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Wochenschr. 1896 S. 177 Nr. 41. Der Dispacheur selbst durfte die Dispache nicht ohne Zustimmung aller Beteiligten ändern. Denn wenn die Dispache auch nicht als ein Urteil" anzusehen ist, so ist dieselbe doch eine für alle Beteiligte vorläufig (d. h. bis ein abänderndes, rechtskräftiges Erkenntnis vorliegt) feststehende Schadensauseinandersetzung" (Entsch. des O.A.G. zu Lübeck vom 14. Oktober 1865, Kierulff I S. 899, 924 f.).

Die jetzt geltenden reichsrechtlichen Vorschriften nehmen eine Mittelstellung zwischen diesen beiden Systemen ein, indem dieselben nur auf Antrag eines Beteiligten das gerichtliche Bestätigungsverfahren eintreten lassen, in Ermangelung eines solchen Antrages derselbe Rechtszustand bleibt, der bisher in den oben unter b genannten Bundesstaaten bestand. Da eine gleichzeitige Feststellung der Dispache gegenüber allen Beteiligten und Vollstreckbarkeit der so festgestellten Dispache die Beitreibung aufserordentlich erleichtert, so wird der Antrag auf Bestätigung zweckmäfsig stets zu stellen sein, wenn nicht alle Beteiligten die Dispache als richtig anerkennen. Die reichsgesetzlichen Vorschriften sind enthalten in den §§ 149 ff. des

Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898.

§ 149. Für die Verrichtungen, welche den Gerichten in Ansehung der nach dem Handelsgesetzbuch1) oder nach dem Gesetze, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, aufzumachenden Dispache obliegen, ist das Amtsgericht des Orts zuständig, an welchem die Vertheilung der Havereischäden zu erfolgen hat.

§ 150. Lehnt der Dispacheur den Auftrag eines Betheiligten zur Aufmachung der Dispache aus dem Grunde ab, weil ein Fall der grofsen Haverei nicht vorliege, so entscheidet über die Ver

1) Also nicht für solche Dispachen, welche im Inland auf Grund fremden Rechts oder von inländischen Dispacheuren aufgemacht werden, welche nur auf Grund von Konnossementsklauseln oder sonstigen Vereinbarungen der Beteiligten, ohne gesetzliche Zuständigkeit (§ 727 H.G.B.) damit betraut sind, vgl. auch unten im Text Bem. Nr. 2 und 3.

1a) Durch das im § 150 vorgeschriebene Verfahren wird eine Vorentscheidung darüber möglich, ob überhaupt ein Fall grofser Haverei vorliegt. Dieselbe ist nicht endgültig, da immer noch nach Aufmachung der Dispache die Anfechtung dieser gemäfs § 156 im ordentlichen Rechtsweg offen bleibt (vgl. § 158). Die sofortige Beschwerde ist binnen zwei Wochen bei dem Amtsgericht oder dem Landgericht, welches darüber entscheidet, einzureichen. Gegen dessen Entscheidung findet weitere sofortige Beschwerde, aber nur wegen Verletzung von Rechtsnormen (§§ 550, 551, 561, 563 C.P.Ó.), statt. Diese letztere ist bei dem Amtsgericht oder dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht, welches bald selbst entscheidet, bald zur Abgabe an das Reichsgericht verpflichtet ist (wenn es von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Reichsgerichts ab

pflichtung des Dispacheurs auf Antrag des Betheiligten das Gericht. Gegen die Verfügung findet die sofortige Beschwerde statt 1a).

§ 151. Auf Antrag des Dispacheurs kann das Gericht einem Betheiligten) unter Androhung von Ordnungsstrafen aufgeben, dem Dispacheur die in seinem Besitze befindlichen Schriftstücke, zu deren Mittheilung er gesetzlich verpflichtet ist, auszuhändigen. Die einzelne Strafe darf den Betrag von dreihundert Mark nicht übersteigen.

§ 152. Der Dispacheur ist verpflichtet, jedem Betheiligten Einsicht in die Dispache zu gewähren und ihm auf Verlangen eine Abschrift gegen Erstattung der Kosten zu ertheilen.

§ 153. Jeder Betheiligte ist befugt, bei dem Gericht eine Verhandlung über die von dem Dispacheur aufgemachte Dispache zu beantragen. In dem Antrage sind diejenigen Betheiligten zu bezeichnen, welche zu dem Verfahren zugezogen werden sollen3).

Wird ein Antrag auf gerichtliche Verhandlung gestellt, so hat das Gericht die Dispache und deren Unterlagen von dem Dispacheur einzuziehen und, wenn nicht offensichtlich die Voraussetzungen der grofsen Haverei fehlen, den Antragsteller, sowie die von ihm bezeichneten Betheiligten zu einem Termine zu laden. Mehrere Anträge können von dem Gerichte zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung verbunden werden.

Die Ladung mufs den Hinweis darauf enthalten, dufs, wenn der Geladene weder in dem Termin erscheine noch vorher Widerspruch gegen die Dispache bei dem Gericht anmelde, sein Einverständnifs mit der Dispache angenommen werden würde. In der Ladung ist zu bemerken, dafs die Dispache und deren Unterlagen auf der Gerichtsschreiberei eingesehen werden können.

Die Frist zwischen der Ladung und dem Termine mufs wenigstens zwei Wochen betragen.

§ 154. Erachtet das Gericht eine Vervollständigung der Unterlagen der Dispache für nothwendig, so hat es die Beibringung der erforderlichen Belege anzuordnen. Die Vorschriften des § 151 finden entsprechende Anwendung.

§ 155. In dem Termin ist mit den Erschienenen über die Dispache zu verhandeln.

weichen will), einzureichen. Nur die weitere Beschwerde unterliegt dem Anwaltszwang $$ 19-30 des Gesetzes.

2) Beteiligt im Sinne der §§ 151 ff. sind nicht nur der Reeder, Schiffer, Schiffseigentümer und die Ladungsinteressenten, vgl. Bem. Nr. 6 zu § 711, sondern auch die Assekuradeure.

3) Da dem Antragsteller die Bezeichnung der Beteiligten", welche zugezogen werden sollen, überlassen ist und das Gericht nicht befugt ist, weitere Beteiligte zuzuziehen, so wirkt das gerichtliche Verfahren und die daraus resultierende Bestätigung auch nur gegenüber den Beteiligten, welche auf diese Weise zu dem Verfahren zugezogen sind, vgl. § 158. Der Antragsteller mufs daher zur Vermeidung einer beschränkteren Wirkung des Verfahrens sorgfältig vermeiden, dafs Beteiligte ausgelassen werden. Ist dies dennoch geschehen, mufs er deren nachträgliche Zuziehung veranlassen. Auch ist nicht ausgeschlossen, dafs sich Beteiligte selbst melden.

Wird ein Widerspruch gegen die Dispache nicht erhoben und ist ein solcher auch vorher nicht angemeldet, so hat das Gericht die Dispache gegenüber den an dem Verfahren Betheiligten zu bestätigen.

Liegt ein Widerspruch vor, so haben sich die Betheiligten, deren Rechte durch ihn betroffen werden, zu erklären. Wird der Widerspruch als begründet anerkannt oder kommt anderweit eine Einigung zu Stande, so ist die Dispache demgemäss zu berichtigen. Erledigt sich der Widerspruch nicht, so ist die Dispache insoweit zu bestätigen, als sie durch den Widerspruch nicht berührt wird.

Werden durch den Widerspruch die Rechte eines im Termine nicht erschienenen Betheiligten betroffen, so wird angenommen, dafs dieser den Widerspruch nicht als begründet anerkenne.

§ 156. Soweit ein Widerspruch nicht gemäss § 155 Abs. 3 erledigt wird, hat ihn der Widersprechende durch Erhebung der Klage gegen diejenigen an dem Verfahren Betheiligten, deren Rechte durch den Widerspruch betroffen werden, zu verfolgen. Die das Vertheilungsverfahren betreffenden Vorschriften der §§ 878, 879 der Civilprozefsordnung 4) finden mit der Mafsgabe entsprechende Anwendung, dafs das Gericht einem Betheiligten auf seinen Antrag, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht werden, die Frist zur Erhebung der Klage verlängern kann und dafs an die Stelle der Ausführung des Vertheilungsplanes die Bestätigung der Dispache tritt 5).

Ist der Widerspruch durch rechtskräftiges Urtheil oder in anderer Weise erledigt, so wird die Dispache bestätigt, nachdem sie erforderlichen Falls von dem Amtsgerichte nach Mafsgabe der Erledigung der Einwendungen berichtigt ist.

4) C.P.O. § 878. Der widersprechende Gläubiger mufs ohne vorherige Aufforderung binnen einer Frist von einem Monate, welche mit dem Terminstage beginnt, dem Gerichte nachweisen, dafs er gegen die beteiligten Gläubiger Klage erhoben habe. Nach fruchtlosem Ablaufe dieser Frist wird die Ausführung des Planes ohne Rücksicht auf den Widerspruch angeordnet.

Die Befugnis des Gläubigers, welcher dem Plane widersprochen hat, ein besseres Recht gegen den Gläubiger, welcher einen Geldbetrag nach dem Plane erhalten hat, im Wege der Klage geltend zu machen, wird durch die Versäumung der Frist und durch die Ausführung des Planes nicht ausgeschlossen.

§ 879. Die Klage ist bei dem Verteilungsgericht und, wenn der Streitgegenstand zur Zuständigkeit der Amtsgerichte nicht gehört, bei dem Landgerichte zu erheben, in dessen Bezirke das Verteilungsgericht seinen Sitz hat.

Das Landgericht ist für sämtliche Klagen zuständig, wenn seine Zuständigkeit nach dem Inhalte der erhobenen und in dem Termine nicht zur Erledigung gelangten Widersprüche auch nur in betreff einer Klage begründet ist, sofern nicht die sämtlichen beteiligten Gläubiger vereinbaren, dafs das Verteilungsgericht über alle Widersprüche entscheiden solle.

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5) Die Bestätigung selbst hat also nicht die Kraft eines Urteils, sondern nur dieselbe Wirkung wie die Ausführung des Verteilungsplans" im Sinne der C.P.O. Der Unterschied ist nur der, dafs hier die Masse sich nicht in den Händen des Gerichts befindet, sondern im Wege der Vollstreckung (§ 158), jeder das Seinige erhält, vgl. N. 7.

§ 157. Gegen die Verfügung, durch welche ein nach § 153 gestellter Antrag auf gerichtliche Verhandlung zurückgewiesen oder über die Bestätigung der Dispache entschieden wird, findet die sofortige Beschwerde statt.

Einwendungen gegen die Dispache, welche mittels Widerspruchs geltend zu machen sind, können nicht im Wege der Beschwerde geltend gemacht werden.

§ 158. Die Bestätigung der Dispache ist nur für das gegenseitige Verhältnifs der an dem Verfahren Betheiligten wirksam ).

Aus der rechtskräftig bestätigten Dispache findet die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Civilprozefsordnung statt.

Für Klagen auf Ertheilung der Vollstreckungsklausel, sowie für Klagen, durch welche Einwendungen gegen die in der Dispache festgestellten Ansprüche geltend gemacht werden") oder die bei der Ertheilung der Vollstreckungsklausel als eingetreten angenommene Rechtsnachfolge bestritten wird, ist das Amtsgericht zuständig, welches die Dispache bestätigt hat. Gehört der Anspruch nicht vor die Amtsgerichte, so sind die Klagen bei dem zuständigen Landgerichte zu erheben.

2. Wenn alle Beteiligten eine andere Person als den obrigkeitlichen Dispacheur mit Aufmachung der Dispache betrauen (Prot. S. 2758 ff., O.A.G. Lübeck vom 14. Okt. 1865 in Kierulff Ì S. 293), so kommen nicht die Vorschriften des Reichsgesetzes vom 17. Mai 1898 zur Anwendung 8). Wie die Dispacheure „ein für allemal" zu bestellen sind, überläfst das Reichsgesetz den Landesgesetzen. In Preufsen kann die Bestellung durch die Handelskammer geschehen, Preufs. Ges. vom 19. Aug. 1897 über

6) Vgl. N. 3 und 5.

7) Es sind aber nicht nur die Einwendungen zulässig, welche gegen ein vollstreckbares Erkenntnis zulässig sind, vgl. § 767 Abs. 2 C.P.O. Es kann vielmehr die bestätigte Dispache im Wege der Klage von jedem angefochten werden, der Widerspruch erhoben, dann aber die Klagfrist versäumt hatte (§ 156 Abs. 1 Ges. oben N. 5, § 878 Abs. 2 C.P.O.). Nur hindert diese Klage nicht die Vollstreckung. Soweit Widersprüche schon vor Bestätigung durch Urteil erledigt waren, behält es dabei sein Bewenden. Wer überhaupt nicht widersprochen hat, steht dem gleich, der ausdrücklich die Dispache anerkennt. Ein solches Anerkenntnis kann nur gemäfs §§ 119 ff. B.G.B. angefochten werden. Aufserdem kann durch Klage eine nach wie vor der Dispache erfolgte Zahlung oder ein nach dem Termin (§ 155) geschlossener Vergleich geltend gemacht werden.

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8) Sind nicht alle Beteiligten mit einer solchen aufserordentlichen Regelung einverstanden, so ist das Übereinkommen ungültig, da die Umlage nur einheitlich geregelt werden kann. Sind alle Beteiligten einverstanden, so entsteht die Frage, ob eine solche aufserordentliche Dispache nur wie eine unbestätigte amtliche Dispache wirkt, also der unbeschränkten Anfechtung im Rechtsweg unterliegt (vgl. Text Bem. Nr. 1b), oder wie ein arbitrium, dessen Anfechtung nur wegen offenbarer Unbilligkeit“ zulässig ist (§§ 317 ff. B.G.B.). Es wird meines Ermessens im Zweifel als Wille der Kontrahenten ersteres anzunehmen sein. So auch Jacobs I Nr. 482 und das bei Ulrich S. 125 in N. 18 citierte Urteil des Handelsgerichts zu Antwerpen vom 29. Januar 1864.

die Handelskammern § 42; in Hamburg ist nach § 9 Ausf.Ges. ein Dispacheur für das ganze Staatsgebiet ein für allemal bestellt. Jedenfalls ist das Amtsgericht, falls nichts anderes angeordnet ist, befugt Dispacheure zu ernennen, § 145 F.W.G.

3. Ausländische Dispachen unterliegen auch in betreff der Frage, welche Personen zur Aufmachung berufen sind, ferner in betreff ihrer Form und Wirkung den ausländischen Gesetzen. (vgl. § 727 Bem. Nr. 3). Über die Befugnis der Konsuln zur Aufmachung von Dispachen im Ausland) s. Bd. I S. 81. Werden Dispachen im Deutschen Reich von fremden Konsuln aufgemacht, was nach den Konsularverträgen (vgl. Bd. I S. 81), abgesehen von anderen Voraussetzungen, nur in dem seltenen Fall zulässig ist, wenn keine Inländer beteiligt sind, so kann auch auf diese Dispachen § 729 H.G.B. und das Reichsgesetz vom 17. Mai 1898 nicht angewandt werden, da diese Gesetze eine amtliche deutsche Dispache voraussetzen. Die Wirkung einer solchen Dispache ist die einer nicht bestätigten deutschen Dispache (vgl. Bem. Nr. 1b) 10).

4. Die Verpflichtung, welche Abs. 2 vorschreibt, kann nach § 151 F.W.G. (s. Bem. Nr. 1) durch Ordnungsstrafen erzwungen werden. Machen Ladungsinteressenten dem Dispacheur Angaben über die Werte der beitragspflichtigen Güter, so sind dies keine rechtsgeschäftlichen Akte, sie können also korrigiert werden, R.O.H.G. XXIII S. 100 ff.

9) Die Dispachen, welche die deutschen Konsuln gemäfs § 36 des Ges. vom 8. November 1867 aufnehmen, können nicht von den inländischen Gerichten bestätigt werden, also nicht inländische vollstreckbare Urkunden werden.

10) In Frankreich ist die Aufmachung der Dispache ähnlich geregelt wie bei uns. Es findet eine amtliche Ernennung der Dispacheure, welche auch als Schätzer der Schäden fungieren, und eine Bestätigung (homologation) der Dispache statt, durch welche dieselbe vollstreckbar wird, vgl. Art. 414, 416 Code de commerce. Die französischen Konsuln haben aber im Ausland nicht blofs die Befugnis zur Ernennung von Dispacheuren, sondern auch zur Bestätigung von Dispachen, soweit dies durch die ausländischen Gesetze oder Konsularverträge nicht verhindert wird, vgl. Lyon-Caen Nr. 970 ff. Ebenso die dem französischen Code folgenden Gesetze, wie z. B. Belgien Art. 118, 119, Italien Art. 658; auch Holland Art. 724, Spanien Art. 865, Mexico Art. 940, Chile Art. 1119, Peru Art. 1003 haben ähnliche Bestimmungen wie Frankreich, jedoch haben deren Konsuln nicht die gleiche Befugnis wie dort. Dagegen findet in anderen Ländern eine amtliche Bestätigung und Vollstreckbarkeitserklärung der Dispache nicht statt, es mufs aus der Dispache geklagt werden, so Skandinavien Art. 213, Portugal Art. 652, Finnland Art. 152, Argentinien Art. 1336, Brasilien Art. 793. Nach Art. 193 der Statuten der Börse in St. Petersburg ist für Dispachen schiedsrichterliche Schlichtung von Streitigkeiten vorgeschrieben. In England und Nordamerika sind die Dispacheure (adjusters) Privatpersonen, eine amtliche Bestätigung von Dispachen (general average statement) findet nicht statt, man pflegt in den average bonds (vgl. N. 1 zu § 726) eine bestimmte kurze Frist zu Monituren gegen eine Dispache zu setzen, vgl. Ulrich S. 393.

Lewis-Boyens, Seerecht. II.

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