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tauscht."-,,Und das Schwein?",,Das bab' ich für eine Kuh gekriegt."—,,Und die Kuh?" „Die hab' ich für eir: Pferd bekommen."-,,Und das Pferd?"-,,Dafür hab' ich einen Klumpen Gold, so groß als mein Kopf, gegeben.“ — „Und das Gold?" „Ei, das war mein Lohn für sieben Jahre Dienst." „Ihr habt euch jederzeit zu helfen gewußt,“ sprach der Schleifer,,,könnt ihr's92 nun dahin bringen, daß ihr das Geld in der Tasche springen hört, wenn ihr aufsteht, so habt ihr euer Glück gemacht.” — „Wie soll ich das anfangen ?“ sprach Hans. — "Jhr müßt ein Schleifer werden wie ich; dazu gehört eigentlich nichts als ein Wetzstein, das Andere findet sich schon von selbs93. Da hab' ich einen, der ist schon ein wenig schadhaft, dafür94 sollt ihr mir aber auch weiter nichts als eure Gans geben; wollt ihr das ?“ — „Wie könnt ihr noch fragen," antwortete Hans, „ich werde ja zum95 glücklichsten Menschen auf Erden; habe ich96 Geld, so oft ich in die Tasche greife, was brauche ich da zu sorgen?" und reichte ihm die Gans hin. "Nun," sprach der Schleifer und hob97 einen gewöhnlichen schweren Feldstein, der neben ihm lag, auf97, „da habt ihr noch einen tüchtigen Stein dazu98, auf dem sich's gut schlagen läßt99 und ihr eure alten Nägel gerade klopfen könnt100. Nehmt ihn und hebt ihn ordentlich auf.“

Hans lud den Stein auf101 und ging mit vergnügtem Herzen weiter, seine Augen leuchteten vor Freude und er sprach für sich: "Ich muß in einer Glückshaut geboren sein102; alles, was ich wünsche, trifft103 mir ein wie ein Sonntagskind." Indessen, weil er seit Tagesanbruch auf den Beinen gewesen war104, begann er müde zu werden; auch plagte ihn der Hunger, da105 er

of good here. 91 Puts his hand into his pocket (in die Tasche greift). 92 Supply if: if you now can succeed so far (es dahin bringen) as (to be able) to hear the money jingle in your pocket (daß ihr das Geld in der Tasche springen hört). 93 Das Audere findet sich schon von selbst, the rest is easily learned, comes as a matter of course. 94 For which, however (aber), you shall give me (sollt ihr mir geben) nothing more (auch weiter nichts). 95 Ich werde ja zum, for I be96 Supply if. 97 Aufheben, to pick up. 98 Into the bargain. 99 It will be good to hammer on. 100 Gerade klopfen könnt, can straighten; nehmt hin, take it; aufheben, to preserve. 101 Lud auf (aufladen), charged himself with, took up. 102 I must have been born under lucky stars, lit. in a lucky skin. 103 Eintreffen, to be fulfilled, realized. 104 Auf den Beinen gewesen war, had

come.

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allen Vorrath auf einmal in der Freude über die verhandelte Kuh aufgezehrt hatte. Er konnte endlich nur mit Mühe weiter gehen ind mußte jeden Augenblick Halt machen; dabei106 drückten ihn die Steine ganz erbärmlich. Da konnte er sich des Gedankens nicht erwehren107, wie gut es wäre, wenn er sie gerade jeßt1o nicht zu tragen brauchte. Wie eine Schnecke kam er zu einem Feldbrunnen geschlichen109, da wollte er ruhen und sich mit einem frischen Trunk laben; damit er aber die Steine im Niedersehen110 nicht beschädigte, legte er sie bedächtig neben sich an den Rand des Brunnens. Darauf drehte er sich und wollte sich zum Trinken bücken; da versah er's111, stieß112 ein klein wenig an, und beide Steine plumpten hinab. Hans sprang vor Freuden auf, kniete dann nieder und dankte Gott mit Thränen in den Augen, daß er ihm auch diese Gnade erwiesen113 und auf eine so gute Art von den Steinen befreit, das sei das Einzige114, was ihm noch zu sei nem Glück gefehlt habe. „Sv glücklich wie ich,“ rief er aus, "gibt es keinen Menschen unter der Sonne." Mit leichtem Herzen und frei von aller Last sprang er nun, bis er daheim bei seiner Mutter war.

Gebrüder Grimm.

5. Gastfreundschaft.

Erzählung.

Als ich eines Tages am Ufer des Inn durch das Engadinthal1 wanderte und von der Nacht überrascht wurde, kehrte2 ich in dem Hause eines Bauern ein, das in kleiner Entfernung vom Ufer des Flusses im Schuße eines Felsens lag, von beiden Seiten durch

been on his feet. 105 Da er... aufgezehrt hatte, since he had consumed. 106 Moreover, besides. 107 Sich des Gedankens nicht erwehren, not resist the thought. 108 Gerade jezt, just now; sie refers to die Steine. 109 Kam er ge= schlichen, lit. he came sneaking, i. e. he jogged slowly. 110 Im Niedersehen, whilst putting them down. Da versah er's, lit. then he missed it, may be rendered simply, inadvertently. 112 Anstoßen, to stumble against; ein klein wenig, very slightly. 113 Daß er ihm erwiesen (habe), that he had showed him, for having shown him ; und befreit, and for having delivered him; auf eine so gute Art, so happily. 114 Das sei das Einzige, (stating) that this was the only thing which had been wanting to him (das ihm noch gefehlt habe); zu seinem Glück to (complete) his happiness.

uralte Nußbäume beschattet, die rund um3 bis an die Zweige hins auf mit üppigem Epheu umspennen waren. Vor dem Hause breitete sich der reinliche Hofraum aus, in dessen Hintergrunde eine dichte Laube von Weinreben beinahe die ganze Vorderwand des einstöckigen Hauses einnahm3. Hier saß der Eigenthümer des Hauses auf der hölzernen Bank, der Hofhund zu seinen Füßen, ein spinnendes Mädchen zu seiner Seite, in einiger Entfernung ein Knabe, der an einem Neße strickte.

Als ich zur Hofthür eintrat7, erhob sich der Hund, sah mit vorgestrecktem Kopf nach mir aus und bellte einige Mal, aber so leise, daß man wohl sah, er wolle nur das herkömmliche Zeichen geben, wie seine Pflicht war. Auch mir war das ein gutes Zeichen, und ich dachte augenblicklich an das Wert eines alten Dichters, daß man beim Eintritt in ein Haus1o gleich aus der Weise des Hundes die Aufnahme schätzen könne. Auch dieses Mal täuschte das Anzeichen nicht. Ich wurde auf das Freundlichste11 begrüßt, in das Haus geführt, mit Speis' und Trank reichlich bewirthet und endlich in ein Bett gebracht12, hoch wie ein Berg und geräumig genug, um noch drei Andere, wär' es nöthig gewesen13, aufzunehmen. Da war es mir fürwahr14, als wär' ich in die Zeit entrückt, wo die Hausväter an der Straße saßen, und wenn ein Wanderer vorüberzog15, oft wetteifernd mit einander ihn unter ihr Dach einluden16 und an ihrem Herde bewirtheten, ohue auch nur zu fragen17, wo er herkäme, was er für Geschäfte treibe und wie lange er zu weilen gedenke.

5.

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This is one of the most beautiful valleys of Switzerland, watered by the Inn. * Kehrte ich in ... ein, I stopped at. 3 Which all around (rund um) up to the very branches (bis an die Zweige hinauf) were enveloped (umsponnen waren) with a luxurious growth of ivy. Eich ausbreiten, to extend. 5 Einnehmen, to occupy. 6 On this nominative absolute compare Gr. p. 476, § 176. 7Eintreten, to enter. Sah nach mir aus, looked out for me or at me; mit vorgestrecktem Kopf, with his head bent forward. 9 Er wolle nur, that he only wished. 10 Beim Eintritt in ein Haus, on entering a house. 1 Auf das Freundlichste, in the friendliest manner, most cordially. The adverbial superlative of eminence, see Gr. p. 416, § 68. 12 Bringen, to bring. 13 For wenn es nöthig gewesen wäre, if it had been necessary. 14 Then I truly felt, lit. it was to me. Vorüberziehen, to pass by. 16 Einladen, to invite. 17 Ohne

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Gerade so wie ich tritt ja Odysseus unerkannt18 in den Hof des Eumäos, seines alten Dieners. Dieser siht auch im Vorhause in dem umschatteten Plaße, weis't die Hunde zur Ruhe19, und nachdem er dem Fremden einen hohen Sih von weichen Fellen bereitet hat2o, heißt er ihn Platz nehmen21, und seht ihm Wein und Speise vor. Und da sich Odysseus der freundlichen Bewirthung erfreut und dem Geber Segen dafür wünscht, fagt dieser : „Es ist mir nicht gestattet22, auch wenn ein schlechterer Mann als du hierher käme, einen Fremden zu verachten; denn alle Fremden und Armen stehen unter Obhut der Götter."

So dachte auch mein wackerer Wirth im Engadinthal. Und als ich mich bei Tages Anbruch zur Abreise anschickte23, faßte er meis ne Hand mit den Worten: „Warum wollt ihr schon wieder von dannen24 ziehn? Weilet bei mir und seid willkommen.“ Und als ich erwiederte: „Ich sage euch Dank für den guten Willen, den ihr mir beweis't, aber ich würde euch zur Last fallen25,“ da ergriff26 er meine Hand von Neuem, führte mich in seine Speicher voll aufgeschütteten Korns und Weizens, in die Gewölbe mit Vorräthen aller Art angefüllt, in die Keller voll alten und jungen Weines, in die Ställe endlich, wo zwei Reihen stattlicher Kühe aus vollen Krippen fraßen27; und da ich das alles mit Bewunderung betrachtet hatte, sagte er: „Jeßt hast du alles gesehn. Ist es nicht genug, um dich zu bewirthen und viele Andre deines Gleichen28, wenn sie mein Obdach begrüßen? Bleibe also, so lange du kannst, und je länger29 du verweilst, desto mehr werd' ich es dir Dank wissen30.“

So freundlichen Worten zu widerstehen vermocht' ich nicht. Ich blieb eine ganze Woche hier, durchzog am Tage die Gegend umber31, und ward jeden Abend bei der Rückkehr mit gleicher

auch nur zu fragen, without even asking. 18 For (ja) precisely like myself Ulysses enters unknown, &c. 19 Zur Rube weisen, to pacify. 20 Nachdem er bereitet hat, after preparing. 21 Heißt er ihn Plag nehmen, asks him to be seated. 22 I am not allowed, it is not lawful for me. 23 And when I, at break of day, was making preparations to leave (mich zur Abreise anschickte). 24 Von dannen, hence. 25 Euch zur Last fallen, become burdensome to you. 26 Ergreiz fen, to size. 27 Fressen, to eat (said of animals). 28 Many others like you (deines Gleichen). 29 Je länger, the longer; desto mehr, the more 30 Werd' ich

Herzlichkeit aufgenommen32. Nach Verlauf dieser Zeit, als ich ernstlich Abschied nahm33, drückte mir der Alte die Hand und sagte: Es wäre mir ganz recht34, wenn ihr es euch länger bei mir gefallen lassen wolltet; denn ihr seht, daß ihr uns nicht lästig seid. Aber so ist unsere Weise: wir nehmen32 den Gast mit Liebe auf, und wenn er scheiden will, halten wir ihn nicht wider Willen zurück.“

Das war nun wieder recht nach homerischer Weise35, wo Menelaos zu dem scheidenden Telemachos sagt: „Ich werde dich nicht länger hier halten, da dich36 nach der Rückkehr verlangt; denn gleich unrecht ist es, den Fremden wegzutreiben und ihn aufzuhalten, wenn er gehen will."

Damit nun aber auch das Ende homerisch wäre, tauschten37 wir Gastgeschenke aus; er verehrte mir das Abbild seines Hauses und der Gegend, die ein deutscher Maler bei ihm aufgenommen38 und in Chur39 hatte in Kupfer stechen lassen, und ich ihm dagegen ein Gebetbuch in romanischer Sprache, das ich in Como gekauft und woran40 mein frommer Wirth Wohlgefallen gezeigt hatte.

Friedrich Jacobs.

6. Die Neujahrsnacht eines Unglücklichen. Ein alter Mensch stand in der Neujahrsmitternacht am Fenster und schauete mit dem Blick einer langen Verzweiflung auf zum unbeweglichen, ewig blühenden Himmel und herab auf die stille, reine, weiße Erde, worauf1 jetzt Niemand so freuden- und schlaflos war als er. Denn sein Grab stand nahe an ihm2; es

es dir Dank wissen, I will be grateful to you. 31 During the day I made excursions (durchzog) into the country around (die Gegend umher). 32 Aufnehmen, to receive. 33 Abschied nehmen, to take leave. 34 I should be gratified, if it would please you to stay longer with us (wenn ihr es euch länger, &c.). 35 This was now again in true homeric style. 36 Da dich verlangt, since you desire; nach der Rückkehr, to return. 37 Austauschen, to exchange. 38 Aufge= nommen hatte, had sketched; in Kupfer stechen lassen, and had engraved on 39 The chief town in the Pays de Grisons, in which canton this valley is situated. Como is a town in Lombardy. 40 Und woran, &c., and at which my devout host had manifested some delight.

copper.

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