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und Naturgesetzgebung, die zugleich unsere eigene über räumliche, zeitliche, überhaupt jegliche endliche Beschränkung, das Siegel unserer Unendlichkeit und heroischen Wesenheit ist. Dagegen dem Streben nach Aeusserung des ganzen und vollen Menschenthums durch Vernunft und Sinn widersprach die eben so schlechthinnige Alleingeltendmachung der Vernunft als des allein wahren Wesens des Menschen, die Ausweisung des Gefühls und auch der feinen Sinnlichkeit, die Vernichtung der Natur durch Vernunftgesetzgebung, die zugleich deren Einklang zunichte macht, die Aufhebung der Anmuth und harmonischen Schönheit ist. Jenes befeuert das Erhabene, dieses erstickt das Schöne; die Freiheitstheorie Kant's opfert dem Sein den Schein, dem Wahren und Guten unbedenklich das Schöne auf.

Mitten in diese Zerwürfnisse findet sich Schiller hineingestellt. Der negativen Seite der Aufklärungsphilosophie gehört seine Jugend und die erste, der positiven die zweite Periode seines Schaffens an. Empörung gegen widernatürlichen Zwang, der ihm wie Wenigen nahe trat, war die früheste Muse seiner Dichtung. Das erste Gedicht, das seiner Schulgenossen Anerkennung ihm erwarb, besang die Festigkeit eines Freundes gegen den Intendanten der Carlsakademie. Eine angeboren lebhafte stark sinnliche Begabung riss ihn selbst zu den Verirrungen jener Philosophie mit fort, welche das Wesen des Menschen in seiner Sinnlichkeit allein sucht. Die erste Schrift, die sein früher als das poetische gereiftes philosophisches Talent beweist, seine medicinische Doctordissertation über den Zusammenhang der thierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen", ist eine vollständige Apologie der Sinnlichkeit. Die Abhängigkeit des Geistes vom Körper ist das Thema, das sie verficht, die entgegengesetzte Ansicht, dass der Körper der Kerker des Geistes sei, nichts als eine „schöne Verirrung". In vielen Gedichten der Anthologie lodert die flammendste Sinnenglut; die Philosophie des Materialismus, die in ihnen kocht, wirft nach dem Ausdruck seines Jugendfreundes Scharffenstein „rohe unförmliche Schlacken" aus. Eine derbe Grundlage, die dem männlichen Dichter manche überfeine Seele entfremdet hat, verleugnet sich selbst noch in späteren Jahren bisweilen nicht, und trübt hie und da den reinen Spiegel seines Geistes. Aber es ist nur der lockere Staub, der dem an den Boden gefesselten Aar an den königlichen Schwungfedern hängen geblieben ist. Wie der Bildner des Stoffes, so bedarf der Ueberwinder der widerstrebenden Sinnlichkeit; die bestandene Gefahr, nicht die Gefahrlosigkeit macht den Helden des Kranzes werth.

In Schiller's gross angelegter Natur steht dicht neben dem prickelnden Reize der lebendigen Sinnlichkeit die heroische Grösse der moralischen Erhebung. In den Dramen der ersten Periode wird das ästhetische Interesse vom moralischen, in den Ausführungen des Don Carlos vom philosophischen überwogen. Montesquieu und Rousseau sind die Götter seines Olymps. „Mit Schrecken, schreibt er, sehe der Jüngling in den Räubern dem Ende der zügellosen Ausschweifungen nach, und auch der Mann gehe nicht ohne Unterricht aus dem Schauspiel, dass die unsichtbare Hand der Vorsehung auch den Bösewicht zu Werkzeugen ihrer Gerichte brauchen, und den verworrensten Knoten des Geschicks zum Erstaunen auflösen kann." Er betrachtet die Schaubühne als eine moralische Anstalt", nennt es nicht Uebertreibung", wenn man behauptet, dass diese auf der Schaubühne aufgestellten Gemälde mit der Moral des gemeinen Mannes endlich in Eins zusammenfliessen"; aber er sieht auch mit Begierde der kommenden Zeit entgegen, , wo der unversöhnliche Hass, die stolze Verachtung, womit Facultäten auf freie Künste herab

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sehen, endlich schwinden, Gelehrsamkeit und Geschmack, Wahrheit und Schönheit als zwei versöhnte Geschwister einander umarmen werden".

Wir haben den ganzen Schiller vor uns. Aus moralischer Grossheit und lebhafter Sinnlichkeit ist sein Wesen zusammengesetzt, er wünscht und ahnt, dass beide einander zur Schönheit ergänzen müssen. Wie bei ihm immer die denkende Arbeit der dichterischen vorauseilt, versucht er über die Möglichkeit dieser erstrebten Versöhnung zuerst philosophisch sich Rechenschaft zu geben. Für den Materialismus der Sinnlichkeit existirt nur der Leib; für den Spiritualismus der Sittlichkeit nur der Geist. Es muss eine Auffassung geben, welche den einen im andern erkennt. Wenn der erstere den Geist vom Körper abhängig macht, dieser den letzteren verleugnet, verdient die Ansicht den Vorzug, die keines ohne das andere erblickt. Dieser Identitätsstandpunkt, der, wo er Körper entdeckt, einen Geist, wo sich Bewegung verräth, einen Gedanken vermuthet, beherrscht die philosophischen Briefe von Julius und Raphael, deren erste Anlage in das Jahr 1781 gehört. Wo der Geist nur des Leibes Kern, dieser der Seele Gewand ist, da kann der Gegensatz zwischen Vernunft und Sinnlichkeit nicht unaustilgbar, da muss jene der letztern Gehalt, diese Erscheinung der ersteren sein, oder ist sie es nicht, fähig sein es zu werden. Das Gegentheil weist auf einen ursprünglichen Riss, eine nie ausfüllbare Kluft in der Wurzel des menschlichen Wesens hin, dessen Einheit bestimmt scheint, nach den entgegengesetzten Seiten der Vernunft und der Natur sich auseinander zu legen.

Für die ästhetische Einheit, die er sucht, bietet sich ihm die metaphysische. Jene bildet von da an den Zielpunkt seines Lebens; diese verschwindet ihm wieder, sobald er Kant k ennen gelernt hat. Das glückliche Einheitsbewusstsein seines Julius macht dem bittern Gefühle inneren Zwiespalts Platz. Ueber die Reize blosser Sinnlichkeit ist der Dichter hinaus ; die moralische Grösse und die nie wiederkehrende Schönheit bilden das einförmige bald heroische, bald elegische Thema seiner Gedichte. In den „,Göttern Griechenlands" beklagt er den Untergang des Schönen, denn nur in ihnen deckte Vernunft mit der Sinnlichkeit sich ganz. In,,Ideal und Leben“ dagegen fällt die Vernunft mit der Wirklichkeit auseinander, statt der harmonischen Menschlichkeit kommt nur die heroische Erhebung zum Ausdruck. Die Sc önheit spiegelt sich in Carlos, die Grossheit in Posa ab. Selbst die historische Wirklichkeit muss dem moralischen Pathos weichen, und seine Geschichte des Abfalls der Niederlande hat wie sein Posa „den Puls von ihm." Sein Freiheitsprincip hat sich nach Hoffmeisters Worten, „zum Ideal hindurchgekämpft; die Kraft hat die Schwäche, das Hochgefühl die Sehnsucht überwunden und er hat den Gipfel der Richtung erreicht, welche er, seit sein Geist aus den Fesseln der Autorität trat, eingeschlagen hat."

Den beruhigtesten Ausdruck jenes auf Einheit der Gegensätze angelegten Strebens hat der Dichter, dem der Denker die Form des Lehrgedichts aufzwang, in den Künstlern niedergelegt. Als Bekenntniss, wie weit Schiller der Philosoph mit der Bewältigung des Widerspruchs von Sinnlichkeit und Vernunft bis zur Stunde gekommen war, von unschätzbarem Werth sind sie es vornehmlich für die Stellung, die er der Kunst zur Wissenschaft anweist. Das Ganze ist, schreibt er an Koerner (9. Febr. 1789) eine ,,Allegorie," deren Hauptgedanke,,die Verhüllung der Wahrheit und Sittlichkeit in die Schönheit ist." Er gesteht also ein, dass die letztere unselbstständig sei und den ersten beiden nur zum „Gefässe" dienen solle. Die moralische Prüderie der Aesthetik der Zeit beherrscht ihn noch, die selbst einen Lessing bei der Wirkung der Tragödie Zimmermann: Schiller als Denker.

von der Weckung moralischer Fertigkeiten reden liess. Seine leitende Idee ist Baumgarten entlehnt, die fremdartigen Gedanken, die wir im Gedichte antreffen, sind erst bei erneuerter Redaction durch Moritz und Wieland hineingekommen. Die oft wiederholte Hauptstelle: (V. 33) Dein Wissen theilest Du mit vorgezognen Geistern,

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Die Kunst o Mensch hast Du allein!

in der wir Mendelssohn hören, den später so herb Verspotteten, zeigt, wie fern damals Schiller noch Kant'schen Einflüssen stand und wie die Aesthetik der Wolff'schen Schule ihn ihm selbst unbewusst regierte. Schönheit ist Wahrheit, sinnlich angeschaut. Einst der Sinnlichkeit entkleidet werden wir als reine Geister es auch der Schönheit sein. Die sanfte,,Cypria" wird vor dem mündigen Sohne entschleiert als „Urania" dastehn. So ist denn die Schönheit nur ein Durchgangspunkt, bestimmt als überflüssig sich einst selbst aufzuheben. Stärkere Sehorgane als unsere irdischen werden uns einst zur Ertragung des reinen Lichtglanzes der Wahrheit statt ihres trügerischen Farbenspiels fähig machen. Venus Urania trägt über Cypria, die Wahrheit über die Schönheit, der Philosoph über den Künstler den Sieg davon.

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Schiller ist doch zu sehr Dichternatur, als dass er die schulmässige Unterordnung der Kunst unter das Wissen ohne Widerwillen ertrüge. Gelehrsamkeit und Geschmack werden auf diesem Weg noch lange getrennt bleiben. die Fakultäten auf die Künste noch lange mit „stolzer Verachtung" herabsehn, mit noch stolzerer vielleicht, weil sie so gutwillig den Platz räumen. Ein merkwürdiger Widerspruch geht durch die „Künstler" hiedurch. Einerseits soll die Schönheit nur verhüllte Wahrheit, anderseits diese selbst nur erst durch jene vollendet, für sich ein untergeordneter Standpunkt sein. Noch am 10. December 1788 ist Schiller mit Moritz unzufrieden, dass er behaupte, ein Product aus dem Reiche des Schönen müsse ein vollendetes rundes Ganzes sein; fehle nur ein einziger Radius zu diesem Cirkel, so sinke es unter das Unnütze herunter; und schon am 2. Februar des nächstfolgenden Jahres ist er ihm ein tiefer Denker," dessen Aesthetik und Moral „ganz aus einem Faden gesponnen ist." Den letzten Anstoss gibt Wieland, der es sehr unhold empfand, dass die Kunst nach dieser bisherigen Vorstellung doch nur die Dienerin einer höheren Cultur, dass also der Herbst immer weiter gerückt sei als der Lenz, der „Alles, was wissenschaftliche Cultur in sich begreift, tief unter die Kunst stelle und vielmehr behaupte, dass jene dieser diene." Nur in dem Fall erhebe ein wissenschaftliches Ganze sich über ein Ganzes der Kunst, wenn es selbst ein Kunstwerk werde." Schiller findet diese Gedanken, die in seinem Gedicht schon eingewickelt" lägen, wahr genug," um sie demselben sogleich einzuverleiben. Ein grellerer Gegensatz nun, als den diese Ideen zu den früheren bilden, lässt sich eben nicht denken. In jenen hörten wir Baumgarten, Mendelssohn, Sulzer, denen das Schöne ein N e ben-, hier Lessing, Moritz, Goethe, denen es Selbstzweck ist. Jene kommen von der Moral, diese von der bildenden Kunst her. Vorher behauptet die Wahrheit, jetzt die Schönheit den ersten Rang; adelte jene die Kunst, während jetzt diese die Wissenschaft adelt. „,Vorschnell," fährt Schiller in seinem Briefe fort, ,,hat sich der Forscher und Denker schon in den Besitz der Krone gesetzt und dem Künstler den Platz unter sich angewiesen." Dann erst ist die Vollendung des Menschen da, wenn sich wissenschaftliche und sittliche Cultur wieder in die Schönheit auflöst. Die Verse (402 405 alter Redaction):

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Der Schätze, die des Denkers Fleiss gehäufet,
Wird er im Arm der Schönheit erst sich freun,

Wenn seine Wissenschaft, der Dichtung zugereifet,

Zum Kunstwerk wird geadelt sein,

klingen fast wie das Echo jenes Wieland'schen Einwurfs. Schwer zu begreifen ist nur, wie sie mit den übrigen sich vertragen sollen. Ist die Schönheit wirklich nichts als sinnliche Anschauung der Wahrheit, so setzt die angebliche Veredlung der Wissenschaft zum Kunstwerk jene wieder auf einen untergeordneten Standpunkt herab, statt dieselbe, wie sie soll, auf einen noch höheren zu erheben. Die entschleierte Venus muss zum zweitenmal die Hülle der Cypria auf sich nehmen und die kaum entfaltete Wahrheit von neuem in die Puppe der Schönheit schlüpfen. Von einem Extrem geht der Dichter zu dem entgegengesetzten über; dass die Schönheit der Wahrheit, diese der Schönheit nicht bedarf, um ganz zu sein, was sie ist, beide coordinirt, keine der andern untergeordnet seien, der einfache Ausweg des Künstlers, der nur dem Schönen, des Denkers, der nur dem Wahren dient, ist Schiller'n bis jetzt noch verborgen.

Bedeutend ist, dass er selbst diesen Grundmangel gefühlt und das einstige Lieblingsgedicht, auf das Koerner und er grosse Hoffnungen bauten, in späteren Jahren nicht mit den günstigsten Augen betrachtet zu haben scheint. Noch am 19. März 1789 schreibt Koerner, dass kein Product Schiller'n,,mehr Ehre mache," und am 11. Mai 1793 findet er ,,einen Radikalfehler in der Anlage des Ganzen." Vor der Durchsicht der Künstler bei der Revision seiner Gedichte war Schiller'n am meisten bange". Zwanzigmal hat er sie in der Hand he rumgeworfen und zuletzt doch von der Sammlung (des Jahres 1800) ausgeschlossen. „Dasselbe ist durchaus unvollkommen, schreibt er bei dieser Gelegenheit dem Freunde (21. October 1800), und hat nur einige glückliche Stellen, um die es mir freilich selbst leid thut."

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Es konnte nicht anders sein, denn Schiller stand mit den Künstlern im Wendepunkt seiner Laufbahn. Die erste Epoche seines dichterischen Schaffens unter der Herrschaft des moralischpolitischen Gehaltes lag hinter ihm; die classische Zeit seiner auf die Darstellung der reinen Form ausschliesslich gerichteten künstlerischen Thätigkeit sollte wie immer durch einen philosophischen Gährungsprocess, dessen Ferment nun die Kant'sche Philosophie abgab, eben vorbereitet werden. So finden sich denn in den Künstlern die widerstreitendsten Elemente des überwundenen und künftig einzunehmenden Standpunkts, der Wahrheitsdienst der Aufklärungsperiode und der Wielandsche Cult schöner Sinnlichkeit mit den Spuren Kant'scher Vernunftkritik, und zerstreuten Vorahnungen der noch ungeborenen Kritik der Urtheilskraft in bunter Mischung nebeneinander. Kein Wunder daher, wenn der Gang des Gedichts den denkenden Leser ebenso unbefriedigt lässt, als Schiller selbst es von ihm schon nach wenigen Jahren war. Nirgends hat seine merkwürdige Doppelnatur, in welcher das Moralische stets mit dem Aesthetischen im Streit liegt, mit unverhüllterer Zwietracht sich an den Tag gelegt. Jeder stoffartigen Wirkung der Kunst, wie Hem se n*) vortrefflich bemerkt, von Grund der Seele aus Feind, hat er doch der Erkenntniss des Rechten zum Trotz, die er überall bei sich trug, seinen moralischen Lieblingstendenzen den Zugang in die ästhetische Totalwirkung erschlichen." Auch in den

*) Schillers Ansichten vom Schönen u. von d. Kunst, Gött. 1854. S. 14.

Künstlern ist es die Schönheit, die sich den Zutritt bei der alten Schwiegermutter Weisheit" erst förmlich erbitten muss. Ja so weit geht seine ethische Eingenommenheit für die moralische Wirkung des Stoffs, dass er in den Briefen über Don Carlos (1788) alles Ernstes sich mit der Hoffnung trägt,,,einige dort niedergelegte nicht ganz unrichtige Ideen würden dem redlichen Finder nicht verloren gehn, den es vielleicht angenehm überraschen würde, Bemerkungen, deren er sich aus seinem Montesquieu erinnere, in einem Trauerspiele angewandt und bestättigt zu sehn !“ Es bedurfte der Kant'schen Kritik, um Schiller aus dieser moralisch-politischen Sackgasse zu reissen, in welche sein Dichtergenius sich freiwillig verrannt hatte. Moritz'ens Persönlichkeit, dessen,,ganze Existenz auf Schönheitsgefühlen ruht," und Wieland's Tadel, welcher die Künstler für kein Gedicht, sondern für ,,philosophische Poesie" wollte gehalten wissen, und hinter welchen Goethe stand, zu dem sie die Brücke bilden sollten, fielen bei Schiller dem Dichter auf fruchtbares Erdreich. Kant's Kritik der ästhetischen Urtheilskraft, welche das Schöne zuerst von der Herrschaft des Begriffs und des Zweckes zu befreien unternahm, gab seinem selbstständigen Schönheitstrieb die Sanction des Philosophen.

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Vorerst allerdings schien es, als sollte Kant's Philosophie Schillers moralisches Pathos zur höchsten Flamme entfachen. Schiller's gewaltiger Freiheitsdrang fand in Kant's Zurückführung des wahren Wesens des Menschen auf die Thatsache der Freiheit seine classische Besiegelung. Die Losreissung des moralischen Menschen von dem Zwang der Naturgesetze, die Definition des Erhabenen als desjenigen, was auch nur denken zu können, ein Vermögen des Gemüths erweise, das jeden Massstab übertreffe, waren für Schiller's tragisch gestimmte Seele eben so viele Verlockungen, seine Anbetung der Grossheit bis zum Schwärmerischen zu steigern. In den Abhandlungen über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen“, „über die tragische Kunst (1792), vor Allem aber in jener über das Pathetische" und in der abschliessenden „vom Erhabenen (1793) steht er so ganz unter dem Eindruck der Kant'schen Idee, dass ihm ,,der letzte Zweck der Kunst die Darstellung des Uebersinnlichen ist, und die tragische Kunst insbesondere bewerkstelligt dies durch die versinnlichte moralische Independenz von Naturgesetzen im Zustande des Affekts". Es ist als erwachte unter dem Philosophenmantel jene Titanennatur der Räuber wieder, die alle Grazien verscheucht", und den geläuterten Goethe nach dessen Rückkehr aus dem Lande der Schönheit so verletzend berührte. Die Schönheit als Zweck der Kunst und die Natur als deren Bedingung scheinen mit einmal wie vergessen, und das „grosse gigantische Schicksal, welches den Menschen erhebt, wenn es den Menschen zermalmt“, in eine blinde Naturmacht aufgelöst, welche den physischen Menschen opfert, damit der moralische erscheine.

Von dem letzten Brief Raphaels, der kein Anderer als Koerner ist, bis zu den Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts (1789-1793) klingt diese Kant'sche Saite an, aber zugleich auch das Heilmittel der ästhetischen Befreiung. So lange Freiheitsgesetz und Naturgesetz unversöhnlich einander gegenüberstehen, dass die Erhebung des einen nur die Vernichtung des andern ist, kann das Moralische zwar herrschen, aber in der Natur nicht erscheinen, die Natur zwar erscheinen, aber nur um von jenem bekriegt zu werden; Freiheit und Nothwendigkeit, Held und Schicksal stehen im ewigen Kampf und untergehn muss im Leben, was im Gesang unsterblich leben soll".

Dass dieser Gesichtspunkt bloss moralischer Erhabenheit mit der Schönheit unverträglich ist,

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