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12.

De Philostratoeum In Describendis Imaginibus Pide Scripsit Fridericus Matz. Bonnae apud Adolplmm Marcum. MDCCCLXVII. Ш u. 139 s. gr. 8.

Nachdem K. Friederichs in seinem 1860 erschienenen buche über die Philostratischen bilder sich im gegensatz zu Welckers ansieht dahin ausgesprochen hatte, dasz die Philostrale bei gänzlichem mangel an kunslversländnis auch nicht einmal die absieht gehabt hätten wirkliche kunslwerke genau zu beschreiben, entspann sich zwischen ihm und H. Brunn über diese frage ein streit, welcher in diesen Jahrbüchern (suppl. IV s. 179—306. V s. 133—181) geführt worden ist. die ansichlen heider gelehrten stehen sich unvermittelt gegenüber, obgleich es an leisen andeulungcn einer annäherung auf beiden seiten nicht fehlt, es ist daher ein wolberechligtes unternehmen, welchem sich der vf. obiger dissertation unterzogen hat, noch einmal die Untersuchung aufzunehmen und gewissenhaft die gründe für und wider die glaubwürdigkeit der Philostrate zu prüfen. Matz verzichtet von vorn herein darauf neue monumento zur vergleiclmiig herbeizuziehen ; vielmehr gibt er zuerst die mittel an die hand, um über das wesen der sophistischen litteratur, speciell über die zwecke und die bildung des Philostratos zu urleilen; dann wird das Verhältnis der poetischen ausschmückungen, welche sich selbst nach Brunns Zugeständnis in den bildern finden, zu dem kerne der beschreibung genau untersucht.

Von s. 5 an wird nachgewiesen, dasz von der zeit der diadochen an das bestreben immer mehr hervortritt in prosaische erörterungen beschreiLungen von gemälden einzumischen, z. b. bei Kleanthes (Cic. de fin. II 21), Kebes, Oion Chrysostomos, Lukianos. diese beschreibungen sind aber nur eingelegt, um speculativen gedanken sinnliche deutlichkeit zu geben, erst mit dem neuen aufblühen der kunst und der sophistik im zweiten jh. nach Ch. begegnen wir wirklichen beschreibungen, wie sie Lukianos (eiKÓV€C с. 3, п. Tújv èrci fiicöu» CuvÓvtujv с. 42) mit bescheidener Zurückhaltung, Aelianos (ttoik. ÍCT. Ill 1) mit der behauptung gibt, dasz er durch worte völlig dasselbe erreichen könne, was ein maier mit dem pin sei erreiche, bei Achilleus Tatios (s. 12) beweist nicht nur die symmetrische anordnung, sondern auch die vergleichung mit erhaltenen kunslwerken (Andromeda und Prometheus III 6—8 = Zahn П 30), dasz «r wirkliche beschreibungen liefert; dasselbe gilt von Chorikios. Nikolaos gibt im fünften jh. anweisungen, in welcher reihen folge die teile einer statue beschrieben werden müssen, und es werden bei den Byzantinern solche beschreibungen unter die Schulaufgaben aufgenommen, aber während wir in den meisten fällen die glaubwürdigkeit dieser sophisten nicht in zweifei ziehen können, dürfen wir nicht ebenso günstig von den Philostraten urteilen, denn jene nennen häufig die künsller, rühmen den. welcher das werk geschenkt hat, oder die sladl wo es steht; diese machen keine angaben dieser art. der jüngere nennt gar keinen ort seiner gemäldesamlung, der ältere verlegt sie nach Neapel, während er vermutlich in Athen schrieb (vgl. Kaysers prooemium s. V) und so eine controle fast unmöglich machte, über grime, form und anordnung der geinäldc wird nie etwas ganz bestimmtes gesagt, weil sich Philostratos einen beschauer der bililer denkt, an den er seine worte richtet, aus dieser fiction darf man aber nicht den schlusz ziehen, wie Welcker thut, dasz er wirklich beschreibe (s. 24). beide wollen nur unterhallen und belehren und denken nicht daran die zwecke der archäologen zu fördern, im leben des Apollonios hatte der ältere Philostratos es sich zur hauptaufgabe gemacht (c. 3 s. 3, 2 Kayser) die stilistisch mangelhafte darstellung des Damis in eine geschmackvollere und reinere spräche umzusetzen (s. 25). so war es auch ausgesprochenermaszen in den eixóvec sein zweck, Vorbilder zu schaffen, an denen knaben ihren stil bilden könnten (379, 18 той boKÍцои èmneXr|COVTai), und der jüngere Philostratos, der von seinem oheim ganz abhängig ist, rühmt an ihm besonders die reinheit des Stiles (s. 5, 5 Xíav агпкшс Tfjc тХшттпс ëxouca). hieraus ist natürlich für die Sorgfalt in der beschreibung der bilder kein günstiger schlusz zu ziehen, als eine zweite Vorfrage wird nun erörtert, ob Philostratos überhaupt eine genügende kennlnis der kunst gehabt habe, der vf. weist s. 26—32 durch viele belege besonders aus dem leben des Apollonios, dem heroikos und den briefeu nach, dasz der rhetor über den entwicklungsgang der kunst hinreichend unterrichtet, mit vielen meisterwerken bekannt und sogar bemüht gewesen ist sich durch eigenes nachdenken von dem wesen des künstlerischen bildens rechenschaft zu geben (vgl. Ed. Müller gesch. (1. théorie der kunst II s. 317 ff.), weniger günstig für Philostratos ist das ergebnis, dasz er trotz seines kunstverständnisses bei seinen beschreibungen nicht immer genau sein wollte, von zahlreichen beweisen seiner unzuverlässigkeit (s. 34—45) sei hier nur erwähnt, dasz er in seiner Schilderung Indiens dreifüsze nennt, welche sich von selbst bewegen, sowie diese aus Homer (11. С 373) entnommen sind, so lassen sich die meisten übrigen abweichungen von der Wahrheit aus der nachahmung von dichterstellen erklären.

Nachdem die kunstkenntnis des Philostratos und zugleich seine neigung zu poetischer ausschmückung anderweitig festgestellt ist, wendet sich der vf. zu den bildern selbst (s. 46) mit der annähme, dasz jedenfalls den einzelnen wenigstens reminiscenzen an kunslwerke zu gründe liegeu. da aber viele der beschreibungen eine reihe fortschreitender scenen enthalten, so rausz untersucht werden, ob sich die poetischen zusätze ausscheiden und so der vom künstler dargestellte moment herausschälen, oder ob wenigstens im allgemeinen das argument des bildes sich erkennen läszt. Friederichs wirft nach erkennlnis der ausschmückenden Zusätze zu rasch das ganze weg; Brunn wünscht bilder zu finden und übersieht die genaue interpretation, er behauptet dasz der rhetor zuerst ganz im allgemeinen über das local, die scenerie oder den gesamtebarakter der figuren spreche, dann den mylhus erzähle, hierauf häufig die personen in ruhe beschreibe und erst dann die handlung selbst schildere, zum schlusz gebe er einige hindeutungen auf die zukunft. mit dieser vorgefaszlen meinung, so bemerkt der vf. mit recht, darf man nicht an die bilder herantreten, sondern man musz sich durch unbefangene interpretation jedes einzelne klar zu machen suchen. zuerst werden die bilder: I 28 die jäger, II 19 Phorbas, Il21 Antäos, II 22 Herakles unter den Pygmäen und d. j. 1 Achilleus besprochen. alle zerfallen in mehrere scenen, z. b. bei dem letzten musz man den Achilleus zuerst (s. 6, 15) als blumen pflükkend, darauf (s. 6, 22) als die waffen ergreifend denken. von Philostratos selbst wird hier eine räumliche trennung der scenen durchaus nicht angedeutet; dagegen ist eine solche in den worten des rhetors angegeben bei den Bakchen I 18 (s. 394, 28 Tauri uèv tä év r öpe, rä dé ésYÜc TaÖro) und bei der erziehung des Achilleus II 2 (s. 408, 11 rauri uèv nepi 9öpac toü ävrpou, ö d'év t Treditp Troic usw.) – die geburt des Hermes, welche zu unklar und schwierig ist, wäre hier besser beiseite gelassen worden. Matz folgert nicht sogleich, wie Friederichs s. 102 ff., aus dieser teilung die nicht wirklichkeit der bilder, sondern hält es für möglich dasz zwei ganz verschiedene scenen auch in der alten malerei verbunden werden konnten. für die übrigen bilder aber, wo eine wirkliche teilung nicht einmal gedacht werden kann, da sie eine fortlaufende und schon darum für die malerei nicht darstellbare handlung enthalten, gewinnen wir daraus keine stütze. Matz führt die auch von Friederichs schon zu gleichem zwecke benutzte Hesione des jüngern Philostratos an, in welcher Herakles nur éinmal beschrieben wird, während das ungeheuer ihm gegenüber in zwei verschiedenen situationen zu denken wäre (s. 16, 24 ätpeuoüvr Trpoceróxouev rP khre, kuvoÜuevov dé vuvi cpodporärn ÖÜun usw.). es ergibt sich also dasz die Philostrate, ähnlich wie die dichter, bei ihren beschreibungen nicht selten in erzählung übergehen. offenbar irrt Brunn, wenn er behauptet, die beschreibungen seien ganz klar nach beseitigung weniger leicht erkennbarer zuthaten. als hauptaufgabe erscheint es vielmehr zu untersuchen, ob es überhaupt ein sicheres kriterium gibt, nach welchem gemaltes und nichtgemaltes zu trennen sind. mit recht gesteht der vf. zu, dasz häufig nur subjectives urteil entscheiden kann, welche scene wol für den künstler am passendsten war, in anderen fällen kaum subjective gewisheit zu erreichen ist. denn nur in unbedeutenden nebendingen läszt der rhetor seine zusätze als solche erkennen. am wenigsten schadet es, wenn dem beschauer zugemutet wird töne oder gerüche wahrzunehmen, doch verlangen die beschreibungen selbst vom auge unmögliches. so soll man II 34 die drei Horen im kreise tanzen und doch von keiner den rücken sehen. Von s. 68an wird im anschlusz an die beispiele von Friederichs bewiesen, dasz die Philostrate in zahlenangaben, in schilderung des kolossalen, des schrecklichen und des wunderbaren die grenzen der malerei überschreiten; häufig sind sie durch nachahmung von dichtern dazu verleitet. ehenso kommen (14 Teiresias, II 17 Proteus) figuren vor, die in der betreffenden zusammenstellung unverständlich und darum malerisch unmöglich sind. in einzelnen fällen freilich bleibt die entscheidung über die darstellbarkeit zweifelhaft. wenn man nach den zugrunde liegenden bildern forscht, musz man sich besonders da vorsehen (s. 84), wo die Philostrate ihre gelehrsamkeit zeigen, indem sie dichterische attribute in die bilder hineintragen, werehe entweder absolut oder in [der bestimmten composition unpassend sind. I 30 (s. 405,18) läsztPhilostratos, obgleich sein Pelops ein den ganzen körper verhüllendes gewand trägt, dennoch die elfenbeinerne Schulter in wunderbarem glänze durchschimmern (vgl. Pind. Olymp. 1, 41). Friederichs hat nun nicht alle bilder in ihrem Verhältnis zu den werken der dichter untersucht. Matz erörtert diese frage vollständig und vermeidet dabei geschickt den fehler, in welchen Friederichs verfallen ist, der nur eine bestimmte, typische auffassung einer scene gelten läszt und abweichungen davon zu rasch als Unmöglichkeiten bezeichnet; vielmehr musz man als dargestellt anerkennen, was nicht an und für sich den regeln der bildenden kunst widerstreitet, bei den nachweisungen von nachgeahmten dichtungen ist besonders ansprechend was der vf. s. 119 über die quelle von I 26 sagt, hier wird von Hermes erzählt, dasz er aus den windeln schlüpft, den Olymp hinabsteigt, die herde des Apollon in eine felsenspalte treibt, dann wieder zurückkehrt und dem Apollon, als sich dieser über den diebstahl beklagt, auch noch den bogen vom rücken nimt. diese erzählung, welche mit dem Homerischen hymnos nicht übereinstimmt, wol aber mit Horatius carm. 1 10, schöpfte Pliilostratos höchst wahrscheinlich aus Alkäos: denu diesen ahmte Horatius gemäsz der angäbe des Porphyrie zu v. 1 — hymnus est in Mercurium ab Alcaeo lyrico poeta — nach.

Philoslralos der ältere, welcher eine ausgedehnte kenntnis der kunstwerke besasz, hat an einigen stellen das gesehene falsch erklärt (s. 130), an anderen weicht er von dichtem absichtlich und zwar in Übereinstimmung mit kunstwerken ab (s. 131). dies schützt ihn gegen Friederichs, welcher ihm allzu hart den Vorwurf gänzlicher Unkenntnis und geschmacklosigkeit macht, dennoch bleiben im einzelnen die grösten zweifei über seine genauigkeit, nur allgemeine grundsätze der damaligen kunst wird er wol kaum verletzt haben und würde z. b. von lichteflecten nicht sprechen, wenn er sie nie in bildern beobachtet hätte, s. 132 f. wird eine Zusammenstellung der von den Philostraten benutzten dichterstellen gegeben, aus welcher hervorgeht dasz der ältere besonders Pindaros und Eurípides, der jüngere Sophokles vor äugen gehabt hat.

Das dem ref. durchaus richtig scheinende endresultat des buches ist eine modificierung des von Friederichs über die Philostrate ausgesprochenen Verdammungsurteils, der ältere Philostratos besonders ist nicht unbekannt mit der kunst seiner zeit, reminiscenzen an kunstwerke finden sich allenthalben, doch beschreibt er nicht genau, weil ihm das in seinem auf das stilistische gerichteten hauptzwecke störend sein würde, seine vorliebe für die dichter bestimmt ihn sehr oft dichterstellen einzufügen, und diese sind durchaus nicht überall leicht abzusondern, für archäologische zwecke, welche beiden Philoslraten ganz fern lagen, sind daher ihre bilder von sehr geringem werthe, und man musz sich hüten auf ihre autorität hin Scheinbeweise zu führen.

Gotha. Ernst Schulze.

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