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Buttler (furchtbar ausbrechend).

Nur von ihm trennen? O, er foll nicht leben!

Octavio.

Folgt mir nach Frauenberg, wo alle Treuen
Bei Gallas sich und Altringer versammeln.
Viel Andre bracht' ich noch zu ihrer Pflicht
Zurück, heut' Nacht entfliehen sie aus Pilsen. -

Buttler

(ist heftig bewegt auf- und abgegangen und tritt zu Octavio, mit entschlossenem

Blick).

Graf Piccolomini! darf Euch der Mann,
Von Ehre sprechen, der die Treue brach?

Octavio.

Der darf es, der so ernstlich es bereut.

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Ich darf Euch traun. Doch sagt mir, was Ihr brüter?

Buttler.

Die That wird's lehren.

Fragt mich jetzt nicht weiter! Traut mir! Ihr könnt's! Bei Gott, Ihr überlasser

Ihn seinem guten Engel nicht! Lebt wohl!

(Geht ab.)

Bedienter (bringt ein Billet).

Ein Unbekannter 1 bracht's und ging gleich wieder.
Des Fürsten Pferde stehen auch schon unten.

Octavio (liest).

(AL.)

„Macht, daß Ihr fortkommt.2 Euer treuer Isolan."
, läge diese Stadt erst hinter mir!8
So nah dem Hafen sollten wir noch scheitern?
Fort, fort! Hier ist nicht länger Sicherheit
Für mich. Wo aber bleibt mein Sohn?

Siebenter Auftritt.

Beide Piccolomini.

Mar

(kommt in der heftigsten Gemüthsbewegung,4 seine Blicke rollen wild, sein Gang ist unstat; er scheint den Vater nicht zu bemerken, der von ferne steht und ihn mitleidig ansieht. Mit großen Schritten geht er durch das Zimmer, bleibt wieter stehen und wirft sich zuletzt in einen Stuhl, gerad vor sich hin ftarrend)

Octavio (nähert sich ihm)

Ich reise ab, mein Sohn.

(Da er keine Antwort erhält, faßt er ihn bei der Hand.)
Mein Sohn. leb' wohl!

Mar.

Leb' wohl!

1 Unbekannter, stranger.

2 Macht fortkommt, make haste

to get away.

3 D mir, oh, that this town were only behind me.

Gemüthsbewegung, agitation.

Octavio.

Du folgst mir doch bald nach?

Mar (ohne ihn anzusehen).

Ich Dir?

Dein Weg ist krumm, er ist der meine nicht.
(Octavio läßt seine Hand los, fährt zurück.)

3

O, wärst Du wahr gewesen und gerade,1
Nie kam es dahin, alles stünde anders!
Er hätte nicht das Schreckliche2 gethan;
Die Guten hätten Kraft bei ihm behalten,
Nicht in der Schlechten Garn wär' er gefallen.
Warum so heimlich, hinterlistig lauerne,
Gleich einem Dieb und Diebeshelfer, schleichen ?
Unsel'ge Falschheit! Mutter alles Bösen!
Du, jammerbringende, verderbest uns!
Wahrhaftigkeit, die reine, hätt' uns Alle,
Die welterhaltende, gerettet. Vater,

6

Ich kann Dich nicht entschuldigen, ich kann's nicht.
Der Herzog hat mich hintergangen, schrecklich;
Du aber hast viel besser nicht gehandelt.

Octavio.

Mein Sohn, ach, ich verzeihe Deinem Schmerz.

Mar

(steht auf, betrachtet ihn mit zweifelhaften Blicken).

Wär's möglich, Vater? Vater? Hättest Du's

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Mit Vorbedacht bis dahin treiben wollen? 1
Du steigst durch seinen Fall. Octavio,

Das will mir nicht gefallen.

Octavio.

Gott im Himmel!

Mar.

Weh mir! Ich habe die Natur verändert.
Wie kommt der Argwohn in die freie 2 Secle?
Vertrauen, Glaube, Hoffnung ist dahin,3
Denn alles log mir, was ich hochgeachtet.
Nein! Nein! Nicht alles! Sie ja lebt mir noch,
Und sie ist wahr und lauter, wie der Himmel.
Betrug ist überall und Heuchelschein 4

Und Mord und Gift und Meineid und Verrath;
Der 5 einzig reine Ort ist unsre Liebe,
Der unentweihte, in der Menschlichkeit.

Octavio.

Mar, folg' mir lieber gleich, das ist doch beffer.

Mar.

Was? Eh' ich Abschied noch von ihr genommen?

Den lezten?

Nimmermehr!

Octavio.

Erspare Dir

Die Qual der Trennung, der nothwendigen.

Komm mit mir! Komm, mein Sohn!

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Mar.

Nein. So wahr Gott lebt!

Octavio (dringender).

Komm mit mir! Ich gebiete Dir's, Dein Vater.

Mar.

Gebiete mir was menschlich ist. Ich bleibe.

Octavio.

Mar, in des Kaisers Namen, folge mir!

Mar.

Kein Kaiser hat dem Herzen vorzuschreiben.
Und willst Du mir das Einzige noch rauben,
Was mir mein Unglück übrig ließ, ihr Mitleid?
Muß grausam auch das Grausame geschehn?
Das Unabänderliche soll ich noch
Unedel thun, mit heimlich feiger Flucht,
Wie ein Unwürdiger,2 mich von ihr stehlen?
Sie soll mein Leiden sehen, meinen Schmerz,
Die Klagen hören der zerrissnen Scele 3
Und Thränen um mich weinen - O! die Menschen
Sind grausam, aber sie ist wie zin Engel.
Sie wird von gräßlich wüthender Verzweiflung
Die Seele retten, diesen Schmerz des Todes
Mit sanften Trostesworten klagend lösen.4

Detavio.

Du reißest Dich nicht los, vermagst es nicht.
O, komm, mein Sohn, und rette Deine Tugend!

1 hat, can; vorzuschreiben, dictate. 2 Unwürriger, unworthy man.

3 zerriffnen Seele, say: broken heart. 4 klagend lösen, pitying alleviate.

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