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B

L4
1896

DIE

LEBENSANSCHAUUNGEN

DER

GROSSEN DENKER.

EINE ENTWICKELUNGSGESCHICHTE

DES LEBENSPROBLEMS DER MENSCHHEIT

VON PLATO BIS ZUR GEGENWART.

ΤΟΝ

RUDOLF EUCKEN,

PROFESSOR IN JENA.

ZWEITE, UMGEARBEITETE AUFLAGE.

LEIPZIG,
VERLAG VON VEIT & COMP.

1896.

Vorwort.

Bei aller Veränderung im einzelnen hat unser Werk in der zweiten Auflage den Plan der ersten durchaus festgehalten. Es möchte durch eine geschichtliche Vorführung der Lebensanschauungen der großen Denker zunächst dafür wirken, daß die Helden des Gedankens nicht bloß wie leblose und gleichförmige Schatten an uns vorüberziehen, sondern daß ihre Gestalten Fleisch und Blut gewinnen und zugleich einen eigentümlichen Charakter zeigen; so allein kann die Kraft und Leidenschaft, welche ihre Schöpfungen durchströmt, auch unserer eigenen Arbeit zufließen. Insofern darf das Werk sich. als ein Supplement zu allen Darstellungen der Geschichte der Philosophie geben, ohne sie irgend ersetzen zu wollen.

Zugleich aber hofft es der Philosophie selbst einen Dienst zu leisten, indem es eine Art Einleitung in die Hauptprobleme der Philosophie bietet. Die Lebensanschauung eines großen Denkers läßt sich gar nicht entwickeln, ohne daß diese Probleme deutlich zur Sprache kommen; sie müssen sich hier, in dem Zusammenhange mit dem Ganzen der lebendigen Persönlichkeit und ihrem heißen Streben nach Glück, besonders durchsichtig und eindringlich darstellen.

Endlich kämpft das Werk für einen engern Zusammenhang der Philosophie mit dem allgemeinen Leben. Die gegenwärtige Spaltung, die Gleichgiltigkeit weiterer Kreise gegen die Philosophie und die Abschließung der Philosophie zu einer gelehrten Fachwissenschaft, ist ein großer Schaden für beide Teile; es gehört zur Gesundung unsers geistigen Lebens, daß man sich wieder mehr um einander kümmere. Ist aber nicht die Lebensanschauung ein Punkt, wo die philosophische Arbeit dem reinmenschlichen Interesse besonders nahe kommt? Sollte es nicht alle Gebildeten treiben, bei einer Frage, die so sehr unser eigenes Glück angeht, eine Fühlung mit den Meistern des Gedankens zu gewinnen?

Die Hoffnung, die wir bei der ersten Auflage äußerten, hat uns nicht betrogen, das Buch hat viele Freunde gefunden, und so kann es jetzt in einer, wie ich hoffe, wesentlich verbesserten Gestalt neu erscheinen. Es ist vornehmlich in drei Punkten geändert. Früher fehlte das rechte Gleichmaß der Zeiten; die Neuzeit, namentlich das 19. Jahrhundert, kam entschieden zu kurz; jetzt hoffen wir jenes Gleichmaß hergestellt zu haben. Ferner enthielt die frühere Behandlung zu viel Reflexion; das eigene Bild der Denker wurde bisweilen dadurch getrübt. Auf eine Beleuchtung und Beurteilung der Denker können wir auch jetzt nicht verzichten, aber sie soll jetzt mehr aus der Darlegung selbst hervorgehen; solche größere Sachlichkeit wird auch die Anschaulichkeit erhöhen. Endlich ist mehr Mühe darauf verwandt, das Verhältnis der Denker zu ihrer Zeit zu entwickeln, den Hintergrund ihres Schaffens zu zeichnen. Einer Ableitung der großen Werke aus der gesellschaftlichen Umgebung bleiben wir dabei so feindlich wie zuvor, die Unmöglichkeit einer solchen Ableitung dürfte jetzt eher noch deutlicher erhellen. Die Darstellung suchten wir einfacher, anschaulicher, lebendiger zu gestalten. Ein Buch, welches sich mit den tiefsten Problemen des Menschenlebens befaßt, läßt sich nicht ohne alle eigene Arbeit aufnehmen, aber wir haben mit größtem Eifer gestrebt, diese Arbeit nicht unnütz zu vermehren.

So hoffen wir, daß das Buch sich in der neuen Gestalt einen noch größern Kreis von Freunden erwerben wird.

Jena, im Herbst 1896.

Rudolf Eucken.

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