damen!

Welch reicher Himmel! Stern bei Stern!
Wer kennet ihre Namen?

Im Saal vell® Pracht und Herrlichkeit
Schließt, Augen, euch7; hier ist nicht Zeit,
Sich staunend zu ergößen."

Der Sänger drückt die Augen eino
Und schlug in vollen Tönen1o;
Die Ritter schauten muthig drein",
Und in den Schooß die Schönen.
Der König, dem das Lied gefiel12,
Ließ13, ihn zu ehren für das Spiel,
Eine goldne Kette reichen13.

"Die goldne Kette gib14 mir nicht,
Die Kette gib den Rittern,
Vor deren kühnem Angesicht15
Der Feinde Lanzen splittern;
Gib sie dem Kanzler, den du hast,
Und laß ihn noch die goldne Last
Zu andern Lasten tragen.

27.

1 This piece is likewise from Wilhelm Meister's Apprenticeship, book ii. chap. ii. 2 Laufen, to hie, run. 3 The boy (i. e. the page) came (back to announce the singer). The sentences in this ballad are very concise and elliptical. The poet gives us only the general outlines of the event, and leaves the rest to be supplied by the reader's own imagination. This boldness of transition from one thought to another, and brevity of expression, constitute the prominent characteristics of ballad-style generally. HereinLassen, to let in, bring in; den Alten, lit. the old man, the gray-haired minstrel. Gegrüßet seid mir, God bless you, hail! Full of, Gr. p. 418, § 73. 7Schließt, Augen, euch, be closed, mine eyes, lit. close yourselves. 8 Sich staunend zu ergößen, lit. to amuse one's self wondering, i. e. to gaze in idle wonder. 9 Eindrücken, to shut, 10 Lit. and struck in full tones, i. e. struck (touched) his fulltoned harp. 11 The knights sat with valour-kindled look (schauten muthig drein); and with downcast eye (und in den Schooß, lit. into the lap) the fair 12 Gefallen, to please; who was pleased with the song. 13 Ließ... rei= chen, ordered to be reached, given. 14 Geben, to give. 15 Before whose bold

5

ones.

Ich singe, wie der Vogel singt,
Der in den Zweigen wohnet ;

Das Lied, das aus der Kehle dringt16,
Ist Lohn, der reichlich lohnet.

Doch darf ich bitten17, bitt ich eins :

Laßt mir den besten Becher Weins
In purem Golde reichen.“

Er seht' ihn an18, er trank ihn aus19;
„O Trank volle süßer Labe!

wohl20 dem hochbeglückten Haus,
Wo das ist kleine Gabe!

Ergeht's21 euch wohl, so denkt an mich,
Und danket Gott so warm, als ich
Für diesen Trunk euch danke."

Göthe.

countenance, warrior front, the enemies lances shiver (der Feinde Lanzen splittern). 16 Das aus der Kehle dringt, which flows (lit. presses) from my heart; Reble properly is throat, and fig. voice; here the English idiom requires heart or breast. 17 Darf ich bitten for wenn ich bitten darf, if I may ask a favour. 18 Ansehen, to put to one's lips; ihn refers to Becher. 19 Austrinken, to drain, drink all. 20 Happy. 21 For wenn es euch wohl ergeht, if you fare well, if all goes well; so denkt an mich, then think of me.

Dritter Abschnitt.

1. Aschen puttel,

ein Märchen.

I.

Einem reichen Manne, dem wurde seine Frau krank1, und als sie fühlte, daß ihr Ende herankam2, rief sie ihr einziges Töchterlein zu sich ans Bett3 und sprach: "Liebes Kind, bleib' fromm und gut, so wird dir der liebe Gott1 immer beistehen, und ich will vom Himmel auf dich herabblicken und will um dich sein.“ Darauf thats sie die Augen zu und verschiedo. Das Mädchen ging jeden Tag hinaus zu dem Grabe der Mutter und weinete und blieb fromm und gut. Der Schnee aber deckte ein weißes Tüchlein auf das Grab, und als die Sonne es wieder herabgezogen hatte, nahm sich der Mann eine andere Frau3.

Die Mutter hatte zwei Töchter mit ins Haus gebracht, die schön und weiß von Angesicht waren, aber garstig und schwarz

1.

This and the following three Märchen (tales, stories) are here inserted for the purpose of familiarizing the student with the familiar language of life. The Kinder- und Hausmärchen of the Brothers Grimm, from which they are selected, are traditionary tales (many of them evidently of a very ancient date) orally transmitted from generation to generation, and first collected and published in 1812-1814. Though the offspring of a capricious imagination, yet they possess all the beauty and freshness of life itself, and never fail to produce interest and delight. The editors (Wilhelm und Jakob Grimm) are two scholars, who, in a critical knowledge of the German language in all its modifications and dialects, and its relation to kindred languages, have not their equals.-To one who wishes to master conversational German, no book so simple in construction, so rich in idioms, and at the same time so amusing in its matter, could be recommended.

1 A rich man's wife was taken sick. 2 Was approaching. 3 Zu sich ans Bett, to her bedside. 4 Der liebe Gott, simply: God. 5 Zuthun, to close. Verscheiden, to expire. 7 Herabziehen, to take off. 8 Nahm sich der Manr

von Herzen. Da ging1o eine schlimme Zeit für das arme Stiefkind an10. „Was soll das Geschöpf in den Stuben," sprach sie, „wer Brod essen will, muß es verdienen; hinaus mit der Küchenmagd!" Sie nahmen ihm seine schönen Kleider weg", zegen12 ihm einen grauen alten Kittel an12, lachten es dann aus13 und führten es in die Küche. Da mußte es14 so schwere Arbeit thun, früh vor Tag aufstehen, Wasser tragen, Feuer anmachen, kochen und waschen. Obendrein thaten ihm die Schwestern alles ersinnliche Herzeleid an15, verspotteten es und schütteten ihm Erbsen und Linsen in die Asche, so daß es sißen und sie wieder auslesen mußte. Abends16, wenn es sich müde gearbeitet hatte, kam es in kein Bett, sondern mußte sich neben den Herd in die Asche legen. Und weil es darum1 immer staubig und schmußig aussah18, nannten19 sie es As chen puttel.

"

Es trug sich zu20, daß der Vater einmal in die Messe ziehen wollte, da fragte er die beiden Stieftöchter, was er ihnen mitbringen sollte? "Schöne Kleider," sagte die eine; „Perlen und Edelsteine," die zweite. Aber du, Aschenputtel," sprach er, „was willst du haben?". 11-11 „Vater, das erste Reis, das euch auf eurem Heimweg an den Hut stößt21, das brecht für mich ab." Er kaufte nun für die beiden Stiefschwestern schöne Kleider, Perlen und Edelsteine, und auf dem Rückweg, als er durch einen grünen Busch ritt, streifte ihn ein Hafelreis und stieß22 ihm den Hut ab22. Da brach23 er das Reis ab23 und nahm es mit. Als er nach Haus kam, gab er den Stieftöchtern, was sie sich gewünscht hatten, und dem Aschenputtel gab er das Reis von dem Haselbusch. Aschenputtel dankte ihm, ging zu seiner Mutter Grab und pflanzte das Reis darauf, und weinte so sehr, daß es von seinen

eine andre Frau, the man took another woman to wife. 9 Bringen, to bring. 10 Angehen, to begin. 11 Wegnehmen, to take away. 12 Anziehen, to put on. 13 Auslachen, to laugh at, to jeer; es, her, referring to Kind or Mädchen, which are neuter. 14 Da mußte es, there she was obliged. 15 Thaten ihm alles ersinnliche Herzeleid an, would annoy her in all sorts of ways. evening; Gr. p. 405, § 51, 2d. 17 On that account. 18 Aussehen, to look, appear. 19 Nennen, to call. 20 Sich zutragen, to happen, come to pass; in die Messe, to a fair. 21 Das euch . . . an den Hut stößt, which strikes you against

the hat.

16 In the

22 Abstoßen, to push off. 23 Abbrechen, to break off; und nahm es

Thränen begossen24 ward. Es wuchs25 aber und ward ein schöner Baum. Aschenputtel ging alle Tage dreimal darunter26, weinete und betete, und allemal kam ein Vöglein auf den Baum, und das Vöglein warf ihm herab, was es sich nur wünschte27.

II.

Es begab sich aber28, daß der König ein Fest anstellte, das drei Tage dauern sollte29, und wozu alle schönen Jungfrauen im Lande eingeladen wurden, damit sich sein Sohn eine Braut aussuchen möchte. Die drei Stiefschwestern, als sie hörten, daß sie auch dabei erscheinen sollten30, waren guter Dinge, riefen Aschenputtel und sprachen: „Kämm' uns die31 Haare, bürste uns die Schuhe, mache uns die Schnallen fest, wir gehen zur Hochzeit, auf des Königs Schloß." Aschenputtel gehorchte, weinte aber, weil es auch gern zum Tanz gegangen wär'32, und bat33 die Stiefmutter, sie möchte es ihm erlauben34. „Du Aschenputtel, voll Staub und Schmut," sprach sie, du willst zur Hochzeit und hast keine Kleider, willst tanzen und hast keine Schuhe!" Als es noch weiter bat35, sprach sie endlich: „Da habe ich dir eine Schüßsel Linsen36 in die Asche geschüttet, und wenn du die Linsen in zwei Stunden wieder ausgelesen hast3⁄47, so sollst du mitgehen.“ Das Mädchen ging durch die Hinterthüre nach dem Garten und rief: Ihr zahmen Täubchen, ihr Turteltäubchen, all ihr Vöglein unter dem Himmel, fommt und helft mir lesen13,

last.

mit, and took it with him. 24 Begießen, to irrigate, moisten. 25 Wachsen, to grow. 26 Darunter, under it. 27 And the little bird would throw her down (warf ihm herab), whatever she desired. When the imperfect is employed to express habitual action, it may be rendered by would with the infinitive: Aschenputtel would go under it thrice every day, would weep and pray, and every time a little bird would come, &c. 28 But it came to pass; sich begeben is equivalent to sich zutragen, above. 29 Das... dauern sollte, which was to 30 Daß sie auch erscheinen sollten, that they also were expected to be present; waren guter Dinge, were of good cheer. 31 Our; uns, for us, dat. 32 Weil es auch gern. . . mitgegangen wäre, because she too wanted to go with them to the dance. 33 Bitten, to ask, entreat. 34 (That) she would give her permission. 35 Als es weiter bat, when she continued to beg. 36 Eine Schüssel Linsen, a bowl of lentils, see Gr. p. 147, r. I. 37 Und wenn du . . . ausgelesen hast, when you have picked out. 38 The good ones, i. e. seeds, (you must put) into the pot (ins Töpfchen), the poor ones you may eat (ins Kröpfchen, lit. into

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