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sem Heros schweige. Die ganze Combination hat manches wahrscheinliche, wie denn namentlich die spätere Uebersetzung des römischen Cacus oder Cacius (eigentlich Kaxos) in einen griechischen Kaxós ziemlich einleuchtend nachgewiesen werden kann, s. meine Regionen der Stadt Rom S. 153. Nur möchte ich einerseits weder den arkadischen Evander für so jung halten wie der Vf. thut, noch eine entsprechende Gestalt der alteinheimischen Sagengeschichte Roms so entschieden in Abrede stellen. Das Citat aus Hesiod bei Servius zu Verg. Aen. VIII 130, wo der arkadische Evander ein verwandter der Atriden genannt wird, ist nicht so leicht zu beseitigen wie es beim Vf. geschieht, zumal da Hesiod auch von der arkadischen Stadt Pallantion wuste (Steph. Byz. s. v. Пlahhávτiov) und jene Sage, nach welcher Evander ein verwandter des Atreus war, auch von dem römischen Tragiker Attius in seinem Atreus berührt wurde (O. Ribbeck trag. Lat. rel. p. 135). Dazu kommt dasz auch Stesichoros in seiner Geryonis der arkadischen Stadt Pallantion gedacht hatte (Paus. VIII 3, 1), was nicht wol anders als auf Veranlassung der italischen Abenteuer des Herakles auf der Rückkehr von Erytheia geschehen sein kann derselbe Dichter welcher zuerst von der Auswanderung des troischen Aeneas nach Hesperien erzählt hatte. Endlich sind die Gestalten guter Genien und Daemonen etwas so gewöhnliches sowol in der griechischen Mythologie und Sage als in der italischen, dasz man sehr wol etwas gleichartiges auch in diesem Falle annehmen darf, wobei für die römische Sage das maszgebende ist, dasz dieser gute Genius der Civilisation ein Sohn der Nymphe Carmenta genannt wird, deren altlatinische Ursprünglichkeit auch der Vf. nicht wird in Abrede stellen wollen. Also wäre in diesem Falle, wie in so vielen andern, nur eine Uebertragung eines griechischen Namens und Sagengebildes auf eine gleichartige Gestalt der latinischen Sage anzunehmen, von welcher die Annahme einer arkadischen Einwanderung die natürliche Folge war, zumal seitdem man den latinischen Faunus und den arkadischen Pan zu identificieren pflegte; so wie aus der Uebersetzung des italischen Cacus in einen griechischen Kazós von selbst der Gegensatz zwischen diesem und Evander folgte und daraus die übrige Sage von der Einkehr des Hercules bei dem guten Evander und von seinem Kampfe mit dem bösen Cacus entstand. Eine Sage die aber auch in dieser Gestalt schwerlich so jung gewesen ist wie der Vf. annimmt, wenn anders wirklich schon Stesichoros und zwar mit Beziehung auf das arkadische Pallantion derselben gedacht hat. Ueberhaupt scheint die Bearbeitung der latinischen Sagen und Geschichten im Geschmack der Griechen und mit Uebertragungen ihrer eignen Sage älter zu sein als gewöhnlich angenommen wird. Der Verkehr mit Cumae, auf welches Hr. Bormann hinweist, konnte dazu anleiten; aber auch der Verkehr mit Veji, Caere, Tarquinii und den etruskischen Staaten überhaupt, wo eine Confusion und Combination der einheimischen Sagengebilde mit den griechischen etwas sehr altes und gewöhnliches war. Die groszentheils mit denselben Fragen

beschäftigte Untersuchung von Ad. Zinzow de pelasgicis Romanorum sacris, Berol. 1851 (Programme du Collége Royal Français) scheint dem Vf. unbekannt geblieben zu sein. Allerdings ist sie in einem ganz andern Geiste und unter ganz andern Voraussetzungen geschrieben, da dieser gelehrte an die Ursprünglichkeit eines pelasgischen Elementes in Rom glaubt, dabei an die Ueberlieferungen von den Sikelern anknüpft und demgemäsz viele auf eine Verwandtschaft mit Griechenland deutende Elemente des römischen Bodens und Cultus von diesen ursprünglichen Pelasgern ableitet.

8) Ueber den Dolichenus-Cult, von J. G. Seidl. Mit 6 lithographierten Tafeln. (Aus den Sitzungsberichten der kaiserlichen Akademie d. Wiss., philosophisch - historische Classe Bd. XII 1 S. 4-90). Wien, Braumüller in Comm. 1854. Lex. 8.

Dieser Cultus wurde zuerst von Marini Atti de' Fratelli Arvali p. 538-542 ausführlicher besprochen, vgl. m. Regionen der St. Rom S. 202, wo ich mit Beziehung auf das Dolocenum der 13n Region (Aventinus) das wichtigste daraus angeführt habe. Neuerdings sind die in verschiedenen Gegenden am Rhein und in Ungarn gefundenen Inschriften Anlasz zu specielleren Untersuchungen geworden, namentlich zu der von Braun in Bonn 1852 und zu der vorliegenden. Eine Uebersicht der ganzen Litteratur ist zuletzt von J. Becker in den heidelberger Jahrbüchern 1854 S. 487-496 gegeben worden; vgl. den Aufsatz desselben gelehrten über die römischen Inschriften im Gebiete der Stadt Frankfurt a. M. (Archiv f. Frankfurts Gesch. u. Kunst. 6s Heft. Frankfurt a. M. 1854) S. 6 ff., wo die den Dolichenuscult im novus vicus bei Heddernheim auf frankfurter Gebiet betreffenden Dedicationsschriften gesammelt sind. Die vollständigste Sammlung aller dahin gehörigen Inschriften verdanken wir aber der vorliegenden Schrift des Hrn. Seidl, der sich dadurch und durch die hinzugefügten Abbildungen ein nicht geringes Verdienst erworben hat. Auch die begleitende Abhandlung über Entstehung, Bedeutung und Ausbreitung dieses Gottesdienstes ist gründlich und lehrreich. Die Heimat desselben ist Doliche (auch Dolica, Dolicum, Dulichia oder Dulicia), eine Stadt im nördlichen Syrien, die an der nordöstlichen Hauptstrasze von Antiochien nach Samosata lag und als Station für Karawanen auf dem Wege von Mesopotamien sowie wegen ihrer Heiligthümer und Bäder ein vielbesuchter Ort gewesen sein musz. Jene Heiligthümer waren die eines obersten Himmels- und Sonnengottes, wie er in diesen Gegenden von Syrien seit alter Zeit in verschiedenen Formen angebetet wurde und seit der Herschaft der Seleuciden, dann unter den römischen Kaisern unter veränderten Formen neuer Bildung einen neuen Aufschwung nahm. Die Eigenthümlichkeit des Dolichenuscultus scheint die locale einer besondern bildlichen Ausstattung und derselben entsprechenden Legende und Festfeier gewesen zu sein, obwol wir nur nach den bildlichen Darstellungen späterer Zeit urtheilen können.

concret ist, um sich in solche abstracte Schemata einzwängen zu lassen. Auch braucht man zu solchen ganz allgemeinen Begriffen wie denen der ersten Ursache, der Materie usw. doch wirklich nicht die platonische Philosophie, die überdies in ihren dialektischen Abschnitten durchaus nicht ein so intimes Verhältnis zur Volksreligion und Mythologie haben möchte wie der Vf. annimmt. Im Gegentheil gerade Platon, obwol er mit mythologischen Vorstellungen und Bildern zu spielen liebt, gehört bekanntlich zu den Philosophen, welche sich der populären d. h. wesentlich auf dem Epos (Homer und Hesiod) beruhenden Mythologie am schroffsten entgegengestellt haben, wie denn auch der ganze Geist seiner Philosophie eine gröszere Verwandtschaft mit dem Christenthum und der geoffenbarten Religion als mit dem Heidenthum hat.

Insofern also möchte sich der Vf. durch seine Vorliebe für Platon, über dessen Philosophie er früher geschrieben hat (Platonis de summo bono doctrina, Berol. 1843), in eine falsche Bahn haben führen lassen. Im übrigen aber enthalten beide Abhandlungen viel schönes und förderliches, sowol über mythologische Methode im allgemeinen als über den Gott Hermes und sein Wesen und wirken insbesondere. So wird im In Theile mit vieler Einsicht über die Frage gesprochen, inwieweit die Namen der Götter und deren Etymologie, auf welche insgemein zu viel Gewicht gelegt wird, eine entscheidende Wichtigkeit habe, desgleichen über das Verhältnis der epischen, namentlich homerischen Mythologie zur localen, bei welcher Gelegenheit der Vf. erhebliche Einwendungen gegen die Müllersche Methode macht, über die physikalische Mythendeutung usw. Voran geht eine Entwicklung der Bedeutung des Hermes bei Homer, dann folgt eine Untersuchung über seinen Namen, die zu dem in den meisten Fällen giltigen Resultate führt dasz nicht in der Namenerklärung der Beweis für die Richtigkeit eines aufgestellten Begriffs liege, sondern umgekehrt aus dem anderweitig sich ergebenden Begriffe die Richtigkeit der Namendeutung sich bewähren müsse.' Darauf wird der physikalischen Mythendeutung die Richtigkeit ihrer Voraussetzung zugegeben, dasz die ältesten Mythologumena ein Ausdruck für ein wissen von der Natur seien, welches nicht das einer Wissenschaft, aber auch nicht das von ganz rohen Naturmenschen gewesen sei; sondern als ahnungsreiche, sinnige Kinder, deren eingeweihten Blicken alles eines Gottes Spur zeigte' habe man sich die Griechen in der vorhistorischen Zeit der Mythenentstehung zu denken.

Das Wesen des Hermes wird im wesentlichen so aufgefaszt, wie der unterz. im Artikel Mercurius der stuttgarter Realencyclopaedie es aufgefaszt hatte (worauf auch verwiesen wird): Hermes sei die thätige, ausführende, demiurgische Gotteskraft im weitesten Sinne des Wortes, die durch alle Gebiete der Welt und das leibliche sowol als das geistige hindurchgeht, daher Hermes selbst mit gleicher Rüstigkeit im leiblichen wie im geistigen begabt sei und seine alles vermittelnde Wirksamkeit nicht blosz die praktischen Bewegungen des

menschlichen Lebens, sondern auch die wechselnden Zustände des Seelenlebens betreffe. Nur dasz der Vf. dieses in seine Sprache übersetzend sich ausdrückt: Hermes sei das executive Organ des Götterkönigs, der höchten causa efficiens, welcher dessen Herschaft über das anɛiqov d. h. die causa materialis immer von neuem geltend mache. Und diese etwas zu abstracte Anschauung begegnet uns dann auch im 2n Theil, dessen Aufgabe es ist das Wesen des Hermes zunächst im Gebiete der Natur nachzuweisen; denn seine Wirksamkeit in den geistigen Verhältnissen des menschlichen Lebens musten aus Mangel an Raum einem andern Schulprogramm vorbehalten bleiben. Doch fehlt es auch hier nicht an vielen schönen und sinnreichen, ebenso eigenthümlichen wie anregenden Bemerkungen, z. B. S. 17 die Erklärung des Mythos von der Entführung der Rinder des Apollon durch Hermes, unter welchen Rindern Hr. W. die Tage versteht welche, wenn sie nach der Sommersonnenwende abnehmen, gleichsam rückwärts gehen und in das nächtliche Dunkel der Unterwelt hineingetrieben werden; denn in diese scheint zur Winterszeit das Licht allmählich immer mehr hinunterzugehen und droht darin zu verschwinden. Die Taggöttin selbst, die Hemera, hat ja nach Hesiod in derselben ihr Haus und wohnt dort jede Nacht. Dasz aber der Gott der Oberwelt, der am Morgen (elíolo véov énitelloμévolo) den Hermes findet und im Streite mit ihm nach der Entscheidung des Zeus siegt, also die Macht welche ihm auf eine fast unmerkliche Weise seinen Besitz (die Tage) zu stehlen versucht, zwingt, das entwendete aus der dunklen Höhle as pάos wieder herauszugeben, das scheint die Grandanschauung des alten Mythos zu sein, welche der homerische Hymnus freilich nur getrübt wiedergibt, aber in seiner anthropomorphisch ausgesponnenen Darstellung doch noch, sogar in einzelnen Wendungen und Ausdrücken, bewahrt hat.' So ist auch die Erklärung des Märchens vom Autolykos, dem Groszvater des Odysseus, S. 19 eine sehr gelungene und die Deutung des apollinischen Symbols des Wolfes sehr beachtungswerth. Derselbe scheint Hrn. W. nicht ein Symbol des Lichtes zu sein, sondern im Gegentheil das eines dem Lichte feindlichen Wesens, des Winters, der Stürme, der Finsternis, in welchem Sinne auch die Namen und Sagen vom Apollon λύκειος, λυκηγενής, λυκοκτόνος erklärt werden. Es läszt sich nicht leugnen, dasz diese Erklärung sowol den Vorzug der innern Natürlichkeit als den der mythologischen Consequenz hat, da der Wolf im Culte des lykaeischen Zeus ganz überwiegend diese Bedeutung der feindlichen und stürmischen Jahreszeit hat und auch der Thrakerkönig Lykurgos, der Feind des Dionysos, wesentlich den Winter zu bedeuten scheint. Die Naturbedeutung des Hermes aber ist sehr schwer zu erfassen und auf bestimmte Vorstellungen zurückzuführen. Es ist eine nebelnde, dämmernde, Licht und Dunkel, Sommer und Winter, Himmel und Unterwelt, Geist und Körper ausgleichende und zwischen beiden vermittelnde Thätigkeit, stets geschäftig, listig, zugleich befruchtend und rüstig: weniger eine bestimmte Naturkraft,

wie es scheint, als die daemonische und demiurgische Kraft der Veränderungen, wie sie sich im Wetter, im Verlauf der himmlischen Erscheinungen, in dem des Jahres offenbart: so dasz die Erklärung des Hermes durch den dämmernden Regen- und Wolkengott, wie ich sie in meiner griechischen Mythologie durchzuführen versucht habe, doch wol zu eng ist.

2) Ueber die Grundidee des Gottes Hermes, von Carl Friedrich Dorfmüller, k. Gymnasialprofessor. Erste Abtheilung. (Einladungsschrift zur Preisevertheilung am k. Gymnasium bei S. Anna.) Augsburg 1851. 40 S. 4.

Auch dieser gelehrte verbreitet sich ausführlich über die verschiedenen mythologischen Methoden und ihre Mängel, doch ist es weniger leicht über seine eignen Grundsätze ins klare zu kommen. Am meisten schlieszt er sich an Schelling, Creuzer und Röth an. Die vorliegende Abhandlung beschäftigt sich nur mit dem aegyptischen Hermes, wodurch der noch bevorstehenden Darstellung des Wesens und der Eigenthümlichkeit des griechischen Hermes vorgearbeitet werden soll; denn die aegyptische Mythologie sei die der griechischen in gewissem Sinne' am nächsten stehende, was auch der scharf und tief blickende Geist Herodots sogleich erkannt habe. Hermes sei in der aegyptischen Religion der Geist der die drei höchsten Gestalten (Ammon, Phthah und Kneph) in der Einheit éines Selbstbewustseins zusammenfasse und begreife, der concentrierte Ausdruck der Harmonie aller jener göttlichen Gestaltungen in éinem Bewustsein, also auch das Princip der Offenbarung, der grosze founvɛús, und als solcher in ganz specifischer Verbindung mit der Priesterschaft, in welcher der Geist des Hermes fortlebe, der ihnen alle Erkenntnisse mittheile. Nach dieser Analogie wird der Vf. also wahrscheinlich auch den griechischen Hermes auffassen wollen, dabei aber hoffentlich auch bedenken, dasz die aegyptische und die griechische Religion, mögen sie sich sonst in ihren elementaren Anschauungen manigfach berührt haben, doch insofern gänzlich und wesentlich verschieden gewesen sein müssen, als die eine Product einer hierarchisch bevorzugten Priesterschaft und einer diesem Verhältnisse entsprechenden Bildung, die griechische dagegen wesentlich Volksreligion war und blieb. Frühere Schriften des Vf. sind eine de Graeciae primordiis und verschiedene Recensionen mythologischer Arbeiten in den münchner gelehrten Anzeigen.

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3) Ueber das Wesen Apollons und die Verbreitung seines Dienstes. Ein Versuch von A. Schönborn. Berlin, Mittler u. Sohn, 1854. III u. 80 S. 8.

Diese lehrreiche und sehr gut geschriebene Abhandlung zerfällt in zwei Abschnitte, von denen der erste einen negativen, der zweite

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