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Sechster Abschnitt.

Bodmerei.

Übersicht.

Unser Gesetz kennt nur noch die sogenannte Not-Bodmerei des Schiffers (§ 680 vgl. § 694), aus welcher lediglich ein auf den verbodmeten Gegenstand beschränkter Anspruch des Bodmereigebers entsteht. Letzterer erhält neben den Zinsen eine Prämie (681), übernimmt aber nicht wie in anderen Ländern (vgl. Bem. 1 zu § 679) ein Versicherungsrisiko, sein Anspruch bleibt also voll realisierbar, auch wenn der verbodmete Gegenstand zum Teil untergeht, sofern nur das noch am Ende der Reise Vorhandene ihn deckt. Der Abschlufs ist an gewisse Formen geknüpft (§ 683). Der Bodmereigeber mufs den Notfall beweisen, er kann sich diesen Beweis durch eine amtliche Bescheinigung (§ 685) erleichtern. Der Bodmereibrief wird regelmässig an Order gestellt (§ 684, 363 Abs. 2). Derselbe kann dann mit den aus §§ 364, 365 sich ergebenden Wirkungen durch Indossament übertragen werden, aber auch der Indossatar ist nicht von dem Nachweis des Notfalles entbunden. Werden mehrere Exemplare ausgestellt, so regeln die Rechte der Inhaber sich nach dem § 689. Die Zahlung ist fällig nach Vorschrift der §§ 687 Abs. 1, 698 Abs. 2, jeder verbodmete Gegenstand haftet solidarisch (§ 691). Der Schiffer hat besondere Pflichten zur Erhaltung des Bodmereiguts und darf vor Zahlung verbodmete Ladung nicht ausliefern (§§ 693, 694), der Reeder darf bei eigener Haftung nichts Gegenteiliges anordnen (§ 695). Das Bodmereipfand an der Ladung ist bei dem Empfänger noch realisierbar, nicht dagegen bei gutgläubigen Dritten, dagegen haftet der schlechtgläubige Empfänger beschränkt persönlich, wenn er ohne Zahlung der Schuld das Pfand weiter giebt (§ 697).

§ 679.

Bodmerei im Sinne dieses Gesetzbuchs ist ein Darlehnsgeschäft, welches von dem Schiffer als solchem kraft der in diesem Gesetzbuch

ihm ertheilten Befugnisse unter Zusicherung einer Prämie und unter Verpfändung von Schiff, Fracht und Ladung oder von einem oder mehreren dieser Gegenstände in der Art eingegangen wird, dafs der Gläubiger wegen seiner Ansprüche nur an die verpfändeten (verbodmeten) Gegenstände nach der Ankunft des Schiffes an dem Orte sich halten kann, wo die Reise enden soll, für welche das Geschäft eingegangen ist (Bodmereireise).

1. Über die geschichtliche Entwickelung der Bodmerei ist namentlich zu vergleichen: Matthias, Das foenus nauticum und die geschichtliche Entwickelung der Bodmerei. 1881. S. 75 ff.; Schroeder, Endemanns Handbuch des Handelsrechts. IV. S. 46, S. 233 ff. Das auf griechischer Grundlage entwickelte foenus nauticum war ein Darlehen des Reeders, dessen Rückzahlung durch die glückliche Ankunft des Schiffes am Bestimmungsort bedingt war. Der Gläubiger übernimmt also die Gefahr der Reise. Er erwirbt aber ohne ausdrückliche Abrede kein Pfandrecht an dem Schiff. Der Schuldner haftet, wenn die Bedingung eintritt, persönlich ohne Beschränkung auf das Schiff oder dessen Wert 1). Demgegenüber entwickelte sich im Mittelalter ein mit Rücksicht auf bevorstehende Seereise gegebenes Darlehn, bei welchem dem Gläubiger stets ein Pfandrecht (ursprünglich nur an dem Schiff, dann auch an der mit demselben dem Seerisiko ausgesetzten Ladung und der Fracht) gewährt wird, er dagegen andererseits unter Bezug einer besonderen Prämie zu seiner Befriedigung nach Beendigung der Reise lediglich auf das Pfand unter Ausschlufs jeder persönlichen Haftung 1a) angewiesen wird, sodafs ihn jede Gefahr des Unterganges oder der Verschlechterung trifft. Diese Art des Seedarlehns tritt zuerst neben dem foenus nauticum in den Marseiller Statuten (1253-1255) hervor und findet als eine solche Nebenform über Marseille ihren Weg in das Consulato del mare (Kap. 194) und die Verordnungen von Barcelona und Aragonien, ist dagegen in den noch vorhandenen germanischen Rechtsquellen erst seit dem 14. und 15. Jahrhundert bezeugt, wo der Name Bodmerei auftritt 2), die hier als die alleinige Form des Seedarlehns erscheint.

1) Es gab auch ein foenus nauticum des Ladungsinteressenten unter der Bedingung der glücklichen Ankunft der Ladung, siehe Schroeder S. 237. Da es in der antiken Welt noch keine Seeversicherung gab, bot sich das foenus nauticum als einziges Mittel, die Gefahr der Seereise abzuwälzen.

1a) Gleichzeitige persönliche Garantie des Reeders ist nur bei einem Kreditgeschäft ohne Prämie möglich, vgl. Bd. I S. 224.

2) Es kommen hier namentlich die niederländischen Quellen in Betracht, so die Holländische Ordonnance vom 29. Januar 1649 c. 19 (Pardessus, Collection IV S. 40 ff.), „geldt op schips bodem". Statut von Amsterdam vom 13. August 1527 (Pardessus IV p. 121), Amsterdamer Seerecht aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts (Pardessus I p. 405 ff.). In dem letzteren heifst es Art. 4:

Dieselbe unterscheidet sich von dem foenus nauticum noch dadurch, dafs sie nur als Notbodmerei des Schiffers vorkommt, dem Aufnahme einer solchen im Heimatshafen untersagt wird (vgl. die bei Matthias S. 82ff. citierten Gesetze der deutschen Hansestädte). Wie das Schiff (mit Fracht), so verpfändet der Schiffer in Notfällen auch gegen ein Seedarlehn die Ladung, und auch dies Geschäft wird in den germanischen Ländern als „Bodmerei" bezeichnet). Mit der Rezeption des römischen Rechts veränderte sich aber sowohl in den romanischen wie germanischen Ländern der Charakter der Bodmerei. In jenen verschmolz die Form der Bodmerei mit dem foenus nauticum zu einer Form des Seedarlehns, sodafs das Nebeneinanderbestehen beider aufhört, während andererseits in den gemanischen Ländern und dem Norden die Bodmerei Elemente des foenus nauticum in sich aufnahm1). Diese Mischform, welche hier denselben Namen beibehielt, in Frankreich contrat (prét) à la grosse, grosse aventure, in Spanien contrato a la gruesa, in Italien prestito a cambio maritimo genannt wird, gestattet nicht blofs dem Schiffer Notbodmerei, sondern auch dem Reeder selbst Verbodmung von Schiff und Fracht dem Befrachter der Ladung (uneigentliche Bodmerei). Die Verbodmung erzeugt in allen Fällen ein Pfandrecht, aber bei der uneigentlichen Bodmerei besteht keine Beschränkung der Haftung auf das Pfand. Dieselbe unterscheidet sich von einem gewöhnlichen Pfanddarlehn nur dadurch, dafs, wie bei der Notbodmerei, der Gläubiger die Gefahren der Reise übernimmt, welche auch bei

„Een Schip seilt van Amsterdam of van anderen Steden waer dat het is; een Schipper is ten agteren ende verkoopt Goed op den Bodem; hy is schuldig soo verre die Bodem soo veel te Lande brengt, dat te betalen aen de erste Markt daer hy aankomt, binnen veertien Dagen daer na: ende dat sal hy betalen tusschen den minsten en den meesten. Ende waer't dat de Schipper den Koopman niet vernoegede, ende hy dat Ship verkochtte, ende eenen anderen Schipper in't Schip settede; soo mocht die Koppman dat Schip binnen Jaer en Dag aenspreken en syn Geld daer aen soeken, gelijkerwijs of hy daer tegenwoordig waere.“ Es wird der Fall gesetzt, dafs der Schiffer genötigt ist, behufs Fortsetzung der Reise von den geladenen Gütern zu verkaufen, zugleich aber zur Sicherung der dadurch für den Ladungseigentümer begründeten Forderung diesem das Schiff verbodmet Aus dem „auf den bodem des Schiffs (= op de kiel van den schepe) Geld aufnehmen" ist dann die „Bodmerei" entstanden. Von Holland ging das Institut der Bodmerei in das Seerecht von Wisby und dadurch in die nordischen Seerechte, ferner in die Hanseatischen Seerechte (so in das Hamburger Seerecht von 1497, das Hamburger Statut von 1603, die fast wörtlich die niederländischen Bestimmungen reproduzieren) und auch in die englische Praxis über. Die Engländer haben den Namen Bodmerei (Bottomry) angenommen. Es ist anzunehmen, dafs das Seedarlehn in der Form der Bodmerei germanischen Ursprungs ist, aus dem Norden nach Frankreich (Marseille) gedrungen und hier neben dem foenus nauticum praktisch geworden ist. Der Ausschlufs der persönlichen Haftung ergab sich, da ein Notgeschäft des Schiffers vorlag, von selbst.

3) In England und Nordamerika findet sich dafür der besondere Name respondentia bond".

4) So schon in den Hamburger Statuten von 1603, dem Dänischen Seerecht.

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der gewöhnlichen Seeversicherung übernommen werden, und zwar in der Art, dafs im Fall glücklicher Beendigung der Reise die ganze Darlehnssumme mit Prämie, im Fall eines Totalverlustes infolge solcher Gefahren nichts, im Fall partiellen Verlustes infolge derselben höchstens soviel wie der gerettete Wert bezahlt wird (vgl. Lyon-Caën Nr. 1517). Die Bodmerei erscheint also in jedem Fall als eine Kombination von Darlehn und Seeversicherung 5). Die uneigentliche Bodmerei" war aber ein unpraktisches Institut. Der Reeder und der Befrachter konnten sich leichter und mit geringeren Kosten auf andere Weise Kredit verschaffen, ersterer durch einfache Verpfändung des Schiffes und der Cascopolicen, letzterer durch Verpfändung von Konnossement und Warenpolice. Für die Verpfändung des Schiffs bot sich in der Einführung der Schiffshypothek durch Eintragung in ein Register eine bequeme Form, neben welcher ein privilegiertes Schiffspfand aus Rechtsgeschäften, die nicht den Charakter der Notgeschäfte haben, nicht bestehen kann. Deshalb nahm unser H.G.B. die uneigentliche Bodmerei

5) So definiert das Preufs. Allgem. Landr. § 2359 II, 2 die Bodmerei geradezu als einen Darlehnskontrakt, bei welchem der Gläubiger gegen Verpfändung eines Schiffes oder der Ladung desselben oder beider zusammen die Seegefahr übernimmt“. Auf diesem Standpunkt steht auch noch der französische Code de comm. (Art. 324-327), Art. 326 besagt demgemäfs: dafs Schäden und Verluste, welche eintreten, par le rice propre (inneren Verderb) de la chose et les dommages causés par le fait de l'emprunteur, ne soient point à la charge du préteur, ferner (Art. 328) dafs der Darleiher nur das Risiko der eigentlichen Seefahrt trage. Da bei der Notbodmerei des Schiffers das Abandonrecht gegenüber dem Anspruch auf Rückzahlung des Darlehns gegeben ist, trägt hier trotz dieser Vorschrift thatsächlich der Darlehnsgeber auch die Gefahr eines Unterganges aus den Gründen des Art. 326, wenigstens dann, wenn das ganze Schiffsvermögen beziehentlich die ganze Ladung eines Interessenten (vgl. Bd. I S. 414 Note) verbodmet war. Die Vermischung mit der Seeversicherung führt aber weiter dazu, die Vorschriften wegen Überversicherung und Doppelversicherung auch auf die Bodmerei anzuwenden. Verbodmung über den Wert des Pfandes hinaus ist in Höhe des Mehrwertes auch ohne Arglist des Darlehnnehmers ungültig (Art. 317, 319 Code), ebenso wenn an Mehrere wegen Summen verbodmet ist, welche zusammen den Wert übersteigen. Der Darlehnsgeber kann sofort am Ort des Darlehns Rückgabe fordern, soweit hiernach Ungültigkeit vorhanden ist, Lyon-Caën Nr. 1527 b, 1528, 1586, 1587, 1588. Damit hängt die Bestimmung zusammen, dafs der profit maritime" der Ladung mit und sogar allein verbodmet, also auch bei der Frage einer Überverbodmung mitgerechnet werden darf (Art. 315 in der Fassung des Gesetzes vom 12. August 1885). Ist derselbe Gegenstand zum Teil versichert, zum Teil verbodmet, so mufs der Wert des Geretteten nach Verhältnis der Versicherungssumme zum Bodmereikapital zwischen Versicherer und Bodmereigeber verteilt werden, letzterer ist also an der vollen Geltendmachung seines Pfandrechts gehindert (Art. 331 Code). Man belastet den Gläubiger, selbst wenn das Pfand abzüglich der Kosten besonderer oder grofser Haverei am Ende der Reise noch zu seiner Befriedigung ausreichte, mit einem verhältnismäfsigen Anteil dieser Kosten, so dafs er nicht volle Befriedigung erhält, vgl. S. 445 N. 1. Man hält den Darlehnsgeber zu derselben Anzeigepflicht verbunden wie den Versicherer. So Lyon-Caën Nr. 1606, and. Mein. Valroger Nr. 996.

nicht auf, behielt es aber den Landesgesetzen (denen auch die Ausbildung der Schiffshypothek überlassen war) vor, Bestimmungen über dieselbe zu treffen (Art. 701 alten H.G.B.). Die Landesgesetze haben dies unterlassen. Nur das bremische Einführungsgesetz schrieb in Art. 45 vor, dafs uneigentliche Bodmerei nicht die Rechte eines Schiffsgläubigers gewähren solle. Nachdem nunmehr auch die Schiffshypothek reichsgesetzlich geregelt ist, wiederholt das neue H.G.B. den Art. 701 nicht, und es ist damit für Deutschland das Institut der uneigentlichen Bodmerei definitiv beseitigt. Unser H.G.B. hat aber ferner die eigentliche (Not-) Bodmerei des Schiffers wieder von dem antiken Seedarlehn und damit von der Vermischung mit der Seeversichernng befreit, so dafs die Bodmerei unseres Gesetzes als reines Kreditgeschäft des Schiffers erscheint. Von den fremden Rechten sind drei Gruppen zu unterscheiden:

a. solche, die mit dem deutschen Recht im wesentlichen nur eigentliche (Not-) Bodmerei und zwar als reines Kreditgeschäft kennen "),

b. solche, die zwar die uneigentliche Bodmerei beseitigt haben, in der eigentlichen Bodmerei aber noch ein so gemischtes Geschäft besitzen"),

6) Hierher gehören die skandinavischen Seegesetze, das russische und das englische Recht. Letzteres gestattet jedoch auch dem Schiffsreeder resp. Ladungseigner selbst im Auslande in denselben Notfällen, in denen dem Schiffer dies gestattet ist, Bodmerei zn nehmen, Maclachlan p. 59, Abbott p. 152, 165. Das nordamerikanische Recht gestattet auch noch dem Schiffsreeder resp. Ladungseigner Verbodmung im Inlande und in anderen als Notfällen, aber das Bundesgesetz von 1850, welches die Eintragung der mortgages or hypothecations von Schiffen in die Schiffsregister zur Verhütung von Ungültigkeit gegenüber gutgläubigen Dritten verordnet, nimmt nur die Not bodmerei aus: the lien by bottomry on any vessel created during her voyage, by a loan of money or materials, necessary to repair or enable such vessel to prosecute a voyage, shal not lose its priority or be in any way affected by the provisions of this act, vgl. Parsons I p. 134, 139, 165.

Das finnländische Seegesetz hat zwar die Bodmerei als reines Kreditgeschäft gestaltet. Es läfst aber in Art. 132 auch uneigentliche Bodmerei sowohl des Reeders wie des Ladungseigners wegen minder dringender Bedürfnisse" des Schiffes resp der Ladung zu. Aus der Bodmerei des Reeders entsteht ein Pfandrecht, welches dem aus der Notbodmerei nachsteht (Art. 132, 12 Nr. 7). Das Pfandrecht aus der Bodmerei des Ladungseigners steht allen anderen Seepfandrechten an der Ladung nach.

7) Hierher gehören die Gesetze von Frankreich und Belgien. In Frankreich ist durch das Gesetz über die Schiffshypothek vom 10. Dezember 1874 Art. 27 - jetzt Art. 29 des Gesetzes vom 10. Juli 1885 Art. 191 Nr. 9 des Code de comm. und damit das privilegierte Pfandrecht aus einem Seedarlehn des Reeders (fait avant le depart) bezüglich registrierter Schiffe also die uneigentliche Bodmerei dieser Schiffe selbst beseitigt. Eine uneigentliche Bodmerei bezüglich der Fracht und Ladung besteht theoretisch noch, scheint aber völlig obsolet zu sein. In betreff des Schiffes besteht avant le depart nur noch reines foenus nauticum ohne Pfandrecht (d. h. in der Theorie) vgl. Lyon-Caen Nr. 1518, 1519, Jacobs Nr. 665, 71. Es besteht also praktisch nur noch die Notbodmerei des Schiffers, welche nur zulässig ist, wenn

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