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Barthold Heinrich Brockes.

Geb. am 22. Sept. 1680 zu Hamburg, fludirte die Rechte, bereis'te Italien, und starb als Rathsherr zu Hamburg 1747. Seine Poesie zeigt schon die Erhebung zum Bessern und zeichnet sich aus durch Innigkeit der Naturbetrachtung und reinen Sinn; die Form jedoch oft breit und schwerfällig.)

Die Nachtigall.

Ich hörte die Siren' der Büsche, Die wundersüße Nachtigall, Wie sie mit klingentem Gezische Erfüllte Wälder, Berg und Thal; 3 hörte fie bezaubernd ftreicheln Mit holdem Gurgeln Luft und Ohr; Es brachte ihrer Kehle Schmeicheln Die Leiter der Musik hervor. Sie machte Fugen, Pausen, Sprünge Und Contrapunkten, daß es ließ, Ob sie mit tausend Zungen fünge Und in viel hundert Nöhren blies. Bald ist's, als ob sie jemand riefe; Bald kräuselt sie den reinen Schall; Bald senkt sie ihn in hohler Tiefe Durch einen angenehmen Fall. Es läßt, als wären im Geäder Von ihrem eingeschränkten Schlund Vom Wirbelwind getriebne Räder; So scharf, so reinlich und so rund Formirt ihr enger Hals die Löne, Za, selbst die schwersten ohne Müh', Ohn' alles Zwingen, hell und schöne; Bald zieht, bald dreht, bald schärft fie fie. kein Fechter schwingt so rasch den Degen, Die Wellen wallen nicht so kraus, Kein Pfeil kann sich so schnell bewegen, Als sie die Noten bringt heraus. 3's möglich, dacht' ich, wohnt solch Klingen So einem kleinen Seelchen bei? 3's möglich, daß von solchem Singen Die Quell' ein tönend Stäubchen sei? Ein Federchen, drin Ton und Zeben? Ein flügel-schwingender Gefang? Ein Schall, ein Hauch mit Haut umgeben? Ein fingend Nichts? ein bloßer Klang? In solchen forschenden Gedanken Vertiefte sich mein muntrer Sinn;

Ich schloß nach Hin- und Wieder-wanken, Es sei was Himmlisches varin.

Kirschblüte bei der Nacht.

Ich sahe mit betrachtendem Gemüthe,
Jüngst einen Kirschbaum, welcher blühte,
In kühler Nacht beim Mondenschein;
Ich glaubt', es könne nichts von größ'rer
Weiße sein.

Es schien, als wär' ein Schnee gefallen;
Ein jeder, auch der kleinste Af
Trug gleichsam eine schwere Last
Von zierlich weißen runden Ballen.
Es ist kein Schwan so weiß, va nämlich

jedes Blatt,

Indem daselbst des Mondes sanftes Licht Selbst durch die zarten Blätter bricht, Sogar den Schatten weiß und sonder Schwärze hat. Unmöglich, dacht' ich, kann auf Erden Was Weiß'res angetroffen werden.

Zudem ich nun bald hin und her Im Schatten dieses Baumes gehe, Sah ich von ungefähr Durch alle Blumen in die Höhe, Und ward noch einen weißern Schein, Der tausendmal so weiß, der tausendmal so Fast halb darob erstaunt, gewahr. [flar, Der Blüte Schnee schien schwarz zu sein Bei diesem weißen Glanz. Es fiel mir ins Gesicht Von einem hellen Stern ein weißes Licht, Das mir recht in die Seele stratte. Wie sehr ich mich am Zrdischen ergeße, Dacht' ich, hat Gott dennoch weit größ're Schätze.

Die größte Schönheit dieser Erden Kann mit der himmlischen doch nicht verglichen werden.

Johann Christian Günther.

(Heb. am 8. April 1695 zu Strigau in Schlesien; sollte Medicin studiren, fand aber zu viel Beifall in der Borsie und veririte sich in ein unitates Leben, worin er zwischen Fallen und Bereuen den Frieden der Seele nicht finden tonnte; er starb am 15. är 1723. Seine Tocfie athmet Wahrheit der Empfindung und erhebt sich auch in der Form über die meisten feiner Zeitgenossen.)

1. Die seufzende Geduld.

Morgen wird es besser werden!"
Also feufzt mein schwacher Geist,
Den die Menge der Beschwerden
Ueber allen Abgrund reißt.

Aber, ach! wann bricht der Morgen Und das Licht der Hoffnung an,

Da ich rie so langen Sorgen
Nach und nach vergessen kann?

Sclaven auf den Ruderbänken
Wechieln doch mit Müh' und Ruh';
Dies mein unaufhörlich Kränken
Läßt mir keinen Schlummer zu.

Niemand klagt mein schweres Leiden, Dies vergrößert Last und Pei».

Himmel, laß mich doch verscheiden,
Öder gib mir Sonnenschein!

Will ich mich doch gerne fassen,
Wenn mich nur der Troft erquickt:
Daß dein ewiges Verlassen
Mich nicht in die Grube schickt.

2. Bekehrung.

Welch süßer holder Gnadenftral
Verwandelt mich von innen?

Was raubt so bald mir auf einmal
Die alten Wünsch' und Sinnen?

Mein feftes Herz zerspalten;
Wirf deinen Zorn in Fleisch und Blut,
Weil so ein Schmerzen linder thut,
Als Balsam auf der Scheitel.

Mein ewig Glücke kann kaum blühn,
Wofern ich ruhig lebe

Und, dort den rechten Schaß zu ziehn,
Mich nicht der Welt begebe.
Gewohnheit ist ein eisern Kleid;
3erreiß es durch die Traurigkeit
Gewaltig starker Pfeile.

Verflucht sei Sorgen, Fleiß und Zeit,

Mein Herz ist froh, mein Geift wird frei, Die ich der Welt verpfändet

Und reißt der Lüge Band entzwei,
An dem er stark gehangen.

Ach Gott, erhalt den guten Trieb,
Und treib aus Funken Flammen!
Jest hab' ich deine Rechte lieb,
Jest lern' ich mich verdammen ;
Jest find' ich Luft in Kreuz und Pein:
Die Seele muß geläutert sein
Und über Felsen steigen.

Laß jego die Barmherzigkeit,
Mein Vater, dich nicht halten;

Nein, laß vielmehr durch Schlag und Leid

Und auf den Dienst der Eitelkeit
So finnlos angewendet!
Verflucht sei alle Wissenschaft.
Die nicht mit deiner Weisheit Kraft
Des Nächsten Heil gebessert!

Mein Heiland, hilf mir wider mich
Mit deiner Demuth kämpfen,
Und lehre mich vernünftiglich
Auch fremde Schwachheit dämpfen;
Komm, stelle meine Sünd' ans Licht,
Und laß dein hohes Angesicht
Mich ftets zur Beff'rung reizen.

Karl Friedrich Drollinger.

(Geb 1688 zu Durlach, gest. als Mitglied der Regierung zu Basel 1742. Ein edler, viel geachteter Charakter feine Gedichte zwar etwas verstandesmäßig, aber forgfältig gefeilt, würdigen Gehalts und zu seiner Zeit hod

gepriesen.)

Die Athenienser.

Einst wollten zu Athen, an einem schönen Morgen,
Die Bürger ihre Stadt mit einem Gott versorgen.
Die Stimmen wurden bald bedächtlich abgezählt,
Und mit gemeinem Schluß Minervens Schuß erwählt.
Der troßige Neptun, durch diesen Schimpf erbittert,
Hub seinen Dreizack auf, der See und Flur erschüttert,
Und sprach: "O blindes Volk, das allen Wiz verlor!
So ziehst du denn ein Weib Neptunus' Gottheit vor?
Wer könnte, fuhr er fort mit einem herben Lachen,
Dich mehr an Handlung reich, den Feinden furchtbar machen,
Als ich, der Wellen Herr? Wohlan, es ist erkannt:
Es sei Athen forthin der Narren Vaterland!“

Er sprach. Der Haufe stund verwirrt, als wie im Schlafe:
Aus Dummheit fühlte kaum ein jeder seine Strafe.
Doch bracht ein Rest von Wiz noch Einem endlich bei,
Was für ein kläglich's Ding ein Volk von Narren fei.
Drum naht er sich gebückt zu der Minerven Throne:
Göttin, steure doch dem unverdienten Hohne!
Die Liebe, die dein Volk zu deiner Weisheit trug,
Hat uns darum gebracht. Ach, mach uns wieder klug!"
Nein, Kinder!" sprach fie, nein! Das hab' ich nicht in Händen;
Denn was ein Gott gefügt, kann keine Göttin wenden.
Doch wenn Neptunus euch Verstand und Wiß verkehrt,
So mach' ich, ihm zum Troß, euch allesammt gelehrt."
Vernunft und Wissenschaft, wir lernen's von Athene,
Sind öfters nicht gepaart; beisammen stehu fie schöne.

Michael Moscherosch.

(Geb. 1601 zu Bilstedt im Elsaß, bekleidete verschiedene Staatsämter und starb nach vielfältigen Erlebnissen 1660 zu Borms. Sein Hauptwert ist: Wunderliche und wahrhaftige Gesichte Philander's von Sitte wald, worin er die Thorheiten der Welt und seiner Zeit vorführt. Das Ganze enthält 14 Gesichte Vis flonen, Träume] in zwei Theilen; darunter z. B.: Schergenteufel; Weltweisen; Todtenheer; Hofschulė; Alamode-fehraus; Soldatenleben 2c.")

Aus Philander von Sittewald.

König Witichund sprach: Komm herumb zu mir! was? bistu ein Teutscher? Ey, was haftu denn für einen närrischen Wälschen Gang, Sitten und Gebärden an dir? was wiltu? wo wiltu hin? bistu närrisch worden? wie gcheftu daher? als woltestu dangen oder springen; vnd fochtelst mit den Händen als ein Gauckler; fiehe, wie er Schu an hat, wie Bocksfüß. Es nimbt mich nicht wunder, daß er gern hat reitten wollen: ich glaub, er solt ihm die Füß abgehen in den hohen Wälschen Schuhen oder wohl gar den Hals abfallen. Was ist das für ein wunderliches Bücken vnd Ritschen? mit dem Kopff, mit Händen und Füssen, mit dem ganzen Leib? Du schnapst mit dem Kopff zu den Füssen wie ein Täschen-Messer das man auff vnd zuthut. Meynstu daß solches einen Teutschen Mann ziere? weistu, was die Wälschen selbst von ihrem Grammangen halten, was du ihnen doch so närrisch nachäffest; meinstu nicht, daß sie deiner Einfalt und doppelen Thorheit lachen? was meynstu, daß wir solches Bückens vnd Büflens allhie achten? die wir gewohnt sind drein zuschmeissen vnd zuschlagen als die Blinde, vnd mehr auff vnser Pferd vnd Vieh achten, als auff solche Lumpenbossen? 3hr Teutschlinge! ihr vngerathene Nachkömmlinge! was hülfft euch solche newe Bnarth? Altes Wesen her! alte Gebärden her! In Hiß und Frost übet euch, nicht in Schmincken und Schmucken. Alte Herzen her! Alt Gelt her! Wo ist ewer Alt Gelt hinkommen, als daß ihr solche neue Trachten und boffen darumb erkauffet! vnd den Außländischen all ewre Mittel zuführet, ohn welche sonst sie euch nimmermehr also würden bekriegen, vndertrucken vnd bezwingen können!

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Aus dem Simplicissimus.

(Der Berfaffer dieses berühmten und viel nachgeahmten Romans von allerlei Lebensabenteuern war Samuel Greifenfon von Hirschfeld, von dessen Leben wenig mehr bekannt ist, als daß er im dreißigjährigen Ariege Soldat war. Der Roman erschien 1669, unter dem anagrammatischen Namen des Verfassers: „German Eleifheim v. Suleford", und unter dem Titel: Der Abentheuerliche Simplicissimus, Teutsch, das ist: die Beschreibung des Lebens eines felzamen Vaganten, genant Melchior Sternfels von Fuchshaim 2c.")

Simpler vermeldet, warumb er die Welt
Wieder verlassen, weils ihm nicht gefällt.

Adieu Welt! dann auff dich ist nicht zu trauen, noch von dir nichts zu hoffen; in deinem Haus ist das Vergangene schon verschwunden, das Gegenwärtige verschwin det uns unter den Händen, das Zukünftige hat nie angefangen; das allerbeständigste fällt, das allerstärkste zerbricht, und das allerewigste nimmt ein Ende; also, daß du ein Todter bist unter den Todten und in hundert Jahren läst du uns nicht eine Stunde leben. Adien Welt! dann du nimft uns gefangen, und läst uns nicht wieder ledig; du bindest uns, und lösest uns nicht wieder auf; du betrübest, und tröstest nicht; raubest und giebest nicht wieder; du verklageft uns, und hast keine Ursache; du verurtheileft, und hörest keine Parthey; also, daß du uns tödtest ohne Urtheil, und begräbent uns ohne Sterben! Bey dir ist keine Freude ohne Kummer, kein Fried ohn Uneinigkeit, keine Liebe ohne Argwohn, keine Ruhe ohne Furcht, keine Fülle ohne Mangel, teine Ehre ohne Mackel, kein Gut ohne böß Gewissen, kein Stand ohne Klage, und keine Freundschaft ohne Falschheit. Adieu Welt! dann in deinem Pallast verheisset man ohn Willen zu geben, man dienet ohn Bezahlen, man liebkoset um zu töden, man erhöhet um zu stürzen, man hilft um zu fällen, man ehret um zu schänden, man entlehnet um nicht wieder zu geben, man straffet ohn Verzeihen. Behüt dich Gott, Welt! dann in deinem Hauß werden die grosse Herren und Favoriten gestürzet, die Unwürdige herfür gezogen, die Verräther mit Gnaden angesehen, die Getreue in einen Windel gestellet, die Boßhafftige ledig gelassen, und die Unschuldige verurtheilt, den Beisen und Qualificirten gibt man Urlaub, und den Ungeschickten grosse Besol dung, den Hinterliftigen wird geglaubet, und die Auffrichtige und Redliche haben leinen Credit, ein jeder thut was er will, und keiner was er thun soll.

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Lohenstein. (1635-1683.) Abraham a Sancta Clara. (1642-1709.)

Daniel Kaspar von Lohenstein.

(Geb. 1635 zu Nimptsch in Schlesien, geft. 1683 als Regierungsrath zu Breslau. Er steht mit Hoffmann an der Spitze der zweiten Schlesischen Dichterschule. Sein Schwulst ist als „Lohenstein'scher Geschmack" bezeichnend geworden. Er schrieb geistliche und weltliche Gedichte, Dramen und den historischen Roman Arminiuë".)

Aus dem Arminius.

Nach fast vollbrachter Mahlzeit ließ Herzog Hermann ihm einen ganz güldenen Becher reichen, stand auf, tranck selbten dem Herzoge der Catten Arpus zu, und recete die Anwesenden mit folgenden Worten an: „Edle Deutschen, großmüthige BundesGenoffen; Quintilius Varus hat uns fämbtlich anher beruffen, daß wir unsere Schwerdter im Blute unserer Brüder und Bunds-Genossen, der für Deutschlands Freyheit und die Schand-That des Varus zu rächen ergreiffenden Sicambrer baden solten. Aber so sehr fich Varus betrogen finden wird, wenn er gläubt, daß die Cherusker und Catten nicht für die allgemeine Wohlfahrt ihre Frrungen vergessen könnten, auch Fürst Arpus und ich allhier einander selbst aufreiben würden, so wenig traue ich einigem Anwesenden Deutschen zu, daß er glaube, ich wäre für die Römer aufgesessen, und meine Cherusker wolten wider die Deutschen einen Sebel zücken. Wir würden nicht mehr unserer Vorfahren Nahmen zu führen würdig sein, wenn wir dieses im Schilde führten, oder zeithero nicht mehr vom Verhängnüsse wären gedrückt, als durch eigene Kleinmuth zu Sclaven gemacht worden. Mein Ahnherr König Teutobach ließ von des Bürger-Meifiers Carbo und Silan Legionen nicht ein Bein davon kommen, als selbte sich nur ihren Nachbarn den Galliern näherten; und wir können die Römischen Adler zwischen dem Rhein und der Elbe fliegen sehen? Teutobach, sage ich, drang mit mehrem Schrecken als Hannibal durch die felsichte Mauren Italiens, schlug den Manlius und rieb mit dem Cäpio den Kern des Römischen Adels auf. Worüber Rom erzitterte, und selbigen unglückseligen Tag mit Kohlen in seine Zeit-Register schrieb. Und wir empfinden nicht, daß zweymeilweges von hier in dem Herzen Deutsch-Landes in unsern heiligen Heynen unsere Tod-Feinde ihr Lager und Befaßungen haben? Dem Kayser Julius, dessen Thaten die Römer selbst mehr für Gött- als menschlich halten, boten die einigen Sicambrer, ihrer Freunde halber, die bey ihnen über dem Rheine Zuflucht gesucht hatten, die Epiße, und sagten ihm ftatt begehrter Ausfolgung unter die Au gen: Der Rhein sei die Gränzscheidung zwischen ihrem Gebiete und dem Römischen Reiche. Eben diese beherßten Sicambrer rennen uns auch diesmal den Preis ab; indem der großmüthige Melo sich allein an die Römer macht, und sie über dem Rheine antaftet, auch mit ctlicher tausend erschlagener Feinde auszeleschtem Leben seiner tugendhaften Tochter zu Grabe leuchtet. Wir aber laffen die Saale und Elbe zinsbar machen, die Lippe und Weser mit Festungen beseßen? Kayser Julius schlug ja wo die erste Brücke über den Rhein, alleine, nachdem er vernahme, daß die Catten fich ihm zu begegnen versammelten, kehrte er zurücke und brach die Brücke ab; meyale auch seinen Ehren gar genug gethan zu haben: daß er achtzehn Tage auf deutschem Bodem hätte rasten können: Und wir lassen mehr als so viel Jahre deffen Nachkommen, von denen wir noch zur Zeit wenige Thaten gesehen, unsere Ehre kränken, unsere Güter rauben, und die Wilkühr über unser Leben und Kinder ausüben? Die Augen gehen mir über, wenn ich bedenke daß unsere Waffen vom Roste gefressen werden, wenn wir selbte nicht noch in der Römer Diensten auspußten; daß wir unsere Schwerdter im Blute unserer eigenen Bluts-Verwandten waschen, und sie wie uns unter das Joch der Römer müssen spannen helfen. Wolte Gott aber, wir trügen noch das Joch rechtschaffener Römer und wären nicht Knechte eines einigen üppigen Menschen, an dem nichts Römisches als der Nahme, ja der den Römern selbst verächtlich, und ein Knecht seiner Begierden ist.

Abraham a Sancta Clara.

(Sein eigentlicher Name ist Ulrich Megerle. Er wurde geboren zu Krähenheimstetten in Schwaben 1642 am 4. Juni, trat in den Augustinerorden, wurde 1669 Hofprediger in Wien, ipäter Provincial seines Ordens, und starb 1709 nach einem edien, hochwirksamen Leben. Seine Werte voll Gelehrsamkeit und Erfahrung, sprudeln beim Einst des Gedankens von Bitz und Humor. Am bekanntesten ist sein „Judas der Erzschelm.)

Aus,,Judas der Erzschelm“.

So lang ein Prediger eine schöne, zierliche, wohlberedte, ein aufgepußte, mit Fabeln und finnreichen Sprüchen unterspickte Predigt macht, da ist jedermann gut Freund. Vivat der Pater Prediger! ein wackerer Mann, ich hör' ihm mit Luft zu 24. Wann er aber ein scharfen Ernst anfangt zu zeigen, mit Paulo; O insensati Germani,

o insensati Christiani; wann er anfangt, großen Herren die Wahrheit zu sagen, fie sollen doch einmal die Brillen brauchen und nit afzeit durch die Finger schauen; sie sollen doch mit der Justiz nicht umgehen als mit einem Spinnengeweb, allwo die große Bögel durchbrechen, die kleine Mucken hangen bleiben; fie follen doch nicht seyn wie die Distillirkolben, welche aus den Blumen den leßten Tropfen heraussaugen: Wann er anfangt die Wahrheit zu predigen denen hohen Ministris und Räthen, sie sollen lernen 3 zählen, fie sollen jene Lection recht lernen, welche Chriftus feinen Geheimiften gegeben: Visionem quam vidistis nemini dixeritis: Wann er anfangt den Edelleuten die Wahrheit zu predigen, daß sie denen Barberern in ihr Profeffion_eingrei= fen, und ihr mehrestes Einkommen nicht in Wein oder Traid, sondern in Zwiebeln stehe, weilen sie die Bauern gar zu stark zwiebeln: Wann er die Wahrheit sagt denen Geistlichen, daß fie gar oft seynd wie die Glocken, welche anderen in die Kirche läuten und sie selber bleiben daraus; daß fie gar oft seynd wie die Zimmerleut des Noe, welche anderen die Archen gebauet, daß sie sich salviret, und sie selbsten seynd zu Grund gangen: Wann er die Wahrheit sagt denen Soldaten, daß fie halsstarriger Meinung seynd, als seie ihr Gewissen auch privilegirt, aber da heißt es privilegia Brieflügen: Die Wahrheit dem Magistrat und den Obrigkeiten, daß fie gar oft seynd wie ein Spitalsuppen, worauf wenig Augen: Die Wahrheit denen Mauthnern und Beambten, daß fie gar zu barmherzig seynd, nicht zwar in Beherbergung der Fremdling, wohl aber des fremden Guts: Die Wahrheit denen Zimmerleuten, daß man bei ihnen allzeit frische Spän, aber zugleich faule Gespän finde: Die Wahrheit denen Bädern, daß fie gar oft solche Leut sein, welche Mehl genug, aber zu wenig Teig zum Semlen nehmen: Die Wahrheit denen Gärtnern, daß fie gar oft den Garten säubern, aber das Gewissen lassen verwachsen und nichts mehrers pflanzen als das Beinkräutel: Die Wahrheit denen Wirthen, daß fie gar oft Kein-Wein für Rheinwein, Lugenberger für Luetenberger ausgeben und öfters auch den Tuchscherern in die Arbeit greifen: Die Wahrheit denen Bauern, daß sie sich zwar einfältig stellen, aber so einfältig wie die Schweizerhosen, so hundert Falten haben: Die Wahrheit Senen Kindern, daß sie denen Passauer Klingen nicht nacharten, dero beste Prob ist, wann sie sich biegen lassen 2c. 2c. Wann dergestalten der Prediger den Scharfhobel brauchen wird, wann er auf solche Weis wird die Wahrheit reden, so bringt ihm solches Reden Rodern, so bringen ihm solche Wörter Schwerter, so bringt ihm solches Sagen Klagen: inimicus factus sum dicens, er verfeindt sich allenthalben.

Gottfried Wilhelm v. Leibnit.

(Heb. am 3. Juli 1616 zu Leipzig, studirte die Rechte, machte Reisen, wurde Bibliothecar in Hannover, 1711 Meich freiherr, stiftere Die Berliner Atademie der Wissenschaften und starb 17163u Hannover. Ein hervorragender, umfaffender, unermüdlicher Geist mit tiefgreifenden Leistungen im Zuristischen, Geschichtlichen, Mathematischen, Philosophischen und Theologischen. Er ist der Begründer der neueren Philofophie. Seine Hauptwerke schrieb er in Latein und Französisch. Seine deutschen Schriften herausgegeben von Guhrauer.)

Ueber Verbesserung der Teutschen Sprache.

Ich finde, daß die Teutschen ihre Sprache bereits hoch gebracht in allem dem, so mit den fünf Sinnen zu begreifen und auch dem gemeinen Manne vorkommt; abfonverlich in leiblichen Dingen, auch Kunst- und Handwerkssachen, weil nämlich die Gelehrten fast allein mit dem Latein beschäftigt gewesen und die Muttersprache dem gemeinen Laufe überlassen, welche nichts desto weniger auch von den so genannten Ungelehrten nach Lehre der Natur gar wohl getrieben worden. Und ich halte dafür, daß leine Sprache in der Welt sei, die (zum Erempel) von Erz und Bergwerken reicher und nachdrücklicher rede, als die Teutsche. Dergleichen kann man von allen anderen gemeinen Lebensarten und Professionen sagen, als von Jagd- und Waidwerk, von der Schiffahrt und dergleichen. Wie dann alle die Europäer, so auf dem großen Weltmeere fahren, die Namen der Winde und viele andere Seeworte von den Teutschen, nämlich von den Sachsen, Normannen, Osterlingen und Niederländern entlehnet. Es ereignet sich aber einiger Abgang bei unserer Sprache in denen Dingen, so man weder sehen noch fühlen, sondern allein durch Betrachtung erreichen kann: als bei Ausdrückung der Gemüths-Bewegungen, auch der Tugenden und Laster und vieler Beschaf fenheiten, so zur Sittenlehre und Regierungskunft gehören; dann ferner bei denen noch mehr abgezogenen und abgefeimten Erkenntnissen, so die Liebhaber der Weisheit in ihrer Denkkunft und in der allgemeinen Lehre von den Dinzen unter dem Namen der Logik und Metaphyfik auf die Bahne bringen; welches alles dem gemeinen Teutschen

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