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Manne etwas entlegen und nicht so üblich, da hingegen der Gelehrte und Hofmann fich des Lateins oder anderer fremden Sprachen in dergleichen fast allein und, in so weit, zu viel beflissen: also daß es denen Teutschen nicht am Vermögen, sondern am Willen gefehlt, ihre Sprache durchgehends zu erheben. Denn weil alles, was der ge= meine Mann treibt, wohl in Teutsch gegeben, so ist kein Zweifel, daß dasjenige, so vornehmen und gelehrten Leuten mehr vorkommt, von diesen, wenn fie gewollt, auch fehr wohl, wo nicht besser, in reinem Teutsch gegeben werden können.

Christian v. Wolff.

(Geb. 1679 zu Breslau, Sohn eines Bäckermeisters, studirte Philosophie und Mathematik, wurde mit Leibnit bekannt, ward Professor in Halle, aber 1723 wegen feiner Philosophie vom Schramite entsetzt, fand Aufnahme in Hessen, wurde bald von Rußland, Schweden, Frankreich und England hoch beehrt, von Friedrich II. nach Halle zurückberufen, später in den Reichsfreiherrnstand erhoben, und starb 1751. Seine Philosophe (Belts weisheit), auf Leibnitz gegründet, war allgemein verbreitet; feine vier Hauptwerte enthalten die Logit, Metaphysik, Moral und Politif.)

Aus der Metaphysik,

oder vernünftige Gedanken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen.

Aus der Vorrede: Da ich von Jugend auf eine große Neigung gegen das menschliche Geschlecht bei mir gespüret, so, daß ich alle glückselig machen wollte, wenn es bei mir stünde, habe ich auch mir niemals etwas angelegener sein lassen, als alle meine Kräfte dahin anzuwenden, daß Verstand und Tugend unter den Menschen zu nehmen möchten. Aus diesem Triebe kommen auch gegenwärtige Gedanken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt, an das Tage-Licht und sollen nun in einer unverrückten Reihe nach einander mit anderen begleitet werden, welche die Erkenntniß der Glückseligkeit des menschlichen Geschlechtes, und der wunderbaren Werke Gottes in der Natur vor Augen legen.

Das erste Kapitel.

§. 1. Wir sind uns unser und anderer Dinge bewußt, daran kann niemand zweis feln, der nicht seiner Sinne völlig beraubt ift; und wer es läugnen wollte, derjenige würde mit dem Munde anders vorgeben, als er es bei sich befindet, könnte auch bald überführet werden, daß sein Vorgeben ungereimet fei. Denn wie wollte er mir etwas läugnen oder in Zweifel ziehen, wenn er sich nicht selber und anderer Dinge bewußt wäre? Wer sich nun aber dessen, was er läugnet oder in Zweifel zieht, bewußt ist, derselbige i st. Und demnach ist klar, daß wir find. —§. 2. Vielleicht werden sich einige verwundern, andere aber, die wegen ihrer nicht gar zu tiefen Einsicht mit Erklären und Beweisen nicht wohl können zu recht kommen, es gar verlachen, daß ich erst be weise, daß wir sind! Denn es ist ja noch kein Mensch unter der Sonnen gewesen, der solches geläugnet: und wenn einer sich so weit verginge, würde er nicht werth sein, daß man ihn widerlegte, weil er entweder seines Verstandes beraubet wäre, und also nicht wüßte, was er sagte, oder so halsstarrig sein müßte, daß er vorsäßlich wider sein besser Wissen alles läugnete. Daher auch die allerseltsamste Secte der Egoiften, die vor weniger Zeit in Paris entstanden, und von allen Dingen geläugnet, daß fie find, doch das: Ich bin, zugegeben. §. 3. Ich hoffe, fie werden bald aufhören, fich zu verwundern, wenn ich ihnen die Ursache fage, die mich solches zu thun bewogen. In dem Vorberichte von der Weltweisheit, die sich zu Anfange meiner vernünftigen Gedanken von den Kräften des menschlichen Verstandes (Logik) befindet, ist ange merkt worden, es müsse ein Weltweiser nicht allein wissen, daß etwas möglich sei oder geschehe, sondern auch den Grund anzeigen können, warum es möglich ist oder geschieht. Da wir nun davon, daß wir sind, eine solche Gewißheit haben, daß wir es auf keine Art und Weise in Zweifel ziehen können, so lieget ihm auch ob, zu zeigen, woher denn diese Gewißheit komme. Und weil wir hier die Weltweisheit abzuhandeln gefonnen find, so müssen auch wir danach forschen, woher doch eine so große Gewiß, heit komme. - §. 4. Und (welches die andere Ursache ist) diese Untersuchung bat ihren sehr großen Nußen. Denn wenn ich weiß, warum wir davon eine so große Gewißheit haben, daß wir find, so ist mir bekannt, wie etwas müsse beschaffen sein, damit ich es so gewiß erkenne, als daß ich selbst bin. Das ist aber was Großes, wenn ich von wichtigen Wahrheiten ohne Furcht sagen kann: Sie find so gewiß, als ich bin, oder auch: Ich erkenne so gewiß, daß fie find, als ich weiß, daß ich bin. Und ift uns sonderlich hieran viel gelegen, da wir die natürliche Erkenntniß von Gott und der Seele, und auch der Welt und allen Dingen überhaupt in einer unzweifelhaften Gewißheit auszuführen gesonnen find.

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Uebersicht der Hauptgruppen.

1. Haller und Hagedorn (beide geb. 1708). Beginn und Gegensaß. 2. Gottsched und Bodmer. Gegensäße in der Theorie.

3. Der Leipziger Dichterkreis. Bremische Beiträge (1745). 4. Der Halle'sche oder Halberstädtische Kreis. Anakreontiker. 5. Klopstod. Wieland. Leffing.

6. Die Bardenfänger.

7. Der Göttinger Hainbund (1772). Gleichzeitig:

8. Sturm und Drang. Daraus hervortretend:

9. Herder. Goethe. Schiller.

10. Die Romantische Schule.

11. Die patriotischen Dichter.

12. Uebergänge. Rückert und Platen.

Anhang: Ueberseßungen aus den vorzüglichsten Dichtern anderer Völker.

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Albrecht von Haller.
(1708-1777.)

Geb. am 16. Oct. 1708 zu Bern; einer der gelehrtesten und würdigsten Männer des Jahrhunderts; schon als Knabe ausgezeichnet durch Sprachkenntniß und wissenschaftlichen Ernst; studirte von seinem 15. bis 18. Jahre in Tübingen und Leiben Medicin, bercisete dann England und Frankreich, verlegte sich in Basel auf Mathematil und Botanif, durchwanderte 1728 für Pflanzenkunde die Echweizergebirge, ließ sich als Arzt in Bern nieder, erhielt 1736 einen Ruf nach Göttingen als Profeffor der Arznei, Anatomie und Botanik, ward der Ruhm der Universität, wurde 1749 vom Kaiser geadelt, kehrte 1753 in sein Vaterland zurück, und lebte als Amman zu Bern unter fortwährenden glänzenden Anerbietungen von außen, einzig seinem Amte, den Bissenschaften und religiös-fittlichem Ernste geweihet. Seine Gelehrsamkeit, begleitet von rührender Bescheidenheit, ist erstaunlich, so daß es von ihm heißt: „Es ist schwer zu sagen, was er nicht wußte"; sein Briefwechsel in deutscher, lateinischer, französischer, englischer und italiånischer Sprache äußerst umfangreich (allein mit Geßner in Zürich 156 lateinische); seine wissenschaftlichen Forschungen bilden noch jetzt Quelle und Haltpunkte. Seiner Gedichte find nur wenige, aber hervorragend durch Wahrheit und Ernft der Gedanken, wie durch Kürze und Bewältigung der Eprache, so daß er als Würdigster die neue classische Zeit beginnt und die Nähe eines Klopstod ahnen läßt; viele seiner Jugendgedichte hat er verbrannt: die erste Sammlung 1732, ohne seinen das älteste darin ist vom 25. März 1725 [Morgenlied]. Später schlieb er einige staatswissenschaftliche Romane: song", „Alfred“ und „Cato“ Er starb am 12. December 1777.

Ramen;

Vorrede zur eilsten Auflage seiner Gedichte (1776).

Da ich zum eilften Mate diese mehrentheils in meiner ersten Jugend verfertigten Gedichte herausgebe, davon die ersten vor einem halben Jahrhundert geschrieben find, fo schaue ich von meinem Alter auf diese Schriften mit einer gewissen Gleichgülttgfeit zurück; kaum fehe ich sie mehr als meine Arbeiten an, und von der väterlichen Zärtlichkeit, die ein Dichter für die Früchte seiner Gaben hat, ist bei mir bloß ein Angedenken übrig geblieben. Seitdem ich von 1725 bis 1736, und von meinem fieb. zehnten bis zu meinem achtundzwanzigsten Jahre die meisten derselben aufgefeßt habe, hat die Dichtkunft, zumal in Deutschland, eine große Veränderung erlitten. Ich kam in den Zeiten der leichten, und mit keiner Kritik damals noch eingeschränkten, Art zu reimen unter die Dichter; bloß ein Hagedorn fing in fast eben diesen Jahren an, in seinen geiftvollen und mit vieler Sorgfalt ausgemalten Gedichten ein neues Muster zu zeigen; denn Kaniß war, bei allen feinen Naturgaben, doch etwas zu wässericht und zu weitläuftig. Man sagte, meine Gedichte seien hingegen zu gedrungen, und die Gedanken zu kurz ausgedrückt, die Bilder auch nicht genugsam aus einander gefeßt. Aber die Dichter, die nach uns auf den deutschen Parnas traten, gingen in dem neuen Schwunge ihres Vortrages unendlich weiter. Sie entseßten den Neim von feiner so lange ungestörten Herrschaft, und führten dabei das römische und griechische Silbenmaß ein. Da aber die Trochäen und Daktylen im Deutschen fast unmöglich den Bohltlang der Alten erlangen können, da der Spondeus im deutschen Verse faft unerträglich ist, da die vielen ftummen e, und die gehäuften Consonanten, die o, die a, die tonenden as und os, die angenehmen i der Alten, und die fließende Abwechslung mit Selbstlautern nicht erseßen können, so wurde der Urheber der deutschen Herameter genöthigt, seiner allzu sehr der reimlosen Rede sich nähernden Art zu dichten durch andere Mittel den über die Prose fich erhebenden poetischen Anftand zu geben. Man führte neue, zusammengesette, emphatische Wörter ein, man erfand selbst eine neue Wortfügung, die mit den alten Sprachen näher überein kommt. Glückliche Dichter wagten sich an die neue Art zu dichten, und gaben ihr, wie alle großen Beispiele thun, einen Vorzug und den Beifall des größeren Theiles der deutschen Nation. Ein mal find meine Gedichte geschrieben; sie in reimlose Linien zu überseßen, wäre eine fruchtlose Bestrebung; ich muß mich damit trösten, daß meine in den veralternden Reimen geschriebenen wenigen Gerichte an den Franzosen, am Pope, am Hagedorn und Uz noch einen Schirm haben, und nicht völlig aus dem Parnas verdrungen werden können, so lange ihnen so mächtige Verbündete bleiben. Was ich für sie unter taufend Abhaltungen babe thun können, habe ich indessen gethan. Ich habe sie durchgegangen, und an mancher Stelle die Feile nochmals gebraucht; andere find wirer alle meine Bemühungen hartnäckig gewesen. Ich habe gesucht, einige Wörter zu lindern, einige dunkele Stellen aufzuheitern, und die Sprache noch um etwas zu reinigen. Mehr baben mir die schweren Arbeiten von allen Arten nicht zugelassen, worunter ich mein Leben durchgekämpft habe, und obwohl ich jest endlich hoffe, in Ruhe und Freiheit meine übrigen Tage durchzubringen, so ist hingegen die Leichtigkeit und das Gelenke weg, mit welchem die Jugend ihre Begriffe ausarbeitet. Ich finde hier ein unüberwindliches

Hinderniß vor, das sich der Vollkommenheit der Dichtkunft widerseßt. Die Jugend hat Feuer, Anmuth und Luft zum Dichten; fie hat aber noch keine genugsame Kenntniß der Dinge, fie hat noch nicht genug erfahren, nicht genug abstrahirt, nicht aus vielen ähnlichen Fällen ihre Gefeße der Natur abgemerkt, nicht die Aehnlichkeit entfernter Bilder, und die Unterschiede der ähnlichen, richtig bestimmt. Sie muß allzu allgemeine, und nicht genugsam eigene Begriffe haben. Dieser Mangel muß im Sittlichen, im Schauspiele, in der Epopöe sich alle Augenblicke verrathen. Der Wohlklang der Silben und die Reinigkeit der Sprache kann dergleichen Gedichten einen Reiz zulegen. Aber im Ueberseßen, oder wann die Sprache veraltet ist, entdeckt sich die innere Schwäche. Das Alter hat die Erfahrung, die Ueberdenkung, die Wissenschaft, die der Jugend abgeht. Aber ihm fehlt das Feuer, der leichte Schwung und die Anmuth, die man seit einiger Zeit mit einem entbehrlichen fremden Worte Grazie nennt. Corneille und ein noch lebender Schriftsteller beweisen diese unvermeidliche Mattigkeit eines alten Dich. ters. Virgil ist in meinen Augen zum Theil eben deswegen so vortrefflich, weil er in einem mittlern Alter gedichtet hat, in welchem er das Reife mit dem Angenehmen vereinigte. Seine eigene Bescheidenheit verleitete ihn, hin und wieder nachzuahmen, und hat ihm den einzigen gegründeten Vorwurf zugezogen, den man wider ihn aufwerfen kann.

Allzu starke Gründe helfen mich entschuldigen; von den sechs Jahren, die seit der zehnten Auflage verlaufen find, habe ich nun drei Jahre ohne Gesundheit, zwischen Schmerzen, schlaflosen Nächten, matten Tagen, und einer ununterbrochenen Reihe von allerlei Leiden zugebracht. Wann die Seele mit der traurigen Empfindung des Ver wesens ihres Körpers beschäftigt wird, so find freilich alsdann matte Ausdrücke, un gelente Silben, halb richtige Reime nicht mehr solche Uebel für sie, daß fie die we nigen ihr noch vorgezählten Stunden zu der Ausbesserung ihrer jugendlichen Arbeiten anwenden möge; die Ewigkeit hält ihr den blendenden Begriff ihrer Unendlichkeit vor, fie ift billig desjenigen einziges Geschäft, der auf ihrem Rande geht.

3 übergebe also in meinem Alter meine Gedichte zum leßten Male dem Leser, gereimt, jugendlich unvollkommen, und nicht genug ausgebessert. Fern davon, fie zu vermehren, würde ich einige der Stücke unterdrücken, wann es nicht zu spät wäre, meinem eigenen Geschmacke zu folgen. Und bei einem habe ich's gewagt, und hätte es lange schon wagen sollen. Verdrießlich, höchst empfindlich ist es mir, daß ich auf eine mir unbekannte Weise schlechte, fast in meiner Kindheit aufgefeßte und von mir eben sowohl verworfene Gedichte muß abgedruckt sehen, als diejenigen, die ich flüger ver brannt habe. Ich hoffe dennoch, man werde mich nicht aus den Gedichten beurtheilen, die ich selber als allzu unreif verworfen habe.

Bern, den 21. September 1776.

Aus dem Gedichte:,,Die Alpen". (1729.)

(Das Gedicht, hier nach der Ausgabe von 1776, enthält 40 Strophen.) „Dieses Gedicht ist dasjenige, das mir am schwersten geworden ist. Es war die Frucht der großen Alpenreise, die ich) An. 1728 mit dem jetzigen Herrn Canonico und Professor Geßner in Zürich gethan hatte. Die starten Borwürfe lagen mir lebhait im Gedächtniß. Aber ich mählte eine beschwerliche Art von Gedichten, die mir die Arbeit unnöthig vergrößerte. Die zehnzeilichten Strophen, die ich brauchte, zwangen mich, so viele besondere Gemälde zu machen, als ihrer selber waren, und allemal einen ganzen Vorwurf mit zehn Linien zu schließen. Die Gewohnheit neuerer Zeiten, daß die Stärke der Gedanken in der Stophe allemal gegen das Ende steigen mus, machte mir die Ausführung noch schwerer. Ich wandre die Nebenstunden vieler Monate zu diesen wenis gen Steimen an, und da alles feitig war, gefiel mir sehr vieles nicht. Man sieht auch ohne mein Barnen noch

viele Spuren des Lohensteinischen Geschmacks darin."

1. Versucht's, ihr Sterbliche, macht euren Zustand beffer,
Braucht, was die Kunst erfand, und die Natur euch gab;
Belebt die Blumenflur mit steigendem Gewässer,
Theilt nach Korinths Geseß gehau'ne Felsen ab:
Umhängt die Marmorwand mit perfifchen Tapeten,
Speist Tunkins Neft *) aus Gold, trinkt Perlen aus Smaragd;
Sclaft ein beim Saitenspiel, erwachet bei Trompeten,
Räumt Klippen aus der Bahn, schließt Lander ein zur Jagd;
Wird schon, was ihr gewünscht, das Schicksal unterschreiben;
Ihr werdet arm im Glück, im Reichthum elend bleiben.
*) Indische Schwalbennester.

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