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Erster Abschnitt.
Geschichte und Philosophie.

Capitel 1.

Geschichte.

A. Biographisch-Literarisches.

TH. V. OPPOLZER. Note über eine von Archilochos erwähnte Sonnenfinsternis. Wien. Ber. LXXXVI. 790-794.

Fragment 74 in Bergk's Ausgabe des Archilochos enthält die offenbar auf Autopsie beruhende Beschreibung einer Sonnenfinsternis. Gestützt auf seine bekannten Syzygientafeln untersuchte nun der Verfasser alle Phänomene dieser Art, welche in die ungefähre Lebenszeit des Dichters (700-640 v. Chr.) fallen, und fand, dass eine am 6. April 647 stattgehabte Finsternis in der Tat ganz gut den Angaben des Bruchstückes entspricht. Thasos, wo sich Archilochos in seinen letzten Lebensjahren aufhielt, gehörte der Zone an, innerhalb welcher die Verfinsterung total gesehen wurde. Allerdings aber begann dieselbe schon am Vormittag, während aus den Dichterworten geschlossen werden kann — nicht muss -, der Beginn sei auf eine Nachmittagstunde geGr.

fallen.

Fortschr. d. Math. XIV. 1.

1

A. RIECKE. Pythagoras. Zeit- und Lebensbild aus dem alten Griechenland. Leipzig, Berlin. Spamer.

Das vorliegende Buch will ein Lebensbild des Pythagoras geben. Der Verfasser beruft sich als Quellen seines Buches auf Herodot, Diodoros, Strabon, Diogenes Laertios, Dikaiarchos etc. Die Hauptsache aber hat doch wol die Phantasie des Verfassers hinzugetan. Dagegen aber, dass ein solches Phantasiegebilde als Lebensbild dargeboten wird, muss denn doch von Seiten der Wissenschaft Protest erhoben werden. Als Roman mag es gelten, aber bei der Prätension, mit der der Verfasser in einem Vorwort für seine Arbeit eintritt, kann das Erscheinen des Buches nur bedauert werden. 0.

P. TANNERY. Seconde note sur le système astronomique d'Eudoxe. Bord. Mém. (2) V. 129-149.

Das lange in seinem eigentlichen Wesen verkannte Planetensystem des Eudoxos ist bekanntlich von Schiaparelli geistreich reconstruirt worden. Jedem Wandelstern sind concentrische Sphären in solcher Anzal zugeteilt, dass, indem jede dieser Kugelflächen einer ihr speciell vorgeschriebenen Bewegung huldigt, durch das Zusammenwirken all' dieser Impulse der Planet die tatsächlich beobachtete Bahncurve (Hippopeda) beschreiben muss. Für die eigentlichen Planeten nun hat Henri Martin in seiner 1881 erschienenen Schrift „Mémoire sur les hypothèses astronomiques d'Eudoxe, de Calippe et d'Aristote" Schiaparelli's Theorie angenommen, für Mond und Sonne dagegen stellt er neue Hypothesen auf. Herr Tannery tritt gegen seinen Landsmann und zu Gunsten des Mailänder Astronomen in die Schranken. Er weist nach, dass Eudoxos ein wahrhaft hervorragender Astronom war, der nur in der Leugnung der solaren Eigenbewegung einen schwereren Fehler beging, obwol er geneigt ist, die Beobachtungshilfsmittel des Ersteren auf ein sehr niedriges Niveau herabzusetzen. Auch die Pole der Merkur- und Venussphäre fasst Martin anders auf, als Herrn Tannery zufolge die Handschriften gestatten. Gr.

P. TANNERY. Le fragment d'Eudème sur la quadrature des lunules. Bord. Mém. (2) V. 211-237.

Bretschneider's Interpretation jenes Stückes aus dem Commentar des Simplicius zur aristotelischen Physik, welches von den älteren Bemühungen um die Quadratur des Kreises handelt, hat sich in neuerer Zeit mehr und mehr als ungenügend herausgestellt. Philologen, welche sich später mit den betreffenden Stellen zu beschäftigen hatten, liessen aus naheliegenden Gründen die sachliche Seite unberührt, und erst der Engländer Allman ging über Bretschneider hinaus, indem er den in die Darstellung des Simplicius eingeflochtenen Urtext des Eudemos herzustellen bemüht war. Er gelangte auch zu einem für's Erste befriedigenden Resultate, doch blieben Herrn Tannery noch manche der Aufklärung bedürftige Punkte übrig, und ein Gleiches galt ihm für die Restitution, welche zwei um die Geschichte der exacten Wissenschaften hochverdiente deutsche Altertumsforcher, Diels und Usener, ihrerseits in Vorschlag gebracht hatten. Der Verfasser geht bezüglich des Eudemos von der an anderem Orte näher begründeten Annahme aus, die geschichtlichen Arbeiten desselben seien im Altertum fast gänzlich vernachlässigt worden. Proklos und alle Autoren, die nach dem vierten Jahrhundert unserer Aera lebten, hätten dieselben aus zweiter Hand gekannt, und speciell Simplicius wie Eutokios hätten lediglich aus der „noia“ betitelten Compilation eines gewissen Sporos geschöpft. Weiter erhalten wir den griechischen Text in neuer Recension, soweit er von der hippokratischen Kreisquadratur durch Möndchen handelt, und eine genaue französische Uebersetzung desselben, begleitet von einer Reihe scharfsinniger Noten, aus denen jetzt mit ziemlicher Gewissheit erhellt, welches Mass geometrischen Wissens etwa dem Hippokrates von Chios zuzuschreiben ist. Auch führt Herr Tannery noch trigonometrisch den Nachweis, dass Hankel im Unrecht war, wenn er behauptete, die Monde des Hippokrates seien die einzigen quadrirbaren, welche man mit Lineal und Zirkel zu verzeichnen im Stande sei. Gr.

H. G. ZEUTHEN.

Fra Mathematikens Historie II-III.

Zeuthen T. (4) VI. 97-101.

Im ersten dieser beiden Aufsätze bemerkt der Verfasser, dass schon Euklid im neunten Stücke (Satz 35) der Elemente einen vollständigen Beweis der Summationsformel einer geometrischen Reihe geliefert hat, was meist, wie es scheint, übersehen worden ist.

In der zweiten Note giebt der von Apollonius im ersten Buche seiner Kegelschnittslehre geführte Beweis des Satzes 34 dem Verfasser Anlass zur folgenden Bemerkung. Wie Chasles gezeigt hat, ist es höchst wahrscheinlich, dass Euklid's Porismen vorzugsweise diejenigen Transversalensätze enthalten haben, welche jetzt die Grundlage der metrischen Behandlung der projectivischen Geometrie bilden. Ist dies der Fall, so ist es auch sehr wahrscheinlich, dass Euklid diese Sätze in seinem ebenfalls verloren gegangenen Werke über die Kegelschnitte verwendet hat, und es ist dann natürlich, dass Apollonius, welcher die beiden erwähnten Werke von Euklid kannte, in seinem eigenen grossen Werke über die Kegelschnitte viele der Beweise von Euklid aufgenommen hat. Daraus erklärt es sich, dass man bei Apollonius Beweise findet, welche sich in ihrer Anlage auf diese Sätze stützen, obgleich er sie kaum als so bekannt voraussetzen durfte, dass er sich mit einer Verweisung auf Euklid hätte begnügen können. Als einen solchen betrachtet Herr Zeuthen den Beweis des erwähnten Satzes Stück I. 34.

Gm.

P. TANNERY. Aristarque de Samos. Bord. Mém. (2) V. 237-258. Eine sehr dankenswerte Studie über die wichtigste astronomische Leistung des Aristarchos. Der Verfasser erinnert daran, dass selbst Anaxagoras, obgleich er über die Verfinsterungen und Mondphasen sich so ziemlich klar war, die Himmelskörper noch immer für platte Scheiben hielt, dass also im V. vorchristlichen Jahrhundert von wissenschaftlicher Sternkunde noch kaum die Rede sein konnte. Demokrit erkannte die Sphäricität von Mond

und Sonne, allein erst Philipp der Opuntier brach vollständig mit den Phantasmen der pythagoräischen Schule. Diesem Philipp

wünscht der Verfasser in der Geschichte eine ebrenvollere Stelle eingeräumt zu wissen, als er sie bisher inne hatte. Aristarch's Verdienst gipfelt nämlich seiner Ansicht zufolge in seiner bekannten Anticipation des coppernicanischen Weltsystems, wogegen die schöne Methode, die Distanz der Erde von der Sonne zu bestimmen, in eine ältere Zeit hinaufreichen und entweder von Eudoxos oder auch von dem genannten Philippos herrühren soll. Eine wenig beachtete aristotelische Stelle spricht allerdings dafür, dass der Grundgedanke dieses Verfahrens ein höheres Alter besitzen muss. Das als Bestandteil des uzgòc dotgovouovueros auf uns gekommene Buch des Aristarch wird im Einzelnen durchgesprochen; es kommen darin auch mathematische Sätze von Bedeutung vor. So wusste der Autor z. B., dass, für a 90°, der Bruch mit wachsendem a kleiner, dagegen

tang a

α

sin a

α

mit wachsendem a grösser wird. Ebenso scheint ihm

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bekannt gewesen zu sein. "C'est une preuve incontestable de l'emploi, so drückt sich Tannery bei dieser Gelegenheit aus, chez les anciens d'un procédé de calcul dont la théorie appartient sans conteste aux modernes, mais dont les premières applications sont trop simples pour ne pas avoir une origine trèsreculée." Um so mehr wundert es uns, dass nicht auch auf die bei Aristarch erstmalig vorkommende merkwürdige Näherung

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ausdrücklich aufmerksam gemacht wurde. Anhangsweise verbreitet sich der Verfasser noch über andere Zahlen, welche das Altertum für die wichtigste Linearconstante der Astronomie aufstellte, namentlich über einen sehr merkwürdigen Passus in der

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