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XIII.

Ueber die Volksstämme Borneo's.

Von Oscar v. Kessel ').

Die Gesammtbevölkerung der 10,000 Quadratmeilen grofsen Insel Borneo kann nur annähernd bestimmt werden: sie mag sich auf 24 Millionen Seelen belaufen; darunter sind etwa 1,800,000 Daijak's, 500,000 eigentliche Malaien (Muhamedaner) und 150,000 eingewanderte Chinesen. Letztere sind über ganz Borneo vertheilt; zum gröfsten Theil bewohnen sie aber die Küsten, namentlich die Landschaft Sambas im Nordwesten Borneo's.

Die Malaien sind die eigentlichen Herren des Landes. Sie haben den gröfsesten Theil der Insel im Besitz und bilden 30 bis 40 kleinere oder grössere Staaten unter eigenen Fürsten, welche die Titel Sultan, Pennimbahan, Pangheran führen. Alle diese Staaten sind mehr oder weniger Oligarchien. Den Fürsten werden zwar einige Ehrenbezeigungen erwiesen; ihr Einfluss auf die Bevölkerung ist aber aufserordentlich gering. Sowohl begangene Verbrechen als Staatsangelegenheiten werden nach der bestehenden Hadat 2) durch eine Rathsversammlung der Aeltesten unter dem Vorsitz des Fürsten entschieden.

Die daijakschen Stämme werden von den Malaien als ihre rechtmässigen Unterthanen angesehen, als Heiden, die Allah seinen Gläubigen geschenkt hat. Theils müssen sie Frohndienste verrichten, theils einen grofsen Theil ihrer Ernten abgeben. Und zwar sind sie nicht nur Unterthanen der Fürsten, sondern der ganzen malaiischen Bevölkerung. Ich habe einzelne gewöhnliche Malaien getroffen, denen nicht weniger als 20 bis 30 daijaksche Familien gehörten. Seit alten Zeiten

1) Die Reise des Verfassers von Sumatra nach Pontianak im Jahre 1846 ist im ersten Bande dieser Zeitschrift S. 331 ff. mitgetheilt.

2) Hadat heifst nicht sowohl Gesetz als Gebrauch und Sitte.

waren diese von den Vorältern auf die Nachkommen vererbt worden. Doch ist dieses Verhältnifs nicht in allen Staaten dasselbe. In Brunei, Sambas, Landak, Pontianak, Banjer üben die Fürsten eine etwas grössere Gewalt aus, und die daijakschen Unterthanen gehören hier nur den Gliedern der fürstlichen Familie an, unter welche sie gleichmässig vertheilt sind. In anderen Gegenden wieder, die mehr im Innern der Insel liegen, wie Selimbau, Sweit, Junkung, Nangabunut, deren daijaksche Bevölkerung nicht durch Waffengewalt unterworfen wurde, beanspruchen die Malaien nur das Recht des Alleinhandels, wodurch sie beinahe eben so grofse Vortheile geniefsen, als wenn sie directe Abgaben von der Ernte empfingen; denn sie setzen ihre Waaren: Eisen, Salz, Taback, Kupferdraht, groben Kattun, grobes chinesisches Geschirr etc. zu willkürlichen Preisen ab. Keinem fremden Händler ist es gestattet, die daijakschen Districte zu besuchen, noch weniger in ihnen. Waaren zu verkaufen.

Die Unterjochung der Daijaks durch die Malaien ist eine allmähliche gewesen. Malaiische Seeräuber, Kaufleute und Ansiedler liefsen sich vor einigen hundert Jahren an den Küsten Borneo's nieder, drangen allmählich in's Innere vor und siedelten sich an den Ufern der grofsen Ströme an; unterstützt durch ihre bessere Bewaffnung mit Feuergewehren besiegten und unterwarfen sie die daijakschen Stämme. Auch jetzt noch liegen alle gröfseren malaiischen Dörfer nur an den Küsten und an den Ufern der grofsen Flüsse, während die Daijaks die kleineren Flufsgebiete bewohnen. Namentlich sind es die Mündungen aller schiffbaren Nebenflüsse der gröfseren Ströme, an welchen sich die Malaien niedergelassen haben. Diese bieten ihnen, da fast alle Communication in Borneo nur zu Wasser vor sich geht, die beste Gelegenheit, einestheils ihre Waaren den Daijaks zuzuführen, anderntheils dieselben im Zaum zu halten, indem sie ohne Bewilligung der Malaien ihr Flufsgebiet nicht verlassen können. In den daijak'schen Districten findet man nur einzelne kleine malaiische Ansiedlungen, die zur besseren Ueberwachung der einheimischen Bevölkerung dienen. Man kann annehmen, dafs von sämmtlichen Daijaks auf Borneo zwei Drittheile durch die Malaien mehr oder weniger unterworfen sind, während ein Drittheil noch frei ist.

Aufser diesen unterjochten und noch freien Stämmen leben im Mittelpunkte der Insel gegen 50,000 Nomaden. Ohne jede Cultur, ohne Häuser, Ackerbau und Viehzucht, streichen diese durch die Wälder und leben nur von Fischfang, Jagd und wildem Sago. Sie sind die eigentlichen Wilden des Landes und die Feinde aller übrigen Bewohner, dabei feig, grausam und hinterlistig.

Was das Aeufsere sowohl der wilden als der cultivirten Daijaks

betrifft, so gehören beide ohne Ausnahme der gelben malaiischen Race Sie unterscheiden sich aber von den eigentlichen Malaien sowohl durch Sprache wie durch Sitten.

an.

Weder die wilden noch die ackerbautreibenden Stämme der Daijaks können als die Urbevölkerung der Insel angesehen werden. Kleine Ueberreste einer schwarzen Race, wie sie auf den Philippinen, NeuBritannien und den Hebriden zu finden sind, kommen auch noch im Innern Borneo's, namentlich im Nordosten vor. Ich selbst hatte keine Gelegenheit, sie zu sehen. Malaiische Kaufleute aber, deren Aussage ich vollkommenes Vertrauen schenken konnte, schilderten sie mir als auf einer sehr niederen Culturstufe stehend, obschon in Häusern wohnend und Ackerbau treibend.

In einem Lande wie Borneo, welches seit undenklichen Zeiten steten Einwanderungen vom asiatischen Festlande und von den benachbarten Inseln ausgesetzt war, kann es nicht auffallen, zwanzig bis dreifsig, verschiedene Sprachen redende Volksstämme zu finden. Namentlich ist dieses im Nordwesten und Norden der Fall. Einige dieser Stämme bestehen nur aus 50 bis 100 Familien. In Farbe und Gesichtsbildung ist übrigens, wie ich bereits erwähnte, kein Unterschied bemerkbar; auch sind alle diese verschiedenen Sprachen, selbst die der wilden Nomaden, nur Dialecte des Malaiischen.

Es würde schwer sein, in einem solchen Lande zu reisen, wenn nicht das Malaiische die allgemeine Conversationssprache bildete. In welche Gegend man auch kommen mag, man kann sicher sein, stets eine oder mehrere Personen zu treffen, die aufser ihrer Muttersprache auch das Malaiische verstehen. Dies gilt übrigens für den ganzen indischen Archipel, wo, wie man annehmen kann, über hundert verschiedene Dialecte gesprochen werden, von denen sich manche sehr fern stehen, obschon sie alle dem grofsen malaiischen Sprachstamme ange

hören.

Wenn man nun die daijak'schen Völkerschaften eintheilen will, so kann man auf die Sprachen der kleineren Stämme, die sich hin und wieder zerstreut in der Mitte der gröfseren vorfinden, nicht Rücksicht nehmen; auch haben sie deren Sitten, religiöse Begriffe und Lebensart angenommen, und ihre Kleidung, die Form ihrer Häuser, Waffen und Geräthschaften ist ganz dieselbe. Von gröfseren Volksstämmen lassen sich sechs Hauptabtheilungen unterscheiden, und zwar:

1) Die Stämme von Ost-Borneo, unter dem allgemeinen Namen Pari bekannt.

2) Die von Süd-Borneo, die Bijadju.

3) Die Stämme des Nordwestens, ohne gemeinsamen Stammnamen. Sie nennen sich nach den Flufsgebieten, die sie inne haben, und

bewohnen die Landschaften Sambas, Landak, Serawak, Sadong und Sekaijam.

4) Die von Nord- und Central-Borneo, auch ohne gemeinsamen Stammnamen; sie bewohnen Brunei und den gröfsesten Theil des Flufsgebietes des Kapuas, namentlich auf dem linken Ufer desselben. Hierzu gehören auch die Seeräuber-Stämme von Batang-lupar und Seribas.

5) Die ganz wilden Nomaden-Stämme des Innern, Punan, Manketta, Wutt oder Ott, und endlich

6) der erwähnte kleine Ueberrest schwarzer Urbevölkerng im NordOsten der Insel.

Alle diese Völkerschaften unterscheiden sich deutlich durch die Form und Art ihrer Waffen, den Bau ihrer Häuser, durch ihre religiösen Begriffe, den Grad ihrer Cultur und endlich durch ihre Sprachen, in denen die der kleineren Stämme gewissermassen verschwinden. Nur mufs hier eine scharfe Scheidewand zwischen den fünf erstgenannten Stämmen, die sämmtlich der gelben Race angehören, und der zuletzt genannten schwarzen Urbevölkerung gezogen werden.

Der Name Daijak ist kein nationaler Name, noch von irgend einer historischen Bedeutung. Die Malaien gebrauchen dieses Wort ohne Ausnahme für alle Heidenstämme.

Die Malaien.

Wie ich bereits erwähnte, liegen die Dörfer der Malaien meist an den Küsten und an den Ufern der grofsen Ströme. Die gröfsten, an den Küsten gelegenen, wie Pontianak, Sambas, Kottaringin, Banjer, Kotté, Brunei, zählen durchschnittlich 400 bis 500 Häuser, die im Innern des Landes nur 20, 40 bis 60, selten 100 Häuser, wie dies z. B. mit Sintang am Kapuas der Fall ist. Die Häuser der Fürsten und reichsten Einwohner sind von Eichenholz und auch mit kleinen Brettern von diesem Holze, in Form von Dachziegeln, gedeckt. Sie sind 5 bis 8 Fufs über der Bodenfläche auf Pfählen erbaut, mit hohen Dachstühlen. Die ärmere Klasse bewohnt nur Bambushütten, nicht weil das Holz kostspieliger ist, denn der Wald ist wörtlich vor der Thüre, sondern weil die Zurichtung der grofsen Baumstämme viele Arbeitskräfte erfordert, während der Bambus ') ein leichtes Material ist, welches ein einzelnes Individuum aus dem Walde holen und ohne Hilfe zu einem Bau zusammenfügen kann. Diese Bambushütten sind entweder mit Palmblättern oder mit dem langen indischen Grase (Allang Allang) ge

1) Der Bambus erreicht eine Höhe von 50 Fufs und hat unten einen halben Fufs im Durchmesser.

deckt.

Gewöhnlich sieht man in den malaiischen Dörfern 10 bis 12 der gröfseren Häuser, mit einem starken, 10 bis 12 Fufs hohen Zaune von Eisenholz umgeben, der als Verschanzung dient. Dieser umzäunte Theil des Dorfes heifst Kotta oder Stadt. Hier wohnen die Fürsten und angesehensten Personen. Alle Dörfer liegen beinahe ohne Ausnahme in einer Reihe unmittelbar am Flussufer. Eine der Menge der Häuser entsprechende Anzahl Holzflöfse sind am Ufer befestigt und dienen zum Baden, da es der Krokodile wegen gefährlich ist, ohne Weiteres in's Wasser zu gehen. Auf einigen dieser Flöfse befinden sich kleine Badehäuschen von Bambus. Eine Menge Kähne, kleine und grössere Handelsfahrzeuge, liegen längs des Ufers zwischen und an diesen Flöfsen. Die gröfsten dieser Fahrzeuge, die man Bandong nennt, haben die Form unserer grofsen Flufskähne, nur sind sie mit einem Dache von Palmblättern oder von Allang gedeckt. In der Regel sind sie 80 Fufs lang und 10 bis 12 Fufs breit.

Die Dörfer bieten nur den Anblick einer schwarzen, von Wald umgebenen Häuserreihe dar; von Gärten oder Feldern in ihrer Nähe ist wenig die Rede. Denn die trägen Malaien bauen nur selten etwas Reis; sie leben von der Ernte der Daijaks. Selbst Fruchtbäume erblickt man nicht; nur wenige Pisangstauden und einige Kokospalmen finden sich hier und dort; die Zahl der Dörfer, die gar keine Kokospalmen besitzen, ist nicht gering. Von jenen mannichfaltigen schönen Früchten, die man auf Java und anderen Inseln in Ueberfluss besitzt, ist hier keine Spur zu finden. Die hiesigen Malaien scheinen nur für zwei Dinge Sinn zu haben, für Trägheit und für Handel, so wenig beides vereinbar scheint. Jeder Malaie, vom Fürsten bis zum geringsten und ärmsten Mann, ist Händler, und da die Daijaks keine Gelegenheit haben, ihren Bedarf an Salz, Taback etc. anderswo einzukaufen, weil sie ihre Flufsgebiete ohne Bewilligung ihrer Herren nicht verlassen können und eben so wenig andere Kaufleute zu ihnen zugelassen werden, so müssen sie die Preise zahlen, welche die Malaien ihnen stellen. Damit soll aber nicht gesagt sein, dafs die Malaien ihre daijak'schen Unterthanen hart behandeln; dies ist durchaus nicht der Fall. Im Gegentheil gehen sie auf ziemlich freundliche Weise mit ihnen um, ungefähr wie Kaufleute mit ihren Kunden. Die Frohndienste, welche die Daijaks verrichten müssen, sind sehr gering; sie beschränken sich auf Lieferung von Holz zum Häuserbau und Hilfe bei dem Aufbau selbst. Von Schlägen und Mifshandlungen ist nie die Rede, eben so wenig von Gefängnifs oder anderen leiblichen Strafen. Die Malaien kennen nur eine Strafe: sie lassen die Daijaks zahlen. Bisweilen wird eine Familie wegen kleiner Versehen mit 200 und 300 Gulden Strafe belegt. Abschlagszahlungen in Reis, denn dies ist die cursirende

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