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10,000 Pfd. Sterling, welcher im Jahre 1850 für die erste gewisse Aufhellung des Schicksals der vermißten Expedition ausgesezt worden war. Dennoch hat Rae alle ihm wiederholt gestellten Anträge auf die Anführung dieses Unternehmens mit der größten Entschiedenheit zurückgewiesen, indem er sich theils auf seinen geschwächten Gesundheitszustand berief, theils die Nothwendigkeit der sofortigen Bearbeitung seiner auf den letzten Reisen gesammelten geographischen Materialien geltend machte. An den Berathungen der Lords-Commissioners der Admiralität in den Tagen vom 23-27. Oct. hat er indeß den thätigsten Antheil genommen. Diese führten zu dem Ergebniß, daß die ganze Angelegenheit dieser Nachsuchungen dem Directorium der Hudsonsbai - Gesellschaft anvertraut wurde. Capt. Shepherd, der in London anwesende Vice: Gouverneur der Gesellschaft, wurde bei der lezten und entscheidenden Conferenz zugezogen; er hat an demselben Abende (27. October) noch dem in Amerika residirenden Gouverneur Georg Simpson die ausführlichsten Mittheilungen zur unverzögerten Ausrüstung der Expedition übersandt.

Anfangs brachte es für den Plan dieser Nachsuchungen eine erhebliche Verwickelung, daß gleichzeitig auch eine Rettungs-Erpedition für Collinson und seine Gefährten als unerläßlich erkannt wurde 1). Nach dem Inhalt der Depeschen, welche Lieut. Mecham an der Prinz Wales - Straße auffand, hatte Collinson im Frühjahr 1852 die Absicht, eine östliche Richtung einzuschlagen, die ihn bei günstigem Erfolge nach den von Rae so verhängnißvoll bezeichneten Gegenden geführt haben mußte. Wie es ihm jedoch hiebei ergangen sein mochte, blieb bei der von allen Seiten bestätigten Unsicherheit arktischer Unternehmungen höchft zweifelhaft. Die einzige angemessene Auskunft bestand darin, mittelst einer Boot-Expedition vom Mackenzie nach seinen Spuren zu suchen. Hierbei kam es zu Statten, daß bei Fort Simpson ein großes Boot, wie deren sich die Hudsonsbai zur Schifffahrt auf größern Flüssen bedient, zur Bereitschaft stand. Dies war aber nicht genug;

1) Capt. T. B. Collinson, Bruder des abwesenden Befehlshabers der Enterprise, dringt in Times vom 27. Oct. auf Entsendung einer von 2 bis 3 Offizieren begleiteten Expedition von etwa 30 Mann nach der Mündung des Mackenzie u. f. w. Er betonte, daß dieses Unternehmen sich auch zur Aufhellung des Schicksals der Franklin-Expedition erfolgreich erweisen werde.

denn man mußte auch darauf bedacht sein, die nöthigen Vorräthe für den Fall einer Begegnung mit hülfslosen Abtheilungen der Collinsonschen Mannschaft mitzunehmen. Außerdem war es erforderlich, sich mit zwei kleineren tragbaren Booten zu versehen, die man ohne Zeitverlust am Athabaska-See herstellen zu können hoffte. Selbst die Zusammensezung der Mannschaft, die Wahl der Offiziere und Steuerleute hatte ihre Schwierigkeiten. Endlich mußte auch Bedacht darauf genommen wer den, die Zurückkehrenden am großen Bären - See mit einem entsprechenden Vorrathe von Lebensmitteln zu empfangen und dadurch den furchtbaren Nothständen und Verlegenheiten bei der einstmaligen Rückkehr Franklin's vorzubeugen.

Daher war es eine außerordentliche Erleichterung, als in der zweiten November-Woche die Nachricht von dem glücklichen Eintreffen Collinson's an der Behringsstraße ankam. Denn die Aussendung jener Boot-Expedition auf den Mackenzie konnte nunmehr ganz widerrufen werden; sie hätte in der That keinen Sinn mehr gehabt, da gleichzeitig gemeldet wurde, daß Collinson den Winter 1852–53 in der Cambridge-Bai zugebracht und die Küsten von Wollaston- und Victoria-Land ausgekundschaftet hatte.

Demnach blieb innerhalb des von der Admiralität angenommenen Systems jezt keine Aufgabe mehr übrig, als in den Landschaften westlich von der Mündung des Großen Fischflusses nach den leßten Ueberresten und Spuren der Verunglückten zu suchen. Sind diese Landschaften an sich auch lange nicht so entlegen, als die meisten lehthin durchforschten Gebiete, so sind sie doch desto schwerer erreichbar. Die beiden unmittelbar dorthin führenden Meeresstraßen bedingen unverhältnißmäßig weite Umwege, und werden durch die Hemmungen des Eises höchst unsicher. Sämmtliche Landwege führen über lange Tagereisen von unwirthlichen und hülfslosen Einöden. Den besten Zugang bot noch das eigenthümliche Stromsystem des nordamerikanischen Festlandes dar; allein diese Wasserstraße es war die von der Erpedition des Capt. Back 1832-34 zurückgelegte und von seinem Begleiter King nachmals wiederholt empfohlene war durch mehrere Tragstellen (Portagen), außerdem durch Stromschnellen und Wasserfälle vielfach unterbrochen. Sie erforderte tragbare Kähne (Canots) und eine für den Dienst eingeübte Bemannung. Dr. Rae drang auf

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möglichste Beschleunigung dieser Vorbereitungen. Er hielt zwei Canots, jedes mit 6 bis 7 tüchtigen Leuten und zwei Offizieren bemannt, für ausreichend und rieth, dieselben entweder am Athabaska - See oder beim Fort Resolution oder irgend sonst wo am Großen Sclaven - See im Voraus anfertigen zu lassen. Die Erpedition sollte sich zeitig ge= nug auf den Weg machen, damit sie vor dem Eisgange mindestens den Athabaska - See erreichen und bei guter Zeit (im Juni) das Feld der Nachforschung betreten könnte. Endlich empfahl er noch besonders, den zur Zeit in Churchill verweilenden Eskimo-Dolmetscher William Ouligbuck, der den Expeditionen von Back, Dease und Simpson so wesentliche Dienste geleistet, zur Theilnahme zu gewinnen. Doch waren das alles nur vorläufige Rathschläge, die anfangs für die Aussendung einer Expedition von England aus berechnet, nunmehr dem Gouverneur Simpson, in dessen Hand man die Ausführung legte, lediglich zur Erwägung anheim gegeben wurden. Die eigentliche Aufgabe der Expedition beschränkte sich darauf, die vorfindlichen Leichname mit Ehren zu bestatten, und alles, was die Verunglückten zurückgelassen, zur Uebersendung nach England mit sich zu nehmen. Die uns vorliegenden Zeugnisse bestätigen, daß Gouverneur Simpson dem Vertrauen der englischen Regierung gewissenhaft zu entsprechen bemüht gewesen ist. Ohne Zweifel haben die von ihm entsandten Männer in dieser Stunde längst das verhängnißvolle Feld ihrer Mission erreicht.

Die lange Reihe der Unternehmungen für Franklin und seine Gefährten neigt dem Ende zu. Aber welch ein Gegensah jener glänzenden Hoffnungen, der belebenden Zuversicht bei ihrem Beginne, und des Jammers der Verzweiflung angesichts der lezten Ergebnisse. Als Dr. King im Jahre 1850 seine feste Ueberzeugung aussprach, daß die Beschreitung der Straße des Großen Fischflusses, sei es früher, sei es später, zur Aufsuchung Franklin's doch noch bevorstehe '), ahnte ihm gewiß nicht, in welchem Sinne sein Wort zur Zeit in Erfüllung gehen sollte. Nach mannichfaltigen Wechseln, nach tausend Mißverständnissen, bittern Täuschungen und trüben Erfahrungen gilt die lezte umfassende

1) Parl. Papers 1850 Vol. XXXV Arctic Exped. p. 155 »That the route by the Great Fish River will sooner or later be undertaken in search of Sir John Franklin, I have no doubt «.

That am Schluß des Drama nicht mehr den Lebendigen, sondern den Todten.

Die Admiralität ist unverkennbar bestrebt, allem Hader und allen Zerwürfnissen, welche aus dem Hergange der Rettungs- Expeditionen entkeimt sind, mit versöhnender Hand vorzubeugen und, so viel an ihr ist, jegliche drohende Nachwehen zu beseitigen. Mit anerkennenswerther Umsicht hat sie dem Verdienst der verschiedenen Personen befriedigende Anerkennung angedeihen lassen, und bei Uebertretungen Einzelner nach Möglichkeit Milde und Nachsicht geübt. Sie hat den Namen Prinz Alberts-Land im Norden des Wellington-Canals ausgelöscht und dafür die von eifernden Stimmen der Amerikaner beanspruchte Bezeichnung „Grinnell-Land" auf ihrer neuesten arktischen Karte eingeführt. Sie hat in der Belcher'schen Angelegenheit, wiewohl die Förmlichkeit des Kriegsgerichts unvermeidlich geworden war, eine beruhigende Ausgleichung erreicht. Bei der neulichen Rückkehr des Capt. Collinson sahen sich die von ihm in Haft gehaltenen Offiziere mit Freundlichkeit und Wohlwollen bei ihren Behörden aufgenommen, während anderseits die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zur Untersuchung der Differenzen ferngehalten wurde, um diesmal jeden Eclat zu vermeiden. Das Andenken der Verschollenen wird unausgesezt in Ehren gehalten; ihren Hinterbliebenen sind Erweisungen des besonderen Wohlwollens nicht versagt. Auch den Namen derjenigen, welche bei den RettungsUnternehmungen gefallen sind, ist die gebührende Anerkennung gezollt'). Vor Allen ist den höheren und niederen Offizieren, welche an den verschiedenen Expeditionen Theil nahmen, eine angemessene bevorzugende Beförderung zu Theil geworden, und wer die Schiffsberichte in den englischen Blättern genauer verfolgt, dem werden nicht selten Namen begegnen, die bei den Franklin-Unternehmungen zuerst genannt wurden und vielleicht noch eine glänzende Zukunft vor sich haben.

Unter den geographischen und wissenschaftlichen Ergebnissen steht die Entdeckung der nordwestlichen Durchfahrten durch Capt. M'Clure immerhin oben an. Ihm ist einstimmig die Palme der neueren Ent

1) In der am 30. Mai 1855 gelesenen Jahresadresse des Präsidenten der Loud. geograph. Gesellschaft wird erwähnt, daß die Aufrichtung des Denkmals für Bellot am Greenwich - Hospital in der nächsten Zeit zu erwarten steht. Bemerkenswerth_ist, daß diese Adresse den Nekrolog Sir John Franklin's als verewigten Mitgliedes der Gesellschaft enthält.

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deckungen zugeschreiben, denn seiner Kühnheit und Entschloffenheit verdankt England die Lösung einer Frage die endliche Beseitigung eines Problems, welches seit dreihundert Jahren so oft man zählte achtundfunfzig Male! - von den ersten Nationen Europa's vergeblich erstrebt war und manches in unaussprechlichem Elend verkommene Menschenleben gekostet hatte. Sein Name wurde in England gefeiert, während er mit den Seinen nicht ohne Wehmuth über so manches Mißlingen denn er hatte weder Franklin's Spuren gefunden, noch war ihm vergönnt gewesen, die Durchfahrt zu vollenden sich unter den Hemmungen der arktischen Schifffahrt der Heimath entgegensehnte. Sir G. Back nahm in der Jahresversammlung der Geographischen Gesellschaft zu London am 22. Mai 1854 die Patrons-Preismedaille für den noch nicht zurückgekehrten Entdecker in Empfang. Die Admiralität hat ihm zum Zeichen ehrender Anerkennung im Anfange des Monats December eine kostbare goldene Uhr überreichen laffen, deren Inschrift seine Verdienste in angemessener Weise hervorhebt 1). Von der Geographischen Gesellschaft zu Paris wurde ihm in ihrer Hauptsizung am 27. April 1855 ihre für die neueste und wichtigste Entdeckung statutenmäßig ausgesezte große goldene Jahresmedaille verliehen 2). Endlich hat auch das Parlament am 19. Juni noch den ersten Schritt einer nationalen Anerkennung seiner weltgeschichtlichen Thaten beschlossen.

7) Die dritte nordamerikanische Erpedition.

Schließlich haben wir noch der sogenannten zweiten Grinnell - Erpedition zu gedenken, die unter Anführung des Dr. Kane nach dem Smith-Sunde jenseits der Baffinsbai ausgefahren und zur Zeit unter allen zur Rettung Franklin's ausgesandten Erpeditionen die einzige noch nicht zurückgekehrte geblieben ist. Diese Erpedition steht in dem Kreise der lezten arktischen Unternehmungen hinsichtlich der Großartigkeit des Entwurfs unübertroffen; an Kühnheit und Thatenluft bei verhältnißmäßig beschränkten Mitteln kann sich keine andere ihr gleichstellen. Während die britische Admiralität den Grundsay befolgte, für sämmtliche Expeditionen nach dem höheren Norden mindestens zwei reichlich ausgestattete Schiffe zu entsenden, und diesen ausdrücklich die Weisung er

') Morning Herald 11. Dec., in Galign. Messenger 13. Dec. 1854. 2) Abbildung dieser Preismedaille in London Illustrated News 16. Juni 1854.

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