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Die deutsche Spracheinheit.

Die Geschichte unserer Sprache ist bis zu einem gewissen Grade die Geschichte unseres Volkes selbst.

Die Sprache ist das treueste Abbild des Volksthums. Die Totalität aller geistigen Kräfte ist darin vertreten. In der Sprache ist Musik und Melodie. Die Sprache ist ein Kunstwerk und ästhetische Bedürfnisse, welche sie geschaffen, finden sich als bildende Mächte in der Poesie und allen Künsten wieder. In der Sprache ist Gesinnung und That. Sie ist für ein Volk, was das Gesicht für den einzelnen Menschen. Jede Stimmung, jedes Gefühl, jeder Gedanke malt sich auf ihr, prägt sich in ihr aus; was der Genius einer Nation dichtet und träumt, das erfährt die Sprache und berichtet's fernen Jahrtausenden. Sie ist die wichtigste, unvertilgbarste Urkunde der Geschichte. Wovon die Chroniken nichts wissen, worüber Keilinschriften und Hieroglyphen stumm bleiben, wovon der umgewühlte Erdboden nichts erzählt, darüber geben uns Laute, Formen, Wörter Auskunft.

Aber die Sprache ist noch mehr. Sie ist auch eine bildende Kraft des Staatslebens. Sie ist das hauptsächliche Band, das eine Nation umschlingt und woran derselben ihre innere Einheit zum Bewußtsein kommt. Die Sprache gilt unseren Statistikern als das sicherste Kennzeichen der Nationalität. Wo die Sprachen ausgestorben sind, da nehmen wir die Völker als verschwunden an. Darum ist in Ländern mit gemischter Bevölkerung die Sprachenfrage eine politische Frage ersten Ranges. Die untergeordnetsten Natiönchen, Völker ohne irgend nennenswerthe Cultur, Völker, welche ohne Schaden für die Menschheit von der Erde hinweggeweht werden könnten, klammern sich mit einer frenetischen Angst an ihre Sprache wie an das kostbarste Gut, an den letten Hort und Schirm ihrer Eigenart, an welchem ihre Existenz zu hängen scheint. Und sie hängt in der That daran. Auch für uns Deutsche war die Sprache stets eine segnende Göttin, die uns zusammenhielt, wenn Politik

Preußische Jahrbücher. Bd. XXIX. Heft 1.

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