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Leipziger Repertorium

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[1] Chronologia sacra. Untersuchungen über das Geburtsjahr des Herrn und die Zeitrechnung des Alten und Neuen Testamentes von G. Seyffarth, d. Phil. Dr., d. Archäol. a. Prof. an d. Univ. Leipzig u. s. w. Leipzig, Barth, 1846. XX u. 382 S. gr. 8. (2 Thlr. 6 Ngr.)

Wenn die viel verbreiteten, Jedermann zugänglichen, auf den Umsturz der christlichen Kirche berechneten Schriften, wodurch die Geschichte des Neuen Bundes zur ,,Mythe" gestempelt worden ist, auf der Behauptung fussen, dass Christus nicht in den Jahren und an den Tagen in die Welt gekommen, gestorben und auferstanden sei, welche die Propheten vorausgesagt, die Evangelisten bezeugt und die christlichen Kirchen geheiligt haben: so hätten die neueren Apologien vor Allem damit beginnen sollen, solche Behauptungen auf das Gründlichste und Schärfste zu widerlegen. Aber gerade diese Aufgabe, zu deren Lösung alle Kräfte hätten aufgeboten werden sollen, war unerfüllt geblieben. Zwar hat Sepp (,,Leben Christi" Regensb. 1843) ausführlich im ganzen 1. Bande die Zeitrechnung des N. T. behandelt und nachzuweisen gesucht, dass die Hauptepochen aus dem Leben Jesu wenigstens nicht ungewiss und unsicher seien; aber sein Werk hat das Uebel nicht bei der Wurzel gefasst, seine Zeitrechnung ist und bleibt im Widerspruche mit den Angaben der h. Schrift und den Kirchenvätern. Denn diesen nach ist Christus nicht im 5., sondern im 6. Jahrtausend der Schöpfung in die Welt gekommen; nicht im 7., sondern 1. Jahre vor unserer Zeitrechnung geboren worden; nicht im 25. Jahre der Dion. Aera 30 Jahre 9 Monate alt, sondern im 29. Jahre der Dion. Aera fast 30 Jahre alt getauft worden; nicht am 15. April 29 der Dion. Aera 34 Jahre 3 Monate 21 Tage alt, sondern am 19. März 33 der Dion. Aera 33 Jahre 3 Monate alt an das Kreuz geschlagen worden; nicht an einem Freitage, sondern an einem Donnerstage, nicht während einer Sonnenverdunkelung, sondern einer von Ewigkeit her bestimmten Sonnenfinsterniss gestorben; nicht nach 2 Tagen und 2 Nächten, sondern nach 3 Tagen und 3 Nächten, nicht am 17. April 29, sondern am 22. März 33 der Dion. Aera am Frühlingsnachtgleichentage, am Tage der Schöpfung auferstanden.

1846. I.

1.

So lange daher nicht mit mathematischer Zuverlässigkeit nachgewiesen wird, dass Christi Geburt, Taufe, Tod und Auferstehung genau auf die Jahre und Tage gefallen sind, welche die Propheten, Evangelisten und ältesten Kirchenväter bezeichnet haben, sollte Niemand eines Sieges über den Antichrist der Gegenwart sich rühmen; jene moderne Zeitrechnung kann nicht verhindern, dass noch ferner die Leichtgläubigen an die Schriften der ,,Mythe" sich halten. Dagegen behauptet obengenannte Schrift, dass unsere kirchliche Zeitrechnung, obgleich dieselbe seit 200 Jahren in Zweifel gezogen und heutzutage fast allgemein für unrichtig erklärt wird, bis auf Jahr und Tag richtig sei und mit den biblischen und kirchlichen Ueberlieferungen übereinstimme. Der Vf. ist durch viele und neue, grossentheils astronomische und daher gewiss glaubwürdige Hülfsmittel zu den Ergebnissen gelangt, dass Christus wirklich im 6. Jahrtausend der Schöpfung im 1. jüdischen Jahre vor Anfang der Dion. Aera am Winterwendentage geboren worden ist; im J. 29 unserer Zeitrechnung etwa 40 Tage vor seinem 30. Geburtstage der Taufe sich unterworfen hat; am 19. März 33, nach einem Lehramte von 3 Jahren 3 Monaten, Donnerstags während einer wirklichen Sonnenfinsterniss gestorben und 3 Tage und Nächte später am 22. März 33, Sonntags am Frühlingsnachtgleichentage, dem Tage der Schöpfung (5871 v. Chr.) auferstanden ist; wie die Propheten vorausgesagt, die Augenzeugen und die Väter der Kirche versichert haben. Ob diese für die ganze christliche Kirche wichtigen und bedeutungsvollen Ergebnisse mit allen wahrhaften Ueberlieferungen der Vorzeit übereinstimmen, möge der Leser selbst aus Folgendem prüfend ermessen. Herodes d. Gr. ist kurz vor dem Osterfeste mehrere Monate, wie die umständlichen Nachrichten bei Josepbus bezeugen, nach einer Mondfinsterniss gestorben; und eine solche ist in jener ganzen Zeit nur im Jahre 1 vor Anfang der Dion. Aera in der Nacht vom 9. zum 10. Jan. eingetreten, wie schon Scaliger nachgewiesen hat. Denn die Mondfinsterniss am 12. März 4 Jahre vorher, die auch unbedeutend war, ging dem Osterfeste nur wenige Tage voran; daher Christus wegen des von Herodes angeordneten Kindermordes nicht nach dem besagten Jahre geboren worden sein kann. Dieses sonach genau bestimmte Todesjahr des Herodes wird durch die wahre Zeitrechnung seiner 3 Söhne, durch die Zeitrechnungen von Herodes Thronbesteigung bis zu seinem Tode bei Josephus, von Pompejus bis Herodes, von Herodes bis Jerusalems Zerstörung, von den Maccabäern bis Herodes u. s. w. bestätigt und ausser Zweifel gesetzt. In dasselbe Jahr fällt der erste Census des Quirinus, während dessen Christus, wie die Evangelisten bezeugen, geboren worden ist. Ausdrücklich setzt Eusebius diesen Census in das 1. Jahr vor Anfang unserer Zeitrechnung; und obgleich römische Autoren, die ja auch tausend andere Begebenheiten der Geschichte nicht aufbewahrt haben, denselben nicht erwähnen: so lässt sich doch durch die ancyranischen Tafeln selbst und durch die Sabbatsjahre

einfach und mit Sicherheit nachweisen, dass Quirin's erster Census im Todesjahre Herodes d. Gr. gehalten worden ist. Die Census der Römer mussten in gleichen Zwischenräumen gehalten werden, weil davon die Abgaben und das Pachtquantum für das Lustrum abhing; und dass dem wirklich so gewesen, bezeugen die Lustra. Denn früher wurde zu Ende jedes Lustrums eine Schätzung zuerst alle 5 Jahre, später alle 7 Jahre, wie die Inschrift von Ancyra lehrt, gehalten. Dieselbe Inschrift ferner bezeugt in Uebereinstimmung mit andern Autoren, dass Augustus seine Census in den Jahren 28 und 8 v. Chr. 7 und 14 n. Chr., mithin wirklich alle 7 Jahre und zwar in den Jahren gehalten hat, welche bei den llebräern Sabbatsjahre, bei den übrigen alten Völkern Saturnsjahre Auch konnten die Census in Palästina, wobei viele Einwohner weite Reisen machen mussten, um sich in ihren Stammörtern zu stellen, kaum anders als in den Ruhejahren, wo es keine Feldarbeiten gab, vorgeschrieben werden. Wenn nun factisch alle 7 Jahre in den Sabbatsjahren Census gehalten wurden, so muss nothwendig auch im Todesjahre des Herodes, 7 Jahre vor und 7 nach den nächstliegenden Census ein solcher gehalten worden sein, obgleich derselbe in den uns erhaltenen römischen Schriften nicht erwähnt wird; und da nun Josephus ausdrücklich den Census 7 n. Chr. dem Quirinus zuschreibt, so kann Quirinus seinen ersten Census nur 7 Jahre früher, im Sabbatsjahre 1 vor unserer Zeitrechnung, gehalten haben. Hieraus folgt daher offenbar, dass Christus in der Zeit vom 1 Oct. 2 vor Anfang des Dion. Aera, mit welchem das Sabbathsjahr begann, bis zum Osterfeste des 1. Jahres vor Anfang unserer Zeitrechnung, wo Herodes starb, geboren worden sein misse. Der Ausdruck ήγεμονεύοντος τῆς Συρίας kann schwerlich etwas Anderes bedeuten als: jenes Quirinus, den wir als Statthalter Syriens kennen, desselben, der unser Statthalter gewesen ist, oder der unter dem Titel eines ausserordentlichen Procurators/ von Syrien (wozu auch Palästina gehörte) damals auf Augusts Befehl den Census hielt. Dieses gefundene Geburtsjahr des Herrn wird nun durch den Stern der Weisen mathematisch bestätigt. Denn nach alten Ueberlieferungen bei mehreren Rabbinen, welchen 4. Mos. 24, 17 und Josephus Ant. II. 9, 2 u. 7 zu Grunde liegen, sollte der Messias eben so wie Moses 3 Jahre und gewisse Monate nach einer Conjunction von Saturn und Jupiter in Pisces geboren werden, wie auch die Magier wussten. In der That hat, wie die sicherstehende Zeitrechnung seit der Schöpfung lehrt, wirklich 4 Jahre vor Moses Geburt (1948 v. Chr.) d. i. 1952 v. Chr. eine merkwürdige Conjunction von Saturn und Jupiter in Pisces, welche nur alle 800 Jahre zurückkehrt, stattgefunden. Der Stern des Messias aber, dieselbe Conjunction in Verbindung mit der Sonne und den übrigen Planeten, wie die alten Commentare zu 4. Mos. 24, 17 besagen, ist bekanntermaassen im 6. Jahre vor der Dion. Aera erschienen; daher jene Magier die Geburt des Messias durchaus nicht früher erwarten konnten und durften, als 4 Jahre

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nach jener Conjunction, d. i. im 2. Jahre vor unserer Zeitrechnung, in welchem sie eben das Kindlein zu Bethlehem fanden. Die neueren Chronologen haben daher doppeltes Unrecht begangen, zuerst die Stellen über die Constellation von Moses Geburt nicht anzusehn, geschweige sie zu berechnen; sodann aber den Stern des Messias, wozu auch die Sonne gehörte, mit dem Sterne (άoto) zu verwechseln, welcher die Magier in der Nacht leitete. Auf dieselbe Geburtszeit Christi zwischen dem 1. Oct. 2 und dem Osterfeste 1 vor unserer Zeitrechnung führen die vielbesprochenen und vielgeplagten, von Christus selbst auf sich bezogenen 70 Wochen Daniels, denen die den Alten gebräuchlichen Septennien von 6 Monaten, 12 Monaten und 24 Monaten zn Grunde liegen. Denn Daniel rechnet vom Anfange der ersten Jahreswoche nach Ende des Exils (534 v. Chr.) bis auf Christus 7 Wochen (98 Jahre) und 62 Wochen (434 Jahre), mithin 532 Jahre; und folglich sollte Christus wirklich im 2. Jahre vor Anfang der Dion. Aera geboren werden. Der Geburtstag des Herrn wird nun zunächst durch die bisher ganz übersehenen Denkmäler der Gnostiker, die bis auf Christus zurückgehen, bestimmt; denn sie alle setzen übereinstimmend Christi Geburt auf den damaligen Winterwendentag, den 22. Dec. Diess bestätigen die von Noris herausgegebenen Consularfasten auf eine höchst sichere Weise, indem sie bemerken, dass Christus an dem kürzesten Tage, als Sonne und Mond in Opposition waren, geboren worden sei. Denn nur am 22. Dec. 2 vor der Dion. Aera traf der Vollmond auf den Winterwendentag. Und hiermit stimmen fast alle Kirchenväter überein, welche die Geburt des Herrn auf den VIII. Kal. Jan., oder, was bloss auf einer andern Zeitrechnung (S. 102) beruht, auf den 6. Jan., d. h. auf die Winterwende setzen. Diesem Tage entsprach der 25. Pachon im 28. Jahre Augusts, an welchem, wie Clemens Al. ausdrücklich bezeugt, Christus geboren worden. Auf denselben Tag führt die vielbehandelte Priesterclasse Abia; denn da die Priesterturnus mit dem 2. Tempel am 26. März 516 v. Chr. begonnen hatten, so musste die Geburt des Täufers auf den Sonnenwendentag und die des 6 Monate jüngern Messias auf die Winterwende fallen. Und somit ist Haggai's Wort, wonach der Erlöser am 24. Kislev, dem damaligen Winterwendentage, in die Welt kommen sollte, buchstäblich in Erfüllung gegangen. Aus diesem allem scheint nun aber hervorzugehen, dass unsere Zeitrechnung 1 Jahr zu kurz sei, dass Dionysius sich um 365 Tage geirrt habe; dem ist jedoch bei genauerer Betrachtung nicht so. Denn da Dionysius Christi Geburtsjahr seiner Aera voranstellte und nach römischer Weise das natürliche Jahr mit der Winterwende anfing, oder auch das Geburtsjahr Christi nach jüdischer Weise vom 1. Oct. 2 bis 1 vor unserer Zeitrechnung gehen liess; so konnte er mit Recht das 1. Jahr der christl. Zeitrechnung 365 oder 376 Tage nach Geburt des Herrn anfangen. Wenn nun Christus, wie aus obigen und andern Thatsachen hervorgeht, am 22. Dec. 2 vor unserer Zeitrechnung in die

Welt gekommen ist, so muss er, da das Priesteramt, welches er verwaltet, mit dem 30. Lebensjahre begann, am 22. Dec. 29 unserer Aera sein Amt angetreten und 40 Tage vorher die Taufe angenommen haben; und diess bezeugt Lucas. Der genau (¿xçıßñç) erzählende Evangelist sagt, dass Christus fast (wo) 30 Jahre alt im 15. Jahre Tiber's in den Jordan gestiegen sei; das 1. Jahr Tiber's aber begann bei den Juden am 1. Oct. 16 der Dion. Aera, wie sich leicht nachweisen lässt. Zunächst ist das Todesjahr August's mathematisch sicher bestimmt, das 16. Jahr n. Chr.; denn seinem Todestage am 19. Aug. ging eine Sonnenfinsterniss voran und folgte 6 Monate später eine Mondfinsterniss, wie Dio Cass. erzählt. Da nun in jenen Jabreu nur am 1. Sept. 15 n. Chr. und am 30. Jan. 17 n. Chr. eine Sonnen- und Mondfinsterniss eingetreten ist, so muss Augustus erst 16 n. Chr. gestorben sein, nicht 14 n. Chr., wie man dem Petavius, obgleich er die besagten Finsternisse im J. 14 und 15 nicht nachweisen konnte, fälschlich geglaubt hat. Da nun Tiberius 2 Jahre Mitregent August's war, auch noch im Saturnsjahre 14 n. Chr. als Imperator den Census geleitet hat; so muss Tiberius zu Ende des 14. Jahres unserer Zeitrechnung das Imperium angetreten haben, daher sein erstes Jabr in Palästina, wo die Regierungsjahre der Kaiser vom nächstfolgenden Neujahrstage an gerechnet wurden, mit dem Oct. 15 n. Chr. begonnen hatte. Zur Bestätigung dient, von vielen andern Thatsachen abgesehen, die Sonnenfinsterniss am 19. März 33 n. Chr., welche Eusebius in das 18. palästinische Jahr des Tiberius, nach römischer Weise in sein 19. setzt. Diess so gefundene Taufjahr Christi wird weiter durch den Tempelbau Herodes d. Gr. und seine Regierungsgeschichte bestätigt; denn als Christus zuerst im Tempel auftrat, hatte letzterer bereits 46 Jahre hindurch gestanden (Joh. 2, 13) und seine Gründung war im 18. Jahre des Herodes erfolgt (Joseph. Ant. XV. 11, 1). Herodes Regierungsantritt, welcher zu Ende eines Sabbatsjahres nach Josephus stattfand, wird durch viele Nachrichten, namentlich durch die Epochen der Sabbatsjahre genau bestimmt; er gehört in das J. 35 v. Chr. Denn zuerst versichert Josephus, dass Titus im 2. Jahre Vespasian's und im Jahre nach dem Sabbatsjahre Jerusalem zerstört habe; Vespasian's Regierungsantritt aber fällt nach dem astronomischen Canon des Ptolemäus, der sich für jene Zeit auf das Strengste bewährt hat und in diesem Falle nicht so schnell hätte verworfen werden sollen, nicht ins J. 69, sondern 70 n. Chr.; daher Jerusalem nicht 70, sondern 71 n. Chr. erobert worden ist; und desshalb müssen die Jahre 70 n. Chr. und 36 v. Chr., an dessen Schlusse eben Herodes Jerusalem einnahm, Sabbatsjahre gewesen sein. Die besagte Zeitrechnung Vespasian's bei Ptolemäus wird durch mehrere Nachrichten, mathematisch aber durch die beiden Finsternisse bestätigt, welche nach Plinius innerhalb 15 Tagen unter dem 4. Consulate Vespasian's und dem 2. des Titus in Rom gesehen worden Denn im J. 72 n. Chr., in welches Petavius diese Consulate

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