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Johann Adolph Schlegel.
(1721-1793.)

(Geb. 1721 zu Meißen, Bruder des vorigen, Vater der bekannten jüngeren Schlegel (Friedr. und Aug. Bilb.). ftu birte zu forta und Leipzig, begründete mit Cramer und Gärtner die Bremer Beiträge", wurde 1759 Bastor zu Hannover, später Superintendent, starb 1793. Er schrieb Fabeln, Lieder, Lehrgedichte und Theologisches.)

Die Eigenheiten des Geschmacks (1746).

Muffel fingt zu ganzen Tagen;
Doch bei seines Nachbars Plagen
Lacht der alte Schadenfroh.
Tadelt ihn! Die Stirn bleibt heiter,
Und er lacht und betet weiter.
Sein Geschmack ist einmal so.

Clelien mag man ermahnen:
„Lies doch nicht stets in Romanen!“
Selbst ihr Vater bitt' und droh':
Sie hält sich für aufgekläret,
Wenn fie Kopf und Herz bethöret.
Ihr Geschmack ist einmal so.

Thrax, der Forscher alter Zeiten,
Fraget bei Begebenheiten
Immer nur: wann? wie? und wo?
Nach warum? wird er nicht fragen.
Drum will Schröckh ihm nie behagen.
Sein Geschmack ist einmal so.

Baldus gähnet bei Bruperen 1),
Mag vom Bossuet 2) gar nicht hören,
Wirft von sich den Marivaur 3),
Sich an den verworrnen Säßen
Des Kanzleistils zu ergeßen.
Sein Geschmack ist einmal so.
Zu Erregung unsrer Thränen
Flicket Bav in allen Scenen

und Ach, und Ach und O.
Lieber läßt er sich beschämen,
Als sein und Ach sich nehmen.
Sein Geschmack ist einmal so.

Vom Orbil wird klar bewiesen:
„Dies Jahr ward Ovid verwiesen ;
Jenes Jahr starb Cicero."
Beide läßt er ungelesen,
Weiß er nur, wer fie gewesen.
Sein Geschmack ist einmal so.

Stentor wäre längst vergessen,
Schrieb' er nicht noch alle Messen
Cinen Band in Folio.

Was soll ihm die Zeit vertreiben?
Nicht zu schlafen, muß er schreiben.
Sein Geschmack ist einmal so.

Possen werden Deutsche rühren,
Strafe scharf auch mit Satiren
Sie ein deutscher Despreaur “).
Die bei einem Haller gähnen,
Werden sich nach Stoppen) sehnen.
Ihr Geschmack ist einmal so.

"

Aus:,,Die Schöpfung" (1748)☛

Die Schöpfung des Menschen. (Str. 54–57.) Die Erde lächelt als ein Garten, Wenn ihn der Thau begossen hat. Der Himmel schweigt, die Engel warten, Die ganze Gottheit hält ißt Rath. Sie will, daß ein Geschöpfe werde, Das edel denkt; ein Herr der Erde Und für sie selbst ein Unterthan. Gott bildet Staub, ihn zu erbauen, Gerade soll er aufwärts schauen ; Er bildet ihn, und haucht ihn an.

Er haucht, sein Hauch war eine Seele; Er präget ihr, nur ihr allein, Daß fie vernünftig schließ' und wähle, Die Züge seiner Gottheit ein, Nach seinem Bild, o Mensch, geschaffen, Mißbrauchst du des Verstandes Waffen? Rebellisch brichst du deine Pflicht ? Weint, Augen! werdet Thränenquellen! Doch nein, weint nicht! das Werk der Höllen Entweih' des Schöpfers Werke nicht! Du fühlst dich, Adam, und Gedanken Verwundern sich, daß sie entstehn. Du warst erst nicht! Wem sollst du danken? Du schauest um dich, ihn zu sehn. Da läßt sich Gottes Stimme hören: „Mein Nam' ist Herr; mich sollst du ehren! Ich bin's, und was du siehst, ist mein.“ Der Mensch fällt auf sein Antlig nieder, Vor Ehrfurcht zittern seine Glieder, Sein Herz nimmt Lieb' und Dankgier ein.

Der glückliche Vorfah (1749). Mag doch der Winter toben, Wir wollen uns ißt freuen, Wie wir im Lenz uns freuten. Der Vorsaß, uns zu freuen, Ift in dem Lenz nicht unser; Da müssen wir uns freuen, Weil die Natur uns nöthigt; Da werden uns vom Zufall, Wie durch den Tod des Oheims Dem Neffen seine Schäße, Die Freuden zugeworfen. Itt soll man uns bewundern! Viag doch der Winter toben, Wir wollen, ihm zum Troße, Aus unserm eignen Reichthum Der Freuden Vorrath nehmen!

1) geb. 1644, Lehrer des Herzogs v. Bourbon, Geschichtschreiber. —2) geb. 1627.-3) geb. 1688, Romanund Theaterdichter. 4) b. i. Boileau, geb. 1631, 5) matter Gottschedianer, geb. 1697.

Johann Andreas Cramer.
(1723-1788.)

(Geb. 1723 zu Jöstadt im Erzgebirge, studirte in Leipzig, begründete daselbst 1745 mit Gärtner, Schlegel u. a. die Bremer Beiträge", ward Hofprediger in Quedlinburg und Kopenhagen, Brofessor und Brokanzler in Kiel, und starb 1789. Als Dichter schrieb er hauptsächlich geistliche Lieder und eine freie Bearbeitung der Psalmen David's: er strebte besonders nach Schwung und bewegteren Formen [Rhythmustanz“ schreibt ihm Klopstod ul. Außerdem zeichnete er sich als Redner aus, schrieb Kirchengeschichtliches und sehr viele kleinere Abhandlungen, besonders in dem von ihm herausgegebenen „Nordischen Aufseher“.)

Vertrauen.

Wo ich auch bin, will ich dem Herrn | Der Sturm gehorcht, die Wogen finten Und ruhen wieder.

vertrauen :

3h will mein Heil auf diesen Felsen bauen; Auch in den nächsten schrecklichsten Gefahren kann er bewahren:

In feinen Donnern, in den Ungewittern, Vor denen felbft der Welten Säulen zittern, Und da, wo Bergen gleich empörte Wellen Zum Himmel schwellen:

Und wenn fie, wie sein Sturm fie schleu-
dert, wieder

In ihrer Meere tieffte Tiefen nieder
Sich wie Gebirge stürzen, will ich's wagen,
Nicht zu verzagen.

Sei alles Sturm und Aufruhr und Ge-
tümmel;

Er schuf das Meer, den Erdkreis und den
Himmel;

Was er gebeut im Himmel und auf Erden,
Das, das muß werden!

Zum Sturme spricht er: Nuh'! und ruft

der Stille:

Komm wieder! Allgewaltig ist sein Wille;

[nieder Wer taumelnd niedersank und angftvoll flagte,

Den Abgrund offen sah und schon verzagte,
Froblockt, belastet mit der Völker Segen,
Dem Land entgegen.

Und finkt am friedevollen Ufer nieder
Und ruft: Frohlockt mit mir dem Herrn,
ihr Brüder!
Er ist der Herr des Meeres; Gott ist
Im Sturm, im Wetter.
[Retter

Im Donner ist er's, und wenn Erd'

Schon einzuftürzen

Empörter Wogen!
Sei Preis und Ehre.

und Himmel
drohn, und im Ge-
tümmel
Gott, dem Herrn der
[Meere,

Anbetung sei ihm! Auch in Oceanen
Bahnt Menschen seine Güte fichre Bahnen;
Frohlockt, frohlocket ihm! Dem Herrn der
Meere
Sei Preis und Ehre.

J. Friedrich Wilhelm Zachariä.

(1726 1777.)

(Beb. 172 zu Frankenhausen, studirte die Rechte, wurde Profeffor der schönen Wissenschaften am Carolinum in Braunschweig und starb 1777. Er führte zuerst das komische Heldengedicht in die deutsche Literatur ein, besondere durch seinen Renommiften" [ferner as Schnupftud)“, „Der Mutner in der Hölle" c.]. Außerdem schrieb er Fabeln („in B. Baldis Manier"]_und Beschreibungen „Die vier Tageszeiten"]. Auch gab er eine Musterlese älterer Dichter, seit Opitz, heraus, die von Eschenburg fortgesetzt wurde.)

Aus dem komischen Heldengedichte:,,Der Renommiß".

Mein Lied befingt den Held, den Degen, Muth und Schlacht

In Jena fürchterlich, in Leipzig frech gemacht;

Der, wenn man ihn erzürnt, ein ganzes Heer bekriegte,

Und wenn er focht, auch schlug, und wenn er schlug, auch fiegte.
3ch finge, wie er hat so manchen Feind bekämpft;

Wie sein berühmter Stahl des Stugers Stolz gedämpft,
Den er, als er ihn fah, erft höhnte, dann bestritte,
Und da er ihn bezwang, voll Furcht aus Leipzig ritte.
Wirf einen Blick auf mich, du Geist der Schlägerei,
Damit mein Heldenlied des Helden würdig sei:
So wird die Nachwelt noch aus diesen Blättern lesen,
Wie schön fein letter Sieg, wer Raufbold einst gewesen.
Da, wo die Pleiße sich mit krummen Fluten schlingt,
Und durch das ebne Feld und grüne Flächen dringt,
Liegt eine ftolze Stadt, die sich wie Tyrus zeiget,
Die durch die Musen prangt, und durch den Handel steiget;

Von der nahm man bereits der Thürme Spißen wahr;
Die Dächer stellten fich erst Raufbolds Augen dar,
Darauf kam ihm die Pracht von einzeln Häusern nahe,
Bis er zuleßt die Stadt in vollem Glanze sahe.
Ein Spornftich und ein Fluch beflügelten fein Roß!
Der großen Peitsche Knall macht, daß es fliegend schoß;
Er jagt es schäumend fort, und fast im Augenblicke
Legt er den halben Theil des leßten Wegs zurücke.
Es war ein Jenisch Pferd. Es flog mehr, als es lief;
Ihm war kein Weg zu schmal, kein Graben war zu tief,
Es springt ihn muthig durch: im Laufen und im Sezen
Erfüllt es Wink und Ruf, dem Reiter zum Ergeßen.
Sechs Meilen war es schon in vollem Lauf gerennt;
Es rauchte vor Begier, sein Fuß lief noch behend,
Die Mähnen flatterten, als es in seinem Traben
Auf einmal stußig wird. Es scßt durch Busch und Graben,
Schlägt wiehernd hinten aus; ein weißer dicker Schaum,
Der sein Gebiß bedeckt, fließt auf den rothen Zaum
Und schnaubend feht es ftill. Halt, Raufbold, laß es stehen,
Sein klärers Auge fieht, was deines nicht gesehen:
Ein Kobold steht vor ihm. Ein jeder Renommift
Hat diesen Geist um sich, der ihm zum Schußgeift ift.
Er war auch Raufbolds Schuß. Auf allen seinen Wegen
Sah man ihn um ihn her die leichten Schwingen regen.
Da er aus Jena wich, hatt' er die dünne Luft
Um ihn herum verdickt in einen dunkeln Duft.
Ein Nebel war um ihn, der ihm den Blick versteckte,
Damit kein Feind von ihm den fernen Weg entdeckte.
Nun sah er, doch zu spät, das feltne Leipzig nah;
Er merkt, daß Raufbolds Blick mit Luft die Thore sah.
„Ha," dacht' er bei sich selbst, du denkst daselbst zu bleiben?
Nein, Feiger, meine Lift soll dies schon hintertreiben.
Wie leicht vergäßeßt du den Renommistenstand!

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Wie leicht wärft du verführt, wie leicht wärft du galant!
Nein! dies erlaub' ich nicht!" Er sagt's und lähmt dem Pferde
Den fonft zu schnellen Fuß. Es ftürzt und fällt zur Erde.
Sogleich springt Raufbold ab. „Vermaledeites Thier!
Und du auch fälft mir um?" schrie er voll Nachbegier.

Er schwört, er schreit, er peitscht und schlägt's mit eignen Händen,
Doch es lag, wie es fiel, entkräftet, lahm an Lenden.

Johann Friedrich von Cronegk.

(1731-1759.)

(Geb. 1731 zu Ansbach, studirte in Leipzig, befreundet mit dem Leipziger Dichterkreise, bereifete Stalien und Frankreich, wurde Ansbach'scher Hofrath und starb an den Boden in der Neujahrsnacht 1758-1759. Erwandte fich mit Ernst und Eifer der dramatischen Poesie zu und erhielt durch sein Trauerspiel Cobrus" einen auge fetzten Breis, was er aber felbst nicht mehr erfuhr; die zweite Stelle erhielt Der Freigeist des Wilhelm d. Brawe [1738-58], der gleichfalls ein aufstrebendes dramatisches Talent "war und in feinem Brutu suerst den fünffüßigen Jambus einführte. Als Eroanet's vorzüglichstes Drama gilt „Dlint und Sophronia". Er schrieb meist in Alexandrinern, brauchte aber auch schon den fünffüßigen Jambus.)

Aus dem Trauerspiel: „Olint und Sophronia".
Erste Scene: Evander (Olint's Bater, Christ in Jerusalem) allein.
Die Sterne werden bleich; die kühlen Schatten fliehen,
Bald wird der junge Tag auf Hermons Spißen glühen;
Vor seinem heitern Blick, der alles rege macht,
Entweicht das leichte Heer der schauervollen Nacht.

Noch schläft Jerusalem; doch niemals schläft mein Kummer:
Mein Herz tennt keine Ruh', mein Aug kennt keinen Schlummer.
3ft dies Jerusalem, der Völker Königin?

Wo ist nunmehr ihr Stolz, wo Macht und Schimmer hin?

Ein wildes Pferd zerstreut der Könige Gebeine;

Wo sonst der Tempel stund, find jeßo Schutt und Steine;
Da rauscht jeßt Schild und Spieß, wo sonst das Lied erklang,
Das der Leviten Chor bei Afsaph's Harfe sang.
Wohin, Jerusalem, wohin bist du gerathen?

An uns bestraft der Herr der Väter Missethaten.
Erzittre, weil dich Gott im Zorn verworfen hat!
Nicht mehr Jerusalem, nicht mehr die Friedensstadt!
Der Himmel hört uns nicht und sieht nicht unsre Thränen :
Wir feufzen unterm Joch erzürnter Saracenen.

Was sonst am leßten fehlt, die Hoffnung fehlt uns fast.
Hier herrschet Aladin; hier pranget sein Pallaft,
Und hier ist die Moschee, der Siß der fälschen Götter!
Bewaffne dich, o Herr! mit einem Donnerwetter,
Und fürze diesen Bau, in dem man dich entweiht,
In Schutt und Asche hin, zur ew'gen Dunkelheit.

Aus dem Lehrgedichte: „An sich selbst."

Ein jegliches Geschöpf erwirbt sich durch sein Sein
Zugleich ein Recht zum Glück, ein Recht, fich zu erfreun.
Mißgönnet andern nicht des Himmels füße Gaben,
Prangt mit der Weisheit nicht, seid fröhlich, fie zu haben.
Dankt eures Schöpfers Macht, und saget nicht dabei,
Daß Welt und Alter schlimm, die Vorsicht strenge sei.
Gebraucht mit Dankbarkeit das, was er euch gegeben,
Genießt des Lebens froh, hofft auf ein andres Leben.
Werth einer bessern Welt, die euch sein Wort verspricht,
Erfüllt in dieser erst die vorgeschriebne Pflicht.
Seid nicht empfindungslos, doch mäßigt alle Triebe;
Seid alüdlich durch Natur, Vernunft und Menschenliebe.
Seht die verjüngte Flur, den jugendlichen Hain:

Die ganze Schöpfung jauchzt, es klagt der Mensch allein.
Geh, frage bei dem Wild auf jener grünen Haide,
Wozu fie Gott erschuf. Sie sagen dir: zur Freude.
Geb, frage, von dem Reiz der Lilien entzückt,
Wozu der Himmel fie so prächtig ausgeschmückt:
Für dich, Undankbarer, der alles dies nicht siehet,
Die ftillen Freuden haßt und vor sich selbsten fliehet.
Es spielt ein heller Bach sanft rauschend durch die Flur,
Und murmelnd danket er dem Vater der Natur.
Hörst du das ftille Lied vergnügter Nachtigallen?
Geh, frage fie, von wem wohl ihre Töne schallen.
Durch Triller sagt sie dir: Der Herr von Welt und Zeit
Erschuf so dich, als mich, zur Luft und Dankbarkeit.
Willst du des Himmels Luft anjeßo schon genießen?
O, lerne Stolz und Wunsch in enge Schranken schließen!
Wie prächtig blüht die Welt! Sieh, alles blühet dir,
Genieße, danke, leb! der Dimmel ist schon hier.

Sehnsucht nach dem Lande.

Felb, wo mein Geist von Lärm entfernet
Das Glück der Ruhe fühlen lernet,
Klein, wie mein Wunsch, ftill, wie mein
Serz!

Bann fühl ich einft, der Welt verborgen,
In dir den Frühling und den Morgen,
Zwar ohne Lust, doch ohne Schmerz,
Zwar ohne Ruhm, doch ohne Sorgen?
Bann kommt die Zeit, geliebtes Feld,
Daß ich zufrieden in dir wohne?

Die Rosen find mir eine Krone,
Und diese Thäler eine Welt.
Tönt freudig in dem Haine wieder!
O, wärt ihr, ungezwungne Lieder,
Schön, ohne Kunst, wie dieses Feld!
Nach Ruhm und Geld will ich nicht fireben;
Mich reizen Freuden ohne Müh’:
Die stille Weisheit kann sie geben,
Mein Lied sei reich an Harmonie,
Doch noch harmonischer mein Leben!

Magnus Gottfried Lichtwer.

(1719-1783.)

(Geb. 1719 zu Burzen in Sachsen, studirte zu Leipzig die Rechte, wurde Regierungsrath zu Halberstadt und starb 1783. Gottsched hielt viel auf ihn und trat mehrmals als sein Lobredner auf. Er schrieb: „Vier Bücher äsopischer Fabeln" [1748], die fich zu jener Zeit durch nachdrucksvolle Kürze und schärfere Pointe auszeichneten ferner ein Lehrgedicht: „Das Recht der Vernunft", in 5 Büchern, nach Wolf's Grundsätzen, (1758).)

Eingang zum ersten Buche der Fabeln.

O Muse! die du weißt, was Thier' und Bäume sagen,
Wovon der Vogel fingt, was Fisch und Wurm beklagen,
Ich bitte, sage mir, wie reden Löw' und Maus ?

Wie drückt sich eine Gans, und wie ein Adler aus?

Wovon schwaßt Schneck' und Frosch, wie sprechen muntre Pferde?
Was denkt der volle Mond? worüber seufzt die Erde?

Wie redet die Natur? Es läßt ja ungereimt,

Wenn hoher Sänger Wiß von Wuth der Lämmer träumt,
Die Löwen weinen läßt, die Hasen drohen lehret,
Gewächsen Flügel dreht, und die Natur verkehret.
Aesopus dichtete natürlich, ohne Zwang,

Aesop, der von der Maus bis an die Löwen sang,

Und ohne der Natur was Falsches aufzubürden,
Die Thiere reden ließ, wie Thiere reden würden;
Die Wölfe dürfteten nach feiger Lämmer Blut,
Der Hirsch pries sein Geweih, der Uhu seine Brut,

Der Panther drohete, der Stier sprach von dem Stalle,
Der Sperling plauderte, der Fuchs belog fie alle.
So fang der Phrygier; nichts, so sich widersprach,
Floß jemals in sein Lied; ihm sang ein Phädrus nach,

Und alle, die nach ihm das Fabelreich durchstrichen,
Erhoben ihren Ruhm, so weit sie jenen glichen.

Mein Mund versucht ihr Lied. Wie, wenn es nicht gelingt?
Wer zweifelt, hat gewählt. Es sei gewagt, er singt.

Eingang zum dritten Buche der Fabeln.

Wer glücklich Fabeln schreibt, der folgt Aesopus' Spur,
Er beffert durch ein Bild, und lehrt durch die Natur,
Singt von unglaublichen und nie gescheh'nen Dingen,
Um, was wir täglich sehn, im Gleichniß vorzubringen.

Er greift das Lafter an, und schont der Thorheit nicht,
Macht diese lächerlich, ftraft jenes ins Gesicht.
Er geht von Stand zu Stand, warnt beiderlei Geschlechte,
Steigt zu dem Fürsten auf, und nieder zu dem Knechte;

Er lehret Kind und Greis, den Bürger und den Held,
Schäßt Klugheit Kronen gleich, die Tugend über Geld,
Und manche Wahrheit wird von ihm ans Licht gezogen,
Die alle längst gewußt, und keiner recht erwogen.

Die Muse, die ihn führt, haßt Stolz und Niedrigkeit,
Stroßt nicht von Flittergold, und trägt kein Lumpenkleid;
Sie flieht der Fürsten Pracht, und meidet Frost und Blöße,
Sie lärmt und donnert nicht, tritt nicht in Riesen-Größe,

Jedoch als Göttin auf, und läßt die Thoren gehn,
Die ohne Phöbus' Geist sich stolz als Dichter blähn,
Und bald von kindischen und eiteln Märchen träumen,
Bald Meistersängern gleich nur eine Rede reimen.

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