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falls eine Person der Schiffsbesatzung bei der Vertheidigung verwundet oder getödtet wird, die Heilungs- und Begräbni/skosten, sowie die nach den §§ 553, 554 dieses Gesetzbuchs und den §§ 49, 51 der Seemannsordnung zu zahlenden Belohnungen bilden die grofse Haverei.

6. Wenn im Falle der Anhaltung des Schiffes durch Feinde oder Seeräuber Schiff und Ladung losgekauft werden.

Was zum Loskaufe gegeben ist, bildet nebst den durch den Unterhalt und die Auslösung der Geiseln entstehenden Kosten die grofse Haverei.

7. Wenn die Beschaffung der zur Deckung der grofsen Haverei während der Reise erforderlichen Gelder Verluste und Kosten verursacht oder wenn durch die Auseinandersetzung unter den Betheiligten Kosten entstehen.

Diese Verluste und Kosten gehören gleichfalls zur grofsen Haverei.

Dahin werden insbesondere gezählt der Verlust an den während der Reise verkauften Gütern; die Bodmereiprämie, wenn das erforderliche Geld durch Bodmerei aufgenommen wird, und wenn dies nicht der Fall ist, die Prämie für die Versicherung des aufgewendeten Geldes, die Kosten für die Ermittelung der Schäden und für die Aufmachung der Rechnung über die grofse Haverei (Dispache).

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I. Einleitung.

1. Dieser Paragraph soll die wichtigsten und häufigsten Fälle der grofsen Haverei aufführen und die betreffs derselben früher vorhandenen Streitfragen entscheiden (Motive zum preufsischen Entwurf S. 305 f., Prot. S. 2692). Eine erschöpfende Aufzählung der Fälle" war allerdings nicht beabsichtigt, doch wollte man für jeden einzelnen behandelten Fall" klares Recht und für die Aufmachung richtiger Dispachen feste Grundlagen geben. Dies geht insbesondere daraus hervor, dafs in jedem der aufgeführten Fälle die in Havarie grosse zu vergütenden Schäden und Unkosten angegeben werden, selbst wo sich diese wie unter Ziff. 1 ohne jede Schwierigkeit aus der im § 700 aufgestellten Grundregel ableiten liefsen; und zwar ist dies um so bezeichnender, als von den Schäden nicht nur die prinzipalen, sondern auch die sekundären aufgeführt werden, während $700 ganz allgemein die sekundären Schäden in gleicher Weise wie die prinzipalen der grofsen Haverei zuzählt (Prot. S. 2653, Entsch. des R.O.H.G. VIII S. 218, XIII S. 407). Aus der Natur des § 706 folgt also, dafs für die bei den einzelnen Fällen unter die grofse Haverei zu bringenden Opfer lediglich die für jeden Fall und unter der betreffenden Nummer gegebenen Vorschriften mafsgebend sind, und diese Vorschriften weder aus den für einen anderen Fall gegebenen, noch aus dem Generalprincip ergänzt werden dürfen.

So ist z. B. daraus, dafs im Falle der Ziff. 4 die Kosten des Vonund Anbord bringens der Ladung in Havarie grosse gehören, nicht für die Ziff. 2 der Schlufs zu ziehen, dafs die Kosten der Überladung der Waren in die Leichterschiffe gleichfalls in die Havarie grosse zu bringen seien. Ebenso wenig darf aus der Bestimmung derselben Ziff. 4, dafs Heuer und Unterhaltskosten der Besatzung während des Aufenthaltes des Schiffes im Nothafen zur grofsen Haverei zu rechnen sind, gefolgert werden, dafs das Gleiche hinsichtlich der Kost und Heuer der Besatzung während des Aufenthaltes des Schiffes am Strandungsplatze (Ziff. 3) gilt (Entsch. des R.O.H.G. XIII S. 407). Man darf nicht unter Berufung auf die Generalregel des § 700 und auf Ziff. 1, 2, 3, 5 des § 706 annehmen, dafs (unter Ziff. 4) zur grofsen Haverei gezählt werden müssen die Schäden, welche im Nothafen wegen notwendiger Schiffsreparatur ausgeladene und zu Lager gebrachte Ladung bei dem Aus- und Einladen oder durch die Lagerung erlitten hat1) (Entsch. des R.O.H.G. VIII S. 216-219, Hans. V Nr. 2), oder die Schäden, welche das Schiff infolge des Einlaufens in den Nothafen erlitten hat, oder Ausgaben für Wohnung und Beköstigung der Passagiere (s. unten V, Nr. 5).

Das Reichsgericht hat sich der obigen Theorie des Reichsoberhandelsgerichts in dem Urteil vom 23. März 1888 Hans. IX Nr. 84 (auch Seuffert Bd. 44 Nr. 40, Bolze VI Nr. 535) unbeschränkt angeschlossen, indem es dieselbe für „gewifs richtig“ erklärt, vgl. auch Begründung des Binnensch.-Ges. S. 106-1071a).

1) Dafs derartige Schäden nicht unter Havarie grosse zu bringen, ist übrigens von der Hamburger Konferenz ausdrücklich anerkannt worden. Der preufsische Entwurf (Art. 558) rechnete nämlich zur grofsen Haverei nicht nur die Kosten des Auflegens, der Aufbewahrung und des Anbordbringens der Ladung, wenn solche nicht während der Ausbesserung am Schiffe hat bleiben können", sondern auch alle Beschädigungen, welche der Ladung hierbei zugestofsen sind“. Die Konferenz fafste (mit 10 gegen 1 Stimme) den Beschlufs, die gesperrt gedruckten Worte zu streichen, „da kein Seerecht so weit gegangen sei, auch kein ursächlicher Zusammenhang zwischen solchen Beschädigungen, wie z. B. dem Aufbrennen der Ladung auf dem Lager und dem Aufenthalt im Nothafen vorhanden zu sein scheine". Auch würde eine solche Bestimmung, wollte man sie beibehalten, jedenfalls auf das Schiff auszudehnen sein" (Prot. S. 2668).

1a) Vor dem ersten im Text citierten Urteil des RO.H.G. vom 10. Dezember 1872 Entsch. VIII S. 218 hatte das Hamburger Obergericht in einem Urteil vom 26. September 1870 (H.G.Z. III Nr. 304, Goldschmidts Zeitschr. Bd. 18 S. 589 ff.) anders erkannt: es hatte einen Schaden, den das Schiff durch Festsitzen und Durchliegen im Nothafen erlitten hatte, in grofse Haverei gebracht, weil dieser Schaden bei dem Einlaufen voraussehbar war (vgl. Hans. IV Nr. 121). Die Entscheidung beruht auf einer Anwendung des allgemeinen Princips des § 700. Ebenso polemisiert Heck § 19 S. 203 ff. lebhaft gegen die Theorie des R.O.H.G. Auch er will die Ableitung weiterer Ansätze in grofser Haverei in den Fällen des § 706 aus dem Generalprincip des § 700 zulassen. Dadurch würde der ganze Zweck der Einzelnvorschriften illusorisch werden. Soweit die allgemeinen Voraussetzungen der Einzelnfälle (wie in den Fällen der Ziff. 3 und 4) von der Generalregel des § 700 abweichen, verbietet sich schon die Ableitung weiterer Ansätze aus

Die allgemeinen Voraussetzungen der grofsen Haverei sind dagegen in den Fällen des § 706 nach den $$ 700, 702, 705 zu bestimmen, soweit § 706 nicht in seinen besonderen Bestimmungen etwas Anderes anordnet (Prot. S. 2692), was namentlich in dem Fall der Ziff. 3 Abs. 1 und der Ziff. 4 der Fall ist. Anders ist das Verhältnis der im Anhang zu dem Titel abgedruckten York-Antwerpener Regeln zu den allgemeinen Vorschriften s. hierüber Bem. Nr. 1 zu § 700.

II. Seewurf.

(Ziffer 1 und York-Antwerpener Regeln II und IV.)

Der Seewurf ist der Hauptfall der grofsen Haverei, welcher seit der lex Rhodia de jactu den übrigen zum Vorbild diente.

Der Schiffer darf, abgesehen von Brandfällen, vgl. S. 471, nur dann diese Mafsregel ergreifen, wenn von einer Erleichterung die Rettung des Schiffs und der Ladung abhängt, sei es, dafs dadurch das Sinken des ersteren verhütet oder dasselbe von einer Sandbank oder vom Strande abgebracht, oder der Verfolgung feindlicher Schiffe oder Seeräuber entzogen werden soll. Das H.G.B. hat nicht, wie andere Gesetze 1b), dem Schiffer Vorschriften über die Auswahl der zum Werfen bestimmten Gegenstände gegeben. Natürlich wird jeder Schiffer, der bei Sinnen ist, nur solche Sachen über Bord werfen, von denen eine Erleichterung des Schiffs zu erwarten, also nur solche von gröfserem Gewicht. Ebenso wird ein ordentlicher Schiffer die entbehrlichsten und wenigst kostbaren wählen, vorausgesetzt, dafs die Umstände ihm die Zeit zu einer solchen Wahl gestatten.

derselben von selbst. Will man eine solche zulassen, so ist ferner die Unklarheit wieder vorhanden, die man vermeiden wollte. Die S. 209-211 gebrachten Beweise aus den Protokollen sind nicht stichhaltig. Der Beschlufs S. 2668 (s. N. 1) will offenbar die Liquidation aller Beschädigungen, von denen die Ladung bei oder nach der Löschung am Land betroffen wird, zurückweisen, wogegen dann (vgl. S. 2730) diese Ladung andererseits zu den Havereien, die dem Schiff, so lange die Ladung nicht an Bord ist, zustofsen, nicht herangezogen wird. War die Ladung dagegen schon vor der Löschung infolge eines besonderen Aktes grofser Haverei beschädigt, z. B. bei dem Löschen eines Brandes feucht geworden, so bleiben die Folgen dieser Beschädigung grofse Haverei, auch soweit sie erst nach der Löschung sich zeigen. Diese Schäden stehen mit der Haverei im Kausalzusammenhang“ (Prot. S. 2730). Die Prot. S. 2667-2724 sich findende Erörterung über Fortzahlung von Zeitfracht gehört gar nicht hierher, ist übrigens durch die Vorschrift des § 640 a. E. grofsenteils erledigt. Heck übersieht ferner S. 208 bis 209, dafs durch neue selbständige Akte grofser Haverei weitere Ansprüche begründet werden können, wie z. B. Schlepplohn zum Nothafen, Leichterlohn im Nothafen. Diese sind also auch bei der hier verteidigten Theorie nicht ausgeschlossen. Endlich verkennt er S. 211, dafs die Ableichterung in Schiffsboote gar nicht in Ziff, 2 behandelt wird, vgl. Text III Nr. 3.

1b) Code de commerce Art. 411 (Les choses les moins nécessaires, les plus pesantes et de moindre prix sont jetées les premières, et ensuite les marchandises du premier pont au choix du capitaine, et par l'avis des principaux de l'équipage); brasil. H.G.B. Art. 776, Russland (Art. 400).

Doch wird man in dieser Hinsicht nicht allzu hohe Anforderungen an ruhige Überlegung stellen dürfen. Ein pflichtwidriges Handeln wird nur dann begründet sein, wenn der Schiffer in offenbar zweckwidriger Weise Sachen geopfert hat, vgl. oben S. 468.

In Ausführung der Bestimmung des § 700 in betreff mittelbarer Folgen der Opfermafsregel hat Abs. 2 der Ziff. 1 auch die mit dem Seewurf in Verbindung stehenden Beschädigungen von Schiff oder Ladung (einschliesslich mittelbarer Verluste an Fracht der laufenden Reise § 715, vgl. S. 540) zur grofsen Haverei gerechnet, wie der gleiche Grundsatz bereits im R.R. anerkannt ist (L. 4 § 2 i. f. De lege Rhod.). Dahin gehört z. B. der Schaden, welchen die Ladung dadurch erleidet, dafs Wasser durch die zum Zwecke des Seewurfs geöffneten Luken oder durch andere zu diesem Zwecke gemachten Öffnungen in den Raum dringt; ferner der Schaden, welcher infolge eines Seewurfs durch Bruch oder Scheuern oder sonst durch Störung der Stauung an Schiff und Ladung verursacht wird 2), die Beschädigung, welche der gekappte Mast beim Niederfallen dem Schiffskörper zufügt. Vgl. Bem. Nr. 9 A zu § 700 und York-Antwerpener Regel IV. Ausnahmen bei Wurf von Deckladung u. s. w. siehe § 708, York - Antwerpener Regel I, bei Kappen von Trümmern York - Antwerpener Regel IV, vgl. N. 11 zu §700, Rettung geworfener Güter s. § 720. Wird das Schiff durch Kappen der Masten hülflos, so kann der dadurch entstehende Zustand Anlafs zu neuen Aufwendungen in grofser Haverei geben, wie Schlepplöhne, Leichterkosten. Dies sind selbständige Ha

vereiakte.

III. Leichterung.

(Ziffer 2 und York-Antwerpener Regel VIII.)

1. Leichterung des Schiffes kann bei der Schiffahrt in Flüssen, Kanälen, Stromengen zur kontraktlichen Leistungspflicht gehören, selbst wenn dieselbe aufserdem durch gemeinsame Gefahr geboten ist. In diesen Fällen ist es Sache des Verfrachters, die Fracht so zu stellen, dafs er wegen der voraussehbaren Extrakosten Deckung findet. Wird bei dem Über- und Rückladen oder auf dem Leichterschiff die Ladung beschädigt, so entscheidet über die Ersatzpflicht der Frachtvertrag. Eine solche kontraktliche Leistungspflicht ist, abgesehen von ausdrücklicher Abrede, dann anzunehmen, wenn die Leichterung in gleicher Art auch schon im regelmässigen Verlauf der Reise (bei Barren, Sandbänken, winterlicher Eisfahrt u. s. w.) vorkommt. Darauf beruht die Ausnahme, welche

2) Hiermit stimmen auch die fremden Rechte überein, vgl. z. B. franz. Code de comm. (Art. 400: Sont avaries communes les dommages occasionnés par le jet aux marchandises restées dans le navire); das holländ. H.G.B. Art. 699 N. 5; das brasil. H.G.B. Art. 764 N. 5; skandinavisches Seegesetz (§ 188 Nr. 1, 2). Eben dies ist auch die herrschende Ansicht der englischen und amerikanischen Juristen: Arnould II S. 769 ff.; Maclachlan S. 672; Phillips II N. 1286.

Abs. 3 der Ziff. 2 macht; vgl. Prot. S. 4212-4213 und § 621 Bem. Nr. 4, § 700 Bem. Nr. 10 und N. 18, sowie die dort citierten Urteile, dazu auch Hans. II Nr. 72, vgl. Begründung des Binnensch.Ges. S. 107. Nach den York-Antwerpener Regeln gilt dasselbe. Es wird dies in der Regel VIII besonders durch das Wort „Extrakosten" betont, vgl. Report der Liverpooler Konferenz S. 167 und oben Bem. Nr. 1 zu § 700.

2. Die Leichterung kann als Rettungsakt notwendig werden, wenn das Schiff festsitzt, also der Fall der Abbringung bei unfreiwilliger Strandung, vgl. unten IV B (darauf allein bezieht sich die York-Antwerpener Regel VIII), wenn es in den Hafen nicht ohne Leichterung hineingehen kann, längeres Verweilen vor dem Hafen aber gefahrvoll ist (vgl. 1. 4 pr. de lege Rhodia), wenn das Schiff in Gefahr schwebt, von der durch Wasser geschwollenen Ladung (Holz z. B.) auseinandergesprengt zu werden u. s. w.3).

3. Unter dem „Leichterlohn" sind auch Nebenkosten, wie z. B. Lotsen- oder Hafengelder, die für das Leichterschiff zu verauslagen sind, zu verstehen. Das Leichterfahrzeug ist mit seiner Ladung an sich wieder selbständig (vgl. Prot. S. 2730), besondere Haverei desselben tangiert das Hauptschiff nicht, Beiträge zur grofsen Haverei, die auf die Ladung des Leichterschiffes fallen, sind aber Schäden, welche diese betreffen. Dieselben können also ebenso wie jede besondere Haverei der Leichterladung bei der grofsen Haverei des Hauptschiffes liquidiert werden. Leichterladung bleibt auch für spätere Havereien des Hauptschiffes beitragspflichtig, wenn nicht etwa die ganze Ladung zwar zum Zweck der Rettung von Schiff und Ladung, gleichzeitig aber zum Zweck ihrer Weiterbeförderung mit dem Leichterschiff in den Bestimmungshafen abgeleichtert wurde, also die Reise mit der Leichterung selbst endete (vgl. §§ 714, 718 Abs. 1, Bem. Nr. 5 zu § 700)1).

Die

3) Die fremden Rechte nehmen hier gleichfalls einen Havarie grosse Fall an. So das englische Recht: Arnould II S. 768, Ulrich S. 360 ff.; das holländ. H.G.B. Art. 699 Nr. 14 (Art. 702 bestimmt ausdrücklich, dass der Leichterlohn nicht in Havarie grosse zu bringen ist, wenn wegen stets vorhandener Sandbänke u. s. w. ein Teil der Ladung mit Leichterfahrzeugen herangebracht oder in Leichter gelöscht werden mufs), das span. H.G.B. Art. 811 Nr. 4; brasil. H.G.B. Art. 764 Nr. 13; das argentinische H.G.B. Art. 1320; das französische Recht: nur ist die Bestimmung des Code de comm. Art. 400 Nr. 7 in betreff der Leichterkosten zu speciell (quand le navire est contraint de le faire par tempête ou par la poursuite de l'ennemi) und deshalb bei strenger Auslegung zu eng. Art. 427 bestimmt noch allgemeiner: En cas de perte des marchandises mises dans les barques pour alléger le navire entrant dans un port ou une rivière, la répartition en est faite sur le navire et son chargement en entier. Si le navire périt avec le reste de son chargement, il n'est fait aucune répartition sur les marchandises mises dans les alleges, quoiqu'elles arrivent à bon port, vgl. Lyon-Caën Nr. 908. Ähnlich Portugal (Art. 643), Italien (Art. 643 Nr. 15, Art. 652), Rufsland (Art. 406, 407). Finnland und Skandinavien haben keine besondere Vorschrift.

4) Die § 706 Nr. 2 genannten Schäden und Kosten gehen auch in diesem Fall in grofse Haverei, die Schäden der Leichterladung erscheinen als Folgeschäden des Havereiaktes der Leichterung.

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